Mich faszinieren Gegensätze und persönliche Herausforderungen», sagt Thomas Frutiger, darauf angesprochen, wie er seine Handlungsentwürfe charakterisieren würde. Ein Blick auf seinen Lebenslauf bestätigt diese spontane Äusserung: Rudolf-Steiner-Schule, dann Wirtschaftsgymnasium und HSG was mit einem Sprung ins kalte Wasser verglichen werden kann.
Das gilt auch für seinen späteren Werdegang und in noch stärkerem Mass für seine militärische Laufbahn. Ein Absolvent der Rudolf-Steiner-Schule wird Panzergrenadier-Rekrut und später Hauptmann. Ohne die Ideale von Rudolf Steiner infrage zu stellen: Aber es sind doch auffallend viel Friedensbewegte dort erzogen worden. «Wie gesagt, ich liebe Gegensätze und die persönliche Herausforderung», betont Thomas Frutiger nochmals.
Die gleiche Entwicklung zeichnet sich auch in seiner beruflichen Laufbahn ab. Während seines Studiums an der Universität St. Gallen wählte er bereits vor 15 Jahren als Praktikums-Destination Hongkong, obwohl damals der Asien-Boom noch nicht so ausgeprägt war wie heute. Bei der Integrated Display Technology (IDT) arbeitete er als Marketing Trainee und wäre gerne länger geblieben. Aber für die Beendigung des Studiums musste er zwingend zurück an die Alma Mater in St. Gallen. «Ich verbrachte eine interessante Zeit in dieser Stadt.» Thomas Frutiger erinnert sich gerne an das Studentenleben und die Aktivitäten rund um das Studium wie beispielsweise die Mitarbeit im Ressort International. Noch heute hat er mit vielen Freunden aus der Studentenzeit regelmässig Kontakt und schätzt den Gedankenaustausch zu unterschiedlichen Themen.
Fasziniert von den Menschen in Brasilien
Thomas Frutiger wollte nach dem Studium erste Erfahrungen bei einem baunahen Unternehmen im Ausland sammeln und bewarb sich für die interne Revision bei Liebherr International in Bulle. Nach einer Einführungszeit wurde er zum Kaufmännischen Geschäftsführer in Brasilien ernannt. In dem Werk in Brasilien, mit rund 200 Mitarbeitern, werden Bagger, Betonmischer, Raupen und Schiffskrane hergestellt. Die Beförderung in diese Position war so kurz nach dem Studium eine grosse berufliche Herausforderung, die Frutiger gerne angenommen hat. Dieser Entscheid zeugt davon, dass er im Hinterkopf den Einstieg bei Frutiger als realistisch einstufte. Wenn die Rede auf dieses Land kommt, wird der eher sachlich wirkende Thomas Frutiger überraschend emotional. «Die Menschen dort faszinieren mich. Sie machen aus jeder Situation, sei sie noch so schwierig, das Beste.»
Im Sinne seiner Vorliebe für Gegensätze und persönliche Herausforderungen wechselte er zu Swisscom International und betreute die ausländischen Beteiligungen in Tschechien (heute Cesky Telekom) und in Deutschland (Tesion). Der Kauf und Verkauf von Beteiligungen im rasant wachsenden Telekommunikationsmarkt faszinieren ihn, und er sammelt wertvolle Erfahrungen als Direktor von TelSource (Prag) im Beteiligungsmanagement.
Kein Freund von Mutmassungen
Wer sich mit Thomas Frutiger länger unterhält, stellt bald einmal fest, dass er sich gerne an die Realität, die fassbar ist, und nicht an Hochrechnungen oder Mutmassungen hält. Klar strukturiert. Das ist es auch, was Thomas Frutiger auszeichnet. Präzise Antworten immer mit Blick auf Zusammenhänge. Dazu ein Beispiel: Wie kommt es, dass die Frutiger-Gruppe den Umsatz in den letzten zehn Jahren fast verdoppeln konnte, obwohl das wirtschaftliche Umfeld in der Baubranche schwierig war? «Es ist primär die Leistung der Kader, unter deren Leitung die Projekte effizient und zur Zufriedenheit der Kunden ausgeführt werden. Ein erfolgreich abgewickeltes Projekt ist die beste Referenz für die Akquisition eines neuen Projektes.»
Zurück zu seinem beruflichen Werdegang. Eigentlich wollte Thomas Frutiger Architekt werden. «Aber dazu war meine kreative Ader nicht ausreichend», räsoniert er. Bauen jedoch lag in seinem Blut. Heute ist er gemeinsam mit seinem Cousin Luc zu 100% Eigentümer einer breit diversifizierten schweizerischen Baugruppe. Der Weg war zwar programmiert, aber nicht fixiert. Als sich die dritte Generation aus dem operativen Geschäft zurückzog, waren er, seine Geschwister und Cousins noch zu jung, um in das Unternehmen einzusteigen.
Was sich in der Folge abspielte, kann als perfekte Nachfolgeregelung bezeichnet werden. «Nach dem operativen Austritt der dritten Generation wurde das Unternehmen während fast zehn Jahren durch ein Management-Team ohne Familienmitglieder vorbildlich geführt. In dieser Zeit haben alle sieben Nachfolgeberechtigten der vierten Generation firmeninterne Schulungs- und Informationsanlässe besucht. Irgendwann wollten nicht mehr alle mitmachen. Dies führte zum Resultat, dass Luc und ich je 50% der Aktien übernommen haben und in die Fussstapfen unserer Väter getreten sind.»
Vor dem endgültigen Einstieg ins Familienunternehmen wollte er noch bei einem Konkurrenzunternehmen Bauluft schnuppern. Er ging für den österreichischen Baukonzern A. Porr AG als Projektentwickler für ein knappes Jahr nach Warschau. Anschliessend beschäftigte er sich ein Jahr lang mit der Entwicklung von Wohnimmobilien in München. In dieser Zeit absolvierte er berufsbegleitendden Immobilienökonomie-Lehrgang an der European Business School (ebs).
Konzentriert auf das Wichtige
Damals wurden seine Sinne für qualitativ hoch stehendes Bauen geschärft. Wenn es etwas gibt, was Thomas Frutiger aus der Reserve lockt, ist es dieses Thema: «Vom Landkauf bis zum Verkauf einer Wohnung.» Heute gehört die Projektentwicklung zu seinen Kernkompetenzen. Das Entwickeln von hochwertigen Wohnbauten ist ihm sehr wichtig. Es ist ihm ein grosses Anliegen, Details so abzustimmen, dass der zukünftige Bewohner viel Freude hat und sich wohlfühlen kann.
Wie beurteilt er die Zukunft seiner Branche? «Die Nachfolgeregelung ist bei vielen KMU ein Problem und wird zu weiteren Konsolidierungen führen. Die Professionalisierung wird in der Zukunft weiter zunehmen, und die Qualität der Kader wird noch wichtiger.» Damit ist angesprochen, was Thomas Frutiger bewegt.
Engagiert hat er sich immer, wenn ihm noch ein Quäntchen Freizeit verblieb an der HSG bei der Gründung einer Alumni-Vereinigung (Dalenades) und jetzt neu bei der Royal Institution of Chartered Surveyors (Rics), dem weltweit führenden Berufsverband der Bau- und Immobilienbranche mit über 110000 Mitgliedern in 120 Ländern. Thomas Frutiger ist Gründungs- und Vorstandsmitglied von Rics Switzerland.
Bei Curem (Center of Urban Real Estate Management), dem ersten Anbieter eines universitären Studienlehrganges im Bereich der Immobilienökonomie in der Schweiz, ist er im Beirat.
Thomas Frutiger ist ein Mann, der Gegensätze und persönliche Herausforderungen liebt, aber trotz seiner vielen Aktivitäten seine Kraft immer nur auf das konzentriert, was ihm wichtig erscheint. Das gilt auch für seine Freizeit. «Früher waren es die Berge und das Surfen. Klar, wer am Thunersee aufwächst, wird zum Wassermenschen.» Vor drei Jahren heiratete er eine Perserin. Die beiden Söhne sind 20 Monate und acht Wochen alt. «Die Hobbys treten jetzt etwas zurück, nur das Skifahren darf nie zu kurz kommen.»
Seit acht Jahren Hauptsponsor des FC Thun: Steckbrief
Name: Thomas Frutiger
Funktion: Mitinhaber, Verwaltungsrat und Mitglied der Geschäftsleitung
Alter: 38
Wohnort: Muri bei Bern
Familie: Verheiratet, zwei Kinder
Karriere
1996-1998 Participation Manager bei Swisscom International, Bern, und Direktor von TelSource, Prag
1999-2001 Projektentwickler bei A. Porr AG in Warschau und München
Seit 2002 Verwaltungsrat und Mitglied der Geschäftsleitung der Frutiger AG, Thun
Firma
Frutiger wurde 1869 gegründet und ist heute ein führendes Unternehmen im Schweizer Baumarkt. Eigentümer sind Luc und Thomas Frutiger. Das Unternehmen hat 1600 Beschäftigte und erzielte 2004 einen Umsatz von 419 Mio Fr. Frutiger AG ist eine diversifizierte Gruppe mit Schwerpunkt in den Kantonen Bern, Freiburg, Waadt und den angrenzenden Gebieten. Das Spektrum reicht von der Bauproduktion (Hoch-, Tief- und Strassenbau) über Gesamtlösungen als General- oder Totalunternehmer bis hin zu Spezialarbeiten. Die Frutiger AG ist seit acht Jahren Hauptsponsor des FC Thun.