Der Luxusgüterkonzern Richemont hat sein Juwel, die Marke Cartier, neu gefasst. Horst Edenhofer, der Mann mit dem Zöpfchen, schied nach 30 Jahren in Diensten des Edeljuweliers im letzten Herbst aus. An seiner Stelle stehen nun zwei, die sich die Aufgaben teilen. Das Alltagsgeschäft im heimischen Markt führt von Genf aus Christophe Massoni, was die Strategie anbelangt, so laufen die Fäden neu bei Tom Meggle in München zusammen. Der gebürtige Bayer arbeitet seit 2002 für Cartier und ist in der Position des Direktors verantwortlich für die Schweiz und Nordeuropa.
Passt zu Cartier: Mann von Welt
Wie der Jet-Set-erprobte Edenhofer beherrscht auch Meggle seinen Part als Cartier-Botschafter perfekt. Eleganz paart sich mit Weltläufigkeit; sowohl bei der Wahl seiner Garderobe als auch bei jener seiner Worte. Der mit einer Französin verheiratete vierfache Familienvater legt grossen Wert auf Gepflegtheit und Gepflogenheiten. Dazu gehören Einstecktuch und Manschettenknöpfe genauso wie die passende Uhr (eine Pasha Seatimer) oder der akkurate Haarschnitt. «Gegen ein gesundes Mass an Eitelkeit ist nichts einzuwenden», sagt Meggle, «wie ein Hemd gebügelt ist, darauf allerdings kommt es mir nicht an.»
Der Cartier-Chef sitzt auf einem Sofa in einer Suite des «Badrutt’s Palace», standesgemäss in St.Moritz, das Hemd aufgeknöpft, und beantwortet geduldig die Fragen des Journalisten. Eben ist er zurückgekehrt von einem Polo-Spiel, gleich muss er wieder los. Weiter Interviews geben, Geschäftspartner treffen, Kunden auch, am Abend eine grosse Gala eröffnen. Meggle ist in diesen Tagen ein gefragter Mann.
Er weiss dies zu nutzen. Wirbt für die Marke und orientiert über seine Ziele. «Wir müssen die Hemmschwelle senken, die Leute sollen ohne Scheu einen unserer Shops betreten», betont er. Als erste Massnahme werden die Cartier-Geschäftsräume an den verschiedenen Standorten, darunter auch in Zürich, umgestaltet, aufgefrischt. Edle, in ihrer Art aber auch schwere Farbtöne sollen einer eleganten Leichtigkeit weichen. Zudem will Meggle die – wie er sagt – «Zugänglichkeit» auf der internen Seite fördern. Dazu gehört, dass die Angestellten den richtigen Moment finden, um auf eintretende Kunden zuzugehen – nicht zu früh und schon gar nicht zu spät. Denn: «Die ersten drei Sekunden sind absolut entscheidend. Wenn man sich da falsch verhält, kann dies nur schwer wieder gut gemacht werden.»
Der Luxus stillt Sehnsüchte
In Bezug auf die Klientel hat der 44-Jährige in den vergangenen Jahren eine deutliche Verbesserung der Kauffreude ausgemacht. Und eine Veränderung im Bewusstsein. Der Kunde wisse ganz genau zwischen Teurem und Wertvollem zu differenzieren. Ersteres habe kaum individuellen Wert, Luxuriöses hingegen berühre, wecke und stille Sehnsüchte, sei von Bestand. «Wenn man sich etwas Schönes leistet, dann will man sich verwöhnen, sich für etwas belohnen», so Meggle.
Was die Branche anbelangt, so war der eloquent auftretende Manager vor fünf Jahren bei Cartier zwar ein Quereinsteiger, nicht aber, wenn es um das Segment geht. Ein Hauch von Exklusivität weht stets mit, wenn Meggle etwas in Angriff nimmt. Er schmunzelt: «Genau genommen entstamme ich ja einer gut gestellten Bauernfamilie.» Reine Koketterie, denn die Meggles aus dem deutschen Reitmehring sind auf ihrem Gebiet in etwa das, was die Ewings aus Dallas im Erdölgeschäft gewesen sind. Während aber in Texas das schwarze Gold manch einer Familie den ökonomischen und gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht hat, so kommt diese Funktion in Oberbayern der Milch zu. Die Meggles sind weit über ihre Stammlande hinaus bekannt als «Butter-Barone». Das Ende des 19. Jahrhunderts aus einer einfachen Käserei entstandene Molkereiunternehmen erwirtschaftet einen Jahresumsatz, der sich auf mehrere 100 Mio Euro beläuft, und beschäftigt mehr als 1000 Mitarbeiter.
Familienbetrieb falsche Fährte
Eigentlich wäre Tom Meggle als ältester von drei Söhnen dazu bestimmt gewesen, dereinst die Führung des väterlichen Imperiums zu übernehmen. Daraus ist allerdings nichts geworden, nach einem fünfjährigen Intermezzo, das sich über die Jahrtausendwende hinwegzog, verabschiedete der Junior sich wieder aus dem Familienbetrieb. Über die genauen Gründe schweigt er sich aus, bestätigt aber, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Aufgabenteilung und die Ausrichtung des Betriebes zwischen dem Chef (seinem Vater) und dem Markenverantwortlichen (ihm) gegeben habe. Tom Meggle trägt es mit Fassung und betont, dass, auch wenn beide Seiten über einen veritablen Dickkopf verfügten, das Verhältnis zueinander privat gut sei. «Es ist halt ein Unterschied, ob ein Vater Vater ist oder Aufsichtsratsvorsitzender.» Dem Split gewinnt er durchaus auch positive Seiten ab. «Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel gelernt. Zum Beispiel, dass man eine Traditionsfirma nicht einfach von einem Tag auf den anderen umkrempeln kann. Dafür ist viel Zeit vonnöten. Oder auch, wie wichtig ein Kollektiv ist – und wie unbedeutend in gewissen Situationen die Kraft eines Managers.»
Leidenschaft für Wein entdeckt
Nicht zuletzt das befristete Engagement im Familienunternehmen hat dazu geführt, dass Tom Meggle seinen Lebenslauf als «erklärungsbedürftig» bezeichnet. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium an der renommierten European Business School im Rheingau heuerte Meggle bei einem Weinimporteur in Rheinland-Pfalz an. Ganz bewusst. Die Affinität zum Wein hat sich bei ihm früh schon eingestellt, nach dem Abitur, als er einen Sprachaufenthalt in Paris einschob. Ein Jahr, das ihn geprägt hat. Das Savoir-vivre habe eben schon etwas für sich, bemerkt der sprachgewandte Deutsche. Letzteres ein Zug, der ihm nach eigener Einschätzung Jahre später auch die Türen zu Cartier öffnen sollte. Was seine grosse Leidenschaft, den Wein, angeht, haben es ihm die schweren Burgunder angetan. «Ich kaufe keinen Wein, um ihn zu lagern, ich kaufe Wein, um ihn zu geniessen.» Der Genuss, das Schöne, der Luxus: Für Tom Meggle sind sie schon von Berufes wegen alltäglich – eine Alltäglichkeit indes sind sie nicht.
Gekündigt ohne ein Jobangebot
Zurück zu seinem Werdegang. Dieser führte ihn in den 90er Jahren zu France Vinicole, einem Importeur französischer Spitzenweine für die gehobene Gastronomie. Das Unternehmen operierte von Deutschland aus, Meggle und seine Familie hatten ihren Lebensmittelpunkt in Strassburg. Ein geografischer wie mentalitätsmässiger Spagat. Denn die beiden Kulturen gerade im Managementbereich unter einen Hut zu bringen, sei durchaus eine Herausforderung, lacht Meggle: «In Deutschland ist alles klar strukturiert, in Frankreich hingegen ist man in vielen Belangen viel flexibler.»
Flexibilität – sie wurde immer wieder auch von Meggle abverlangt. Er hätte France Vinicole übernehmen können, fühlte sich mit 35 jedoch zu jung, als dass er sich hätte auf Lebzeiten an ein Unternehmen binden wollen. Also verliess er die Weinbranche und kehrte ins «Meggle-Biotop» zurück. Als er dort erkannte, dass seine Pläne nicht umzusetzen sind, kündigte er – ohne eine andere Stelle in Aussicht zu haben.
«Das war wohl der bisher mutigste Schritt in meinem Berufsleben», betont er. Einer, der sich gelohnt hat. Denn der Direktionsposten bei Cartier für die Schweiz und Nordeuropa sei für ihn ein absoluter Traumjob. «Cartier widmet sich dem Schönen und dem Einzigartigen. Einzigartig ist auch meine Aufgabe. Und ich pflege zu Cartier eine leidenschaftliche Beziehung.»
--
Zur Person: Steckbrief
Name: Tom Meggle
Funktion: Direktor Cartier Schweiz & Nordeuropa
Alter: 44
Wohnort: München
Familie: Verheiratet, vier Kinder
Hobbys: Golf, Ski
Karriere
1988–1990 Import Gérard Dubois Ltd., Mainz, Vertrieb
1991–1997 France Vinicole Ltd., Kehl, zuletzt Mitglied der GL
1997–2002 Meggle AG, Wasserburg, Brand Manager
2002 Cartier, GM Nordeuropa
Seit 2006 Cartier, Direktor Schweiz & Nordeuropa
--
Firma
Cartier: 1847 übernahm Louis-François Cartier an der Rue Montorgueil in Paris das Schmuckatelier seines Lehrmeisters Adolphe Picard und legte damit den Grundstein zu einem Juwelierunternehmen, das an Prestige und Noblesse bis zum heutigen Tage kaum überboten worden ist. Cartier gehört heute zum schweizerisch-südafrikanischen Luxusgüterkonzern Richemont und ist in dessen Portefeuille die wichtigste Marke. Detailzahlen werden keine kommuniziert. Schätzungen gehen davon aus, dass Cartier allein mit Uhren weltweit jährlich über 1,5 Mrd Fr. umsetzt.