Die Anforderungen an die Spitzen der Wirtschaft steigen. Nur managen und delegieren zu können, reicht als Befähigung schon längst nicht mehr aus, um auf der Karriereleiter bis ganz nach oben klettern zu können. Gefragt sind Leute, die sich in vielen Bereichen der Unternehmensführung gut auskennen, die belastbar und leistungsfähig sind und darüber hinaus über ein internationales Netzwerk verfügen. Dies sind die Eigenschaften, die man an den Topuniversitäten für Wirtschaftsfachleute in Europa fürs Leben und für die Karriere mitbekommt. Und wer sein Studium an einer dieser Unis mit Erfolg abschliesst, steht oft besser da als jemand, der bloss mit dem MBA-Zertifikat einer mittelmässigen Businessschule aufwarten kann (siehe «Gut ist nicht gut genug», BILANZ 22/2005).
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>> Jetzt bestellen und doppelt profitieren.Wer den Aufstieg in einem Unternehmen schaffen will, tut also gut daran, sich die Wahl seiner künftigen Universität genau zu überlegen. Wer sich am falschen Ort einschreibt, vergibt Chancen. Wer eine Management-Weiterbildung machen will, muss genau wissen, wo es sich lohnt, Zeit und Geld zu investieren. In Europa gibt es etwa eine Hand voll Schulen, die einen klingenden Namen in den Personalabteilungen von Grossunternehmen haben.
Zuoberst leuchtet der Stern der Universität St. Gallen. Früher als alle anderen Universitäten im deutschsprachigen Raum hat sich die HSG auf die Ausbildung von Topabsolventen im Bereich Wirtschaft spezialisiert. Wenn es eine Institution gibt, auf die das Schlagwort «Kaderschmiede» zutrifft, dann ist es die Ostschweizer Hochschule. Experten gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der 500 grössten Schweizer Unternehmen von ehemaligen HSGlern geführt wird. Das Alumni-Verzeichnis der HSG liest sich wie ein Who’s who der Wirtschaft im deutschsprachigen Raum. Zu den prominentesten Absolventen gehören zum Beispiel Peter Wuffli, Chef der UBS, oder Josef Ackermann, sein Gegenpart bei der Deutschen Bank.
Vor allem in Deutschland geniesst die HSG einen exzellenten Ruf. Anders als bei Schweizer Studierenden kann sie bei den deutschen Bewerbern eine Selektion treffen. Von den jährlich rund 600 deutschen Bewerbern schafft nur ein Fünftel den Sprung an die HSG. «Die Auslese wirkt sich positiv auf die Qualität der ganzen Hochschule aus», sagt Peter Gomez, bis vor kurzem Rektor der HSG und heute Dean der Executive School of Management, Technology and Law der Universität St. Gallen. Diese vereint die Weiterbildungsangebote der HSG – MBA, Executive MBA, Führungsausbildung – unter einem Dach und zeigt, dass die HSG in das lebenslange Lernen zu investieren gewillt ist.
Das Geheimnis der HSG ist der breite unternehmerische Ansatz. Es wird versucht, immer das Ganze im Blick zu behalten – Gomez nennt dies «Helikoptersicht». Zuerst wird das Unternehmen in seiner Einbettung in die Wirtschaft und die Gesellschaft betrachtet, bevor die einzelnen Teile und Funktionen analysiert werden. Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. Andere Universitäten lehren vor allem Spezialitäten und überlassen es den Studierenden, die Gesamtschau selber herzustellen. Genau dies gelingt dann oft nicht.
Wie ernst man es in St. Gallen mit dem ganzheitlichen Ansatz meint, zeigt das Beispiel eines Grundstufenlehrbuchs, an dem gegen 30 Professoren der HSG mitgeschrieben haben. Eine Spezialität der Universität ist der Blick ins gesellschaftliche Umfeld der Wirtschaft: Man behandelt Ökonomie nicht isoliert, sondern in ihren vielfältigen Abhängigkeiten. Schon seit Jahren beschäftigt man sich in St. Gallen auch mit ökologischen Fragen, Aspekten des nachhaltigen Wirtschaftens oder ethischen Problemen des Unternehmertums.
Den Ruf von St. Gallen begründet neben der soliden Ausbildung auch der starke Praxisbezug. «Wer hier studiert hat, arbeitet sich in der Praxis rasch ein», so Gomez.
Andere Schulen holen jedoch auf. So hat sich in den letzten Jahren das Image der Universität Mannheim im Bereich Wirtschaft enorm verbessert. Wer dort das Examen macht, zählt zu den Besten. Auf den Wunschlisten der Personalverantwortlichen stehen Absolventen des Studiums der Betriebswirtschaftslehre (BWL) ganz oben, wie Umfragen belegen. Obwohl es sich um eine staatliche Hochschule handelt, die in einen engen rechtlichen Rahmen eingebunden ist, hat sie es geschafft, sich stark zu wandeln.
«Wir haben uns auf unsere Stärken konzentriert», sagt Hans-Wolfgang Arndt, der Rektor der Universität. Der Schwerpunkt liegt heute auf den Bereichen Sozialwissenschaft und Wirtschaft. Fachbereiche, in denen man keine Chance hatte, die Nummer eins zu werden, wurden konsequent heruntergefahren. Für die Wirtschaft wurde eine eigene Business School gegründet, die rechtlich von der Universität unabhängig ist und viel flexibler im Markt agieren kann. Sie bietet Angebote in der Managementausbildung wie MBA und Executive MBA.
An der Universität selber wurde durch eine geschickte Personalpolitik der Bereich BWL stark ausgebaut. Und die Anstrengungen haben sich gelohnt: Von den 25 «klügsten Köpfen in BWL», einem vom «Handelsblatt» erstellten Ranking von BWL-Professoren an deutschen Universitäten, lehren 4 in Mannheim. Im Ranking der Wochenzeitung «Die Zeit» schafft es die Universität in VWL, BWL und Politikwissenschaft auf Platz eins.
In Mannheim liegt zwar ein grosses Gewicht auf der Ausbildung in den Fachbereichen, für die sich die Studierenden eingeschrieben haben, doch Fachidioten bildet man hier nicht aus. «Wir haben das Studium sehr breit angelegt», sagt Rektor Hans-Wolfgang Arndt. «Die Studierenden aus VWL oder BWL sollen zum Beispiel auch ein gutes geisteswissenschaftliches Rüstzeug haben.» So sind sie besser auf die Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens vorbereitet.
Zu den prominenten Absolventen der Universität Mannheim gehört zum Beispiel Clemens Börsig, Finanzvorstand der Deutschen Bank in Frankfurt. «Als Student und wissenschaftlicher Assistent habe ich in meinen Jahren in Mannheim das Fundament für meine Karriere gelegt.»
Um seiner Hochschule etwas zurückgeben zu können, wie Börsig sagt, engagiert er sich heute als Vorsitzender des Universitätsrats der Hochschule. Für ihn ist die grosse Flexibilität, die das Studium ermöglicht, im späteren Berufsleben ein grosser Pluspunkt. «Die Studenten erhalten hier Kontakt zu Professoren und Praktikern, die zu den bedeutendsten ihres Faches zählen. Und diese Kontakte zahlen sich natürlich nicht nur während des Studiums aus», sagt er. Hinzu kommt der Blick über den Tellerrand einer rein fachlichen Ausbildung hinaus. «Sehr geschätzt habe ich zudem, dass ich in Mannheim nicht nur in BWL, sondern auch in benachbarten Disziplinen hervorragende Veranstaltungen besuchen konnte.»
Der breite Horizont ist tatsächlich etwas, das in den Führungsetagen der Wirtschaft immer mehr gefragt ist. Reine Fachspezialisten gelangen angesichts komplexer Probleme rasch ans Ende ihres Lateins. Neben dem Überblick über ein grösseres Spektrum braucht es heute vor allem die Fähigkeit, sich auf neue Gegebenheiten schnell einzustellen, um richtig reagieren und Lösungen entwickeln zu können. «Ich habe gelernt zu lernen. Das hilft ein Leben lang», so Clemens Börsig.
Bei der Erweiterung der Perspektive helfen die internationalen Kontakte weiter. «Bei uns gibt es keinen Abschluss ohne ein Auslandengagement», sagt Wolfgang Jakobs, der Dean der Mannheim Business School. Die Schule unterhält zu einer Reihe von Partneruniversitäten intensive Beziehungen, von denen vor allem die Studierenden profitieren. Wer hier seine Management-Weiterbildung macht, kann in Paris oder Peking Vorlesungen und Seminare besuchen. «Wir sind konsequent international ausgerichtet.»
An der Universität Mannheim schätzt Rolf Elgeti, der heute als Chefstratege bei ABN Amro in London arbeitet, die fachlich solide und fundierte Ausbildung. «Im direkten Vergleich mit den Leuten, mit denen man im Ausland zusammenarbeitet, kann man sehen, wie nützlich eine solide abstrakte und theoretische Ausbildung sein kann», meint er. Besonders gut im Gedächtnis haften geblieben ist ihm das analytische Bearbeiten wirtschaftlicher Problemstellungen. Das Querdenken zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Teilbereichen und das Zusammenspiel von harten und weichen Kriterien des Wirtschaftslebens entscheiden in vielen Fällen über den Erfolg. Dies alles hat in Mannheim einen hohen Stellenwert.
Wenn eine Kaderschmiede gewollt klein geblieben ist, dann die WHU Otto Beisheim Graduate School of Management im deutschen Koblenz. Die private Universität, die keinerlei staatliche Förderung bekommt, nimmt jedes Jahr nur etwa 80 Studierende auf. «Wir machen keine Eliteausbildung, sondern schulen Leistungsträger», sagt Michael Frenkel, der Rektor der privaten Hochschule.
Die Arbeit wird in kleinen Teams geleistet. Das Unterrichtsmodell mit Fallbeispielen aus Unternehmen, die durch Praktika ergänzt werden, sorgt für einen grossen Praxisbezug. Obwohl die meisten Studierenden Deutsch als Muttersprache haben, ist ab dem dritten Semester Englisch die Unterrichtssprache. «Schliesslich ist das in den Unternehmen weltweit die Standardsprache», sagt Frenkel. Das wirklich Entscheidende sind allerdings die Lernerfolge, die in keinem Lehrplan verzeichnet sind. «Ich habe gelernt, unter hohem Druck zu arbeiten», so Sven Höck, der als Finanzchef eines Biotech-Unternehmens gearbeitet hat und jetzt bei SAP tätig ist. Die hochkarätigen Mitstudierenden haben ihn angespornt und motiviert.
Obwohl die WHU klein ist, besitzt sie ausgezeichnete Beziehungen beispielsweise zu Universitäten in Nordamerika. Der transatlantische Austausch von Studierenden und Professoren, zum Beispiel mit der University of Rochester, ist Alltag. «Die europäische und die amerikanische Sicht der Dinge in einem Studium geboten zu bekommen, ist sehr bereichernd gewesen», sagt Christian Kockler, Geschäftsführer des Jalousienbauers Lakal in Saarbrücken. Wichtig für ihn ist, dass er mit einer soliden Grundlage souveräner mit Kunden und Lieferanten reden und das Unternehmen führen kann.
Was St. Gallen für die Schweiz ist, ist die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien für Österreich. Kaum ein Manager, der dort nicht einen Abschluss der WU in der Tasche hätte. Dabei macht die Wirtschaftsuniversität auf den ersten Blick nicht den Eindruck einer Kaderschmiede. Sie erscheint eher wie eine Massenuniversität. Mit 21 000 eingeschriebenen Studierenden ist sie nach der Universität Wien die zweitgrösste des Landes. «Bei uns kann man alle Spielarten der Wirtschaft und des Wirtschaftsrechts studieren», sagt Christoph Badelt, Rektor der WU. Jedes Jahr nimmt sie etwa 3500 Studierende auf. Eine Selektion zu Studienbeginn findet nicht statt – sie schlägt dann in den ersten Semestern umso stärker zu. Nur jeder Zweite kommt durch.
«Wir bieten den Studierenden viele Möglichkeiten der Fächerkombination», sagt Badelt. So können unterschiedliche Bedürfnisse fast ideal befriedigt werden: In BWL sind 30 verschiedene Ausdifferenzierungen möglich. Oder die Studierenden müssen im Verlauf des Studiums eine dritte Sprache lernen und können dabei aus dem Angebot von 16 verschiedenen wählen.
Die grossen Wahlmöglichkeiten haben auch Stephanie Hörmanseder überzeugt. Die 21-Jährige, die derzeit an der WU promoviert, konnte sich ihr Studium individuell zusammenstellen. Dass die Hörsäle bisweilen überfüllt sind, stört sie nicht. Im Gegenteil: «Man lernt hier, auf sich allein gestellt zu sein, sich zu organisieren und sich gegen Konkurrenz durchzusetzen. Das ist ja in der Wirtschaft später auch nicht anders.»