Die Top-Gruppe, bestehend aus Radio Top und Tele Top, wird Aktionärin bei 20 Minuten (Schweiz) AG …» Der Satz war kürzlich in allen Deutschschweizer Tageszeitungen nachzulesen und sorgte in der Medienbranche für Aufsehen. Die Aussage war schlicht falsch – und doch ein wenig richtig. Tatsächlich gibt es die «Top-Gruppe» nicht. Keineswegs haben Radio Top oder Tele Top, beide in der Ostschweiz und in Winterthur zu Hause, Anteile an der Gratiszeitung «20 Minuten» erworben. Dennoch ist die Meldung brisant, weil sie die Zukunft vorwegnimmt. Die Top-Gruppe wird noch im Herbst dieses Jahres gegründet. Die kleine, aber für die Top-Gruppe wichtige «20 Minuten»-Beteiligung wird darin aufgehen. In der Ostschweiz entsteht somit ein Medienplayer der so genannten Crossmedia, der also elektronische (TV, Radio, Internet) und gedruckte Medien zusammenbringt und über eine Million Kunden bedienen wird.

Das weiss Günter Heuberger ziemlich genau und bisher als ziemlich Einziger. Der 47-jährige Geschäftsführer von Radio und Tele Top sitzt in seinem Büro an der Getrudstrasse in Winterthur. Er liest viel und plant generalstabsmässig, wie er es im Militär gelernt hat. Er gilt als einer der bestvorbereiteten und kompetentesten Medienakteure im Land. So ist es denn auch Heuberger, der die Anteile an «20 Minuten» erworben hat. «Privat», wie er sagt. Er kenne Chris Tanner von der A&A Actienbank gut, der für rund 29 Prozent des Aktienkapitals bei der 20 Minuten (Schweiz) steht. Das Investment via A&A Actienbank sei lohnend, denkt Heuberger. Zwischen einer und drei Millionen Franken hat er angelegt, schätzen Branchenkenner. Bei «20 Minuten» wird er damit nicht viel Einfluss nehmen, bei Top jedoch viel bewegen können.

Bereits heute transferiert «20 Minuten» aus Zürich Crossmedia- und Internetwissen zu den Radio- und Fernsehleuten von Tele Top nach Winterthur. Umgekehrt denken Heubergers Mitstreiter über Veranstaltungen nach, die sich sowohl im Fernsehen als auch am Radio, im Internet und in der Gratiszeitung national vermarkten und journalistisch begleiten lassen

Günter Heuberger ist kein Mann der lauten Töne. Manchmal lächelt er verlegen und bleibt eine Antwort schuldig, weil er partout kein Aufsehen erregen will. Im Stillen arbeitet er fleissig. Er hat Radio Top inzwischen zum viertgrössten Privatradio der Schweiz gezimmert. Er selber hat vor bald zwei Jahren Tele Top lanciert und baut das Sendegebiet ost- und südostwärts aus. Bisweilen überholt er die Entscheidungsträger in seinen Verwaltungsräten und stellt sie vor vollendete Tatsachen. So geschah es im letzten Jahr beim Beschluss, den heute sendenden Regionalradiokanal Top Two zu kreieren. So wird es bei der «20 Minuten»-Beteiligung passieren. Als ausgebildeter Jurist kennt er die normative Kraft des Faktischen. Er hat bisher mit seinen Einschätzungen meist Recht behalten.

Trotz all dem spricht Günter Heuberger stets von seinem Team, von seinen Mitstreitern, Chefredaktoren und Verwaltungsräten. Gerne streicht er deren Bedeutung heraus. Er lobt die Arbeit von Beat Vontobel (Chefredaktor Radio Top), Marcel Fischer (Chefredaktor Tele Top), Regina Posthumus (Studioleiterin Wil), Daniel Meili (Studioleiter Frauenfeld), Peter Bronhofer (Leiter Verkauf und Marketing Tele Top) und Daniel Anderegg (Leiter Verkauf St. Gallen für Radio und Tele Top). Die Radio-Top-Verwaltungsräte Jacqueline Fehr und Andreas Bergmann sowie die Tele-Top-Verwaltungsräte Walter Peterhans und Heinrich Schifferle sind seine Freunde und Berater, die er als solche auch benennt.

Da passt es ins Bild, dass er um keinen Preis der Welt mit Roger Schawinski – dem Solisten der Szene – verglichen werden möchte. Er will nichts gemein haben mit den mittelgrossen bis grossen Schweizer Verlegern, die alle mit sehr viel mehr finanzieller Kraft versehen sind und die er in den letzten vier Jahren als Präsident des Verbandes Schweizer Privatradios immer wieder für deren – in seinen Augen – Kontrollwut im Radiogeschäft gerügt hat. An Tagungen der Medienbranche sitzt er meist unerkannt am Rande des Saales. Heuberger bleibt unauffällig. Er ist FDP-Mitglied von Haus aus, doch für seine Gesinnung hat er bei SP-Politikerinnen und -Politikern in den letzten Jahren immer stärker Gemeinsamkeiten gefunden. Dem eigenen Bruder – Rainer Heuberger ist SVP-Kantonsrat und Präsident der SVP Winterthur – stellte er in Winterthur ein Bein, indem er bei der kürzlich erfolgten Stadtratswahl nicht für den SVP-Mann Jürg Stahl, sondern offen für die SP-Kandidatin Pearl Pedergnana Position bezogen hat. Günter Heuberger liebt das Bild des kleinen Kämpfers und des stillen Denkers, und dabei geht ihm trotz Mehrbelastung nicht der Schnauf aus.

Seine Energie scheint im Erbgut angelegt. Der 79-jähriger Vater ist Eigentümer der Siska Heuberger Holding, Herr über Immobilien im Wert von mindestens 800 Millionen Franken und Stammgast im BILANZ-Ranking der 300 Reichsten (Kategorie 200 bis 300 Millionen Franken). Robert Heuberger hat es in mehreren Jahrzehnten vom Versicherungsagenten zum Immobilienunternehmer gebracht, der konservativ anlegt und deshalb in den schwierigen Neunzigerjahren nicht falliert hat. Die «Siska-Banane» beim Bahnhof Winterthur ist heute Zeugnis des florierenden Geschäfts. In ihr stecken 100 Millionen Franken an eigenen Mitteln. Der Vater ist erfolgreich, sturmerprobt und dominant. Neben ihm will Günter Heuberger nicht lediglich Sohn sein. Und dennoch steht er für seines Vaters Werte und ist diesem sehr nah. Geschäftspartner sprechen von Sitzungen, zu denen der Vater den Sohn noch immer begleitet und ihm stumm sekundiert.

Da liegt der Schluss nahe, dass dieser Sohnemann mit dem Geld des reichen Vaters geschäftet. Das dementiert Günter Heuberger vehement: «Das wird gerne behauptet, ist aber nicht wahr. Ich habe mein Erspartes investiert. Ich habe kein Vorerbe bezogen.»

Das Kapital, das Günter Heuberger in «20 Minuten» angelegt hat, habe er in den fetten Jahren von Radio Eulach als Geschäftsführer an Lohn und Boni verdient, sagt Günter Heuberger. Die Tatsache, dass er als einziges der drei Kinder im Verwaltungsrat der Siska seines Vaters sitzt, will er nicht als Zeichen für eine Überkreuzbeteiligung zwischen Vater und Sohn gedeutet haben. Ebenso stellt er in Abrede, dass Heinrich Schifferle, der Finanzberater von Vater Robert Heuberger, mittels eines Verwaltungsratssitzes bei Tele Top mögliche väterliche Beteiligungen kontrolliere.

Günter Heuberger ist ein Mann, der viele Züge vorauszuplanen weiss. Er ist nicht ein tollkühner Visionär, aber einer, der es versteht, herrschende Bedingungen in Beziehung zueinander zu setzen, und der die Zeichen der kommenden Zeit erkennt. Deshalb hat er mit Tele Top unlängst die Nähe zu Hanspeter Lebrument gesucht. Dieser streitbare «Alpenvulkan», der Eigner von Tele Grischa und Verleger der Zeitung «Südostschweiz», ermöglicht Heuberger durch eine Allianz eine Ausweitung des Einflussbereichs, in dem das Rheintal weiterhin fehlen wird. Das Zusammengehen ebnet Tele Top den Weg zu den lukrativen nationalen Werbekampagnen. Ausserdem finden so zwei passende Charaktere zueinander: dort der stürmische Verleger Lebrument, der sich einer «Try and Error»-Philosophie verschrieben hat, da der organisierende, strukturierte und abwägende Jurist Heuberger.

Lebruments und Heubergers Allianz wird Leader heissen, was nicht schlecht klingt und sich gut mit Top verträgt. Wenn Günter Heuberger – wie wir annehmen – nach Abschluss einer Konsolidierungsphase bald einmal mit «20 Minuten» zusammen den Zürcher Agglomerationsgürtel angreift, wird der Name Leader Programm. Spätestens dann gilt der eingangs zitierte Satz.
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