Tor Peters soll Falschbuchungen veranlasst haben. Nicht kriminelle Energie,
sondern Ungeduld und Aggressivität haben den ehemaligen Jomed-Chef unter
diesen Verdacht gebracht. Er beschreibt sich selbst als sehr ungeduldigen
Menschen.
Peters führte einen David-gegen-Goliath-Kampf: Im Milliardenmarkt für
Kreislaufprodukte hatte sich die junge, aber hoch innovative Jomed mit den
ganz Grossen der Medtechbranche angelegt: Und war dabei sehr erfolgreich.
Das kann man sogar rückblickend sagen. Heute, wo das Unternehmen im
Konkurs ist. Denn im schaffhausischen Beringen lebt Jomed weiter unter dem
Namen Abbott Laboratories zwar, aber mit unverändertem Personalbestand.
Tor Peters repräsentiert den neuen Typ von Manager - im guten Sinne.
Jemand, der mit ihm zusammen arbeitete, beschreibt ihn als unkompliziert,
transparent, als schnellen Denker und grossen Motivator. Peters hält nichts
von Hierarchien und Statussymbolen.
Tor Peters ist auch ein Visionär mit Sendungsbewusstsein. Offensichtlich
begeistert von seinen Produkten, war ihm immer wichtig, dass auch die
Öffentlichkeit versteht, was Ballonkatheter und Stents sind. Und er konnte alle
in seinen Bann ziehen: Ärzte, Banker, Anleger, Journalisten.
Noch wichtiger war ihm aber , dass jeder das ungeheure Kurspotenzial Jomeds
verstand. Diese Botschaft verkündete er zuweilen auch mit religiösem Eifer.
Vernachlässigt scheint er aber das Tagesgeschäft zu haben: «Für das
Operative hat er sich nicht sehr interessiert», sagt ein Mitarbeiter aus Beringen.
Aggressive Expansion
Jomed gibt es zwar schon seit 1991. Aber als Peters 1996 zum Unternehmen
stiess, hatte es gerade mal ein halbes Dutzend Mitarbeiter. Der Betriebswirt,
der viel Erfahrung im Marketing von Pharma- und Medtechunternehmen
gesammelt hatte, wusste sehr wohl um die grösste Schwäche der jungen
Jomed: Dass man zwar gute Produkte anbieten kann, diese aber dennoch
niemand kaufen will. In der Medtech-Industrie ist ein schlagkräftiger und
deshalb teurer Vertriebsapparat mindestens so wichtig wie die Produkte. Das
ist mit ein Grund, weshalb es in der Industrie so viele Oligopole gibt und
weshalb jüngst Schweizer Firmen wie Disetronic, Centerpulse oder Mathys den
Zusammenschluss gesucht haben. Tor Peters entschied sich für den
Alleingang. Das dafür nötige Kleingeld holte er sich 2000 im Börsengang am
SWX New Market. Mit der Endosonics-Übernahme akquirierte er im gleichen
Jahr nicht nur innovative Produkte, sondern vor allem ein US-Distributionsnetz.
Die Anzahl Mitarbeiter stieg in jenem Jahr von 363 auf über 1000.
Doch mit der teuren Übernahme tauchten Probleme auf. Die akquirierte
Ultraschalltechnologie zur Visualisierung der Blutgefässe (Ivus) war zwar
einzigartig, erforderte aber Folgeinvestitionen. Die Stückkosten waren hoch, die
abgesetzten Volumen zu klein. Weil sich zudem Produktzulassungen
verzögerten und das erworbene Distributionsnetz nicht genügend ausgelastet
werden konnte, hatte Jomed plötzlich ein Kostenproblem.
Andere Manager hätten ihre Ziele und Budgets den neuen Gegebenheiten
angepasst. Nicht so Tor Peters. Er trat die Flucht nach vorne an: Um Ivus
schnell am Markt zu etablieren, hat Jomed Leasingfinanzierungen forciert und
den Kunden starke Rabatte eingeräumt.
Weil Peters der Finanzwelt immer sehr ambitiöse Ziele kommuniziert hatte,
konnte oder wollte er aber punkto Umsatz- und Gewinnentwicklung nicht
zurückbuchstabieren. Die Ivus-Transaktionen wurden als Verkäufe verbucht
sofort und zu normalen Margen. Ob Peters davon gewusst hat oder nicht, sei
dahingestellt.
Bereits 2001 steckte Jomed in massiven Problemen. Obwohl das Unternehmen
offiziell Gewinne auswies, wurde die Liquidität knapp. Im Jahr 2002 beauftragte
das Management die Deutsche Bank, Geld aufzutreiben. Diese vermittelte eine
Finanzierung, die Jomed das Genick brechen sollte: «Vergiftete
Wandelanleihen» zweier Hedge-Fonds in der Höhe von 25 Mio Euro. Ein
Instrument, das nur von Unternehmen gewählt wird, denen das Wasser bis zum
Hals steht. Jomed mit ihrer gesunden Bilanz hätte ohne weiteres über die
traditionellen Kanäle Geld aufnehmen können wenn die Bücher in Ordnung
gewesen wären.
Niemand hat Tor Peters gebremst
Im Januar fliegt der Schwindel dann auf. Es geht Schlag auf Schlag: Erst wird
der Finanzchef in die Wüste geschickt, dann tritt auch Tor Peters zurück. Die
Umsatz- und Gewinnzahlen müssen nach unten korrigiert werden. Die beiden
Hedge-Fonds verlangen ihr Geld zurück nicht mehr länger nur 25, sondern
plötzlich 60 Mio Euro. Ein Rettungsplan der Schweizerischen Gesellschaft für
Aktienhandel SGA scheitert.
Tor Peters unterstützt die Bemühungen der SGA. Dabei muss er auch
geschädigten Aktionären gegenübertreten. Davor schreckt er nicht zurück.
«Peters steht seinen Mann», sagt man anerkennend bei der SGA.
Rückblickend war es falsch, alles alleine machen zu wollen vielleicht
Selbstüberschätzung. Jomed hatte ausgezeichnete Produkte. Eine
Vertriebspartnerschaft mit einem Grossen der Branche hätte das innovative
Potenzial Jomeds ausschöpfen können.
Peters hat beim Aufbau Jomeds als Präsident und CEO das Kader selbst
zusammengestellt. Das ist der Grund, weshalb ihm ein starker Gegenpol fehlte
eine Persönlichkeit, die kritische Fragen gestellt und ihn gebremst hätte. Auch
der Verwaltungsrat hat versagt. Peters lebt immer noch in der Schweiz. Als
Berater für Investmentfonds hält er sich aber oft in den USA und in Japan auf.
Das würde Tor Peters heute anders machen
«Ich würde der Firma heute mehr Zeit geben, damit die Strukturen
nachwachsen können.» Das starke Wachstum habe die Mitarbeiter überfordert.
Er übernehme die Verantwortung, die Leute zu stark «gepusht» zu haben. Es
sei immer sehr viel Leistung gefordert worden. Doch: «Ich habe niemanden zu
Falschbuchungen aufgefordert», beteuert Peters.
Zur Person
Der 43-jährige Tor Peters ist Schwede. Von 1996 bis zum Januar dieses Jahres
war er Präsident, CEO und grösster Aktionär beim Medtechunternehmen
Jomed. Der Vater von drei Kindern studierte an der Universität von Lund
Betriebswirtschaft. Er hat in Genf ein MBA gemacht und für verschiedene
Gesundheitsunternehmen als Marketingverantwortlicher gearbeitet.