Nur die Touristen aus Taiwan und den Golfstaaten geben laut Statistik in der Schweiz mehr Geld aus als die chinesischen Gäste. 430 Franken lassen diese durchschnittlich pro Tag liegen, wenn sie hier in den Ferien weilen. Im Vergleich zu den Deutschen mit 170 Franken pro Tag ein Wert, der die Chinesen zu heiss begehrten Kunden machen müsste.
Doch das ist nicht überall so: In Davos oder Zermatt buhlt man nicht um die chinesischen Reisegruppen, die im Eiltempo durch die Schweiz ziehen. In deren 15-tägigem Europaprogramm ist der Besuch von bis zu zehn Ländern enthalten, für die Schweiz sind nur ein bis zwei Tage reserviert. In Luzern und Umgebung oder im Berner Oberland würden den Chinesen Übernachtung, Verpflegung und Bergbahnfahrten zu Dumpingpreisen angeboten, kritisiert der Davoser Tourismusdirektor Armin Egger. Die Gruppen bezahlten einen Bruchteil dessen, was von anderen Gästen für das gleiche Angebot verlangt werde: «Diese Praxis verursacht einen irreparablen Imageschaden.» In China erhalte die Schweiz den Ruf eines Billigpreislandes. Die hohen Tagesausgaben der chinesischen Touristen rühren laut Egger daher, dass sie für viel Geld Uhren, Messer, Schmuck und Schokolade in der Schweiz kaufen. «Nicht die Gastronomie, sondern das lokale Gewerbe profitiert.»
Egger erwartet von der Dachorganisation Schweiz Tourismus, dass sie regelnd interveniert und die «zerstörerische» Preispolitik unterbindet. Eine Forderung, die ins Leere stösst: Aufgabe von Schweiz Tourismus sei es nicht, in den Markt einzugreifen, sondern die Vermarktung des Ferienlandes, sagt Sprecherin Edith Zweifel. «Die Schweiz wird nie zu einem Massentourismus- und Billigland.» Indem Schweiz Tourismus nur mit qualitätsbewussten Anbietern zusammenarbeite, trage die Organisation ihren Anteil dazu bei.
Den Davoser Tourismusdirektor beruhigen solche Beteuerungen nicht. Dass zu den 20 von chinesischen Gästen meistbesuchten Orten in der Schweiz Rümlang, Buochs und Opfikon gehören, ist für Egger Alarmzeichen und Beweis, dass seine Angst um das Image der Schweiz berechtigt ist. Erklärbar ist die erstaunliche Rangliste damit, dass viele grosse Reisegruppen in Hotels in den Agglomerationen absteigen, wo ihnen Sonderkonditionen gewährt werden.
Wie Davos beherbergt auch Zermatt keine grossen Reisegruppen aus China in seinen Hotels. Am oberen, kaufkräftigen Segment der Chinesen sei man interessiert, nicht aber an der grossen Masse, sagt Eva Flatau von Zermatt Tourismus. Die Strategie scheint sich zu bewähren, zieht Zermatt auf diese Weise doch immer wieder milliardenschwere chinesische Unternehmer an, die ihre Ferien nicht inmitten von Rudeln von Landsleuten verbringen möchten. Sie und ihr Gefolge erweisen sich als lukrativ für Zermatt, da sie während ihres Aufenthalts viel Geld in die Hand nehmen.
Für Schweiz Tourismus zählt China zu den strategischen Wachstumsmärkten, deshalb unternehme man besondere Anstrengungen, so Sprecherin Zweifel. Zu den meistgenannten Lebensträumen der Chinesen gehört laut Umfragen eine Reise in die Schweiz. Diese Ausgangslage gelte es zu nutzen, sagt Zweifel, zumal sich immer mehr der 1,3 Milliarden Einwohner Chinas Auslandferien leisten könnten.
Positiv wirkt sich für europäische Feriendestinationen auch die liberalisierte Bewilligungspraxis für Auslandbesuche aus. Seit Juni 2004 erhalten Chinesen unter erleichterten Bedingungen ein Visum für die Schweiz und den Schengenraum. 2005 schlug sich dies in rund 170 000 Übernachtungen chinesischer Touristen in der Schweiz nieder, 2006 waren es bereits über 200 000. Im Vergleich zu den knapp 5,8 Millionen Logiernächten deutscher oder den 2,2 Millionen Übernachtungen britischer Gäste sind die Chinesen zwar nach wie vor eine marginale Grösse, doch in Zukunft soll das, wenn es nach Schweiz Tourismus geht, wesentlich anders werden. «Das Potenzial in China ist riesig», schwärmt Zweifel.