Der Schweizer Tourismus setzt grosse Hoffnungen in Gäste aus den Golfstaaten. Während viele Europäer auf günstigere Ferienländer ausweichen, kommen Saudis oder Katarer zahlreich – und geben dabei noch viel Geld aus. Doch Bergregionen wie das Wallis oder Graubünden haben Mühe, von dieser Entwicklung zu profitieren.

929'799 Übernachtungen in Schweizer Hotels gingen 2015 auf das Konto von Gästen aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das ist rund ein Fünftel mehr als im vergangenen Jahr und mehr als dreimal soviel wie vor zehn Jahren.

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Gut dreimal spendabler als Deutsche

Auch dieses Jahr setzt sich der Trend fort: Von Januar bis Juli 2016 stiegen die Übernachtungszahlen der Golfstaaten-Gäste um 9 Prozent an. Laut Schweiz Tourismus sollten zudem die Resultate vom August noch abgewartet werden, sind doch Juli und August die Hochsaison für diese Kundschaft.

Zugleich geben die Reisenden aus den Golfstaaten auch viel Geld in der Schweiz aus: Durchschnittlich 500 Franken pro Tag lassen sie liegen, wie der Tourismus Monitor Schweiz 2011 errechnete. Zum Vergleich: Bei den Deutschen sind es 150 Franken.

Grosses Budget

Längst hat deshalb die Tourismus-Marketingorganisation Schweiz Tourismus die Golfstaaten als strategischen Wachstumsmarkt definiert. Das Brutto-Marketingbudget ohne Personalkosten für die Golfstaaten beträgt für das laufende Jahr 1,8 Millionen Franken. Das sind 5 Prozent des Marketingbudgets von Schweiz Tourismus, wie die Organisation auf Anfrage sagte.

Doch bisher konnten weit nicht alle Tourismusregionen der Schweiz in grösserem Ausmass von der lukrativen Kundschaft profitieren. Die Besucher zieht es vor allem in drei Tourismusregionen: Genf, Zürich und Berner Oberland. Über zwei Drittel der Übernachtungen der Golfstaaten-Gäste findet in diesen Regionen statt.

Lieblingsdestination Genf

Auf eine lange Tradition mit arabischen Gästen kann Genf zurückblicken. Seit Jahrzehnten kämen arabische Gäste nach Genf, sagt Kristelle Gentina von Genf Tourismus gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Die Stadt zieht mit ihrer internationalen Ausrichtung und direkten Flugverbindungen die arabischen Gäste an. Bis heute übernachten von allen Schweizer Destinationen dort die meisten Touristen aus Golfstaaten.

Es brauche Zeit, einen entsprechenden Service aufzubauen, sagt Gentina. Hoch im Kurs bei den arabischen Gästen stehen etwa Luxushotels, Shoppingmöglichkeiten und gutes Essen.

Spezieller Service

Die Hotels haben sich auf die Bedürfnisse der muslimischen Kundschaft eingestellt: Etwa mit Frühstücksbuffets, die halal sind, also muslimischen Vorgaben für den Verzehr entsprechen, oder Markierungen in den Zimmern, die die Richtung nach Mekka weisen, wohin sich Muslime für ihre Gebete wenden.

Auch Interlaken hat sich früh um diese Gästegruppe bemüht. So führt Interlaken Tourismus beispielsweise Kreuzfahrten mit einem «Halal Barbecue» durch oder arabische Abendführungen. Die Hoteliers werden in Workshops geschult, bei denen das Verhalten anderer Kulturen erklärt und die Teilnehmer sensibilisiert werden.

Basel ohne Erfolg

Nicht alle Regionen haben indes das Potenzial, die Golfstaaten-Gäste für sich zu gewinnen. Die Region Basel hat zwar 2013 angekündigt, auf arabische Gäste setzen zu wollen. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Rund 14'000 Übernachtungen wurden 2015 durch arabische Gäste generiert, das sind nur wenig mehr als die 13'600 Übernachtungen im Jahr 2012.

Es gebe in Basel zu wenig touristische Angebote, die dem arabischen Markt entsprächen, heisst es auf Anfrage bei Basel Tourismus. Deshalb habe sich Basel Tourismus entschieden, den Markt nicht mehr aktiv zu bearbeiten.

Wenig Interesse an Ferien in den Bergen

Mühe damit, diese lukrative Kundschaft für sich zu begeistern, bekunden auch Bergregionen. Dabei leiden gerade diese derzeit stark unter Besucherschwund und wären auf alternative Zielgruppen angewiesen. Das Wallis oder das Bündnerland verzeichnen zwar leicht steigende Gästezahlen aus den Golfstaaten. Doch reicht das bei Weitem nicht, um den Wegfall der europäischen Besucher zu kompensieren.

In Graubünden waren Reisende aus den Golfstaaten im vergangenen Jahr für gerade mal 16'324 von insgesamt 4,7 Millionen Übernachtungen verantwortlich, im Wallis für 26'619 von 3,7 Millionen Übernachtungen. 90 Prozent der Übernachtungen von Golfstaaten-Gästen im Wallis entfallen auf die drei Destinationen Zermatt, Crans-Montana und Verbier, wie es bei Wallis Promotion heisst.

Kritische Grösse

Da immer mehr arabische Individualgäste nach Europa reisten, birgt dieser Markt laut Graubünden Ferien insbesondere Potenzial für die grösseren Destinationen wie Davos Klosters oder Engadin St. Moritz. Sowohl in Graubünden als auch im Wallis arbeiten die grösseren Destinationen direkt mit Schweiz Tourismus zusammen, um im arabischen Markt zu werben.

Das soll sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern. Denn kleinere Orte haben kaum Chancen, um in grossem Stil Gäste aus den Golfstaaten anzuziehen. Entscheidend seien eine kritische Grösse, die auch eine gewisse Dichte von Luxushotels erlaube, sowie internationale Bekanntheit, sagt Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern.

Rundreisen im Kommen

Für längere Aufenthalte bevorzugen die arabischen Gäste laut Stettler die Städte: Einerseits bieten diese die entsprechende Infrastruktur. Andererseits sind die von von den Touristen geschätzten Naturlandschaften und Berge von da aus einfach zu erreichen.

Dennoch gibt es auch Lichtblicke für die Regionen, die bisher weniger vom Wachstumsmarkt Golfstaaten profitiert haben: Laut Stettler dürften sich die Besuche der Touristen über Rundreisen wie beispielsweise der Grand Tour of Switzerland langfristig stärker in der Schweiz verteilen.

(sda/jfr)