Viele Jahre steuerte Trafigura sein Imperium von der Innerschweiz aus. Inzwischen arbeiten nur noch ein paar wenige Manager in den Luzerner Büros. Nach Weihnachten wird es im ehemaligen Hauptsitz des drittgrössten Rohstoffhändlers der Welt noch einmal ruhiger. Zum Jahresende verlagert er weitere Arbeitsplätze zum neuen operativen Zentrum in Genf. Dorthin, wo die Händler des hochverschwiegenen Konzerns seit letztem Jahr ihre Geschäfte anbahnen.

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Mit welchem Erfolg sie dies tun, war der Öffentlichkeit bisher unbekannt. Trafigura ist ein privates Unternehmen und gehört seinen 500 besten Managern. Interne Dokumente zeigen nun, dass der Weltkonzern floriert wie kaum je zuvor. Der Umsatz schnellte in den ersten drei Quartalen des Geschäftsjahres 2010/11 um 54 Prozent auf imposante 88,512 Milliarden Dollar empor. Das geht aus dem Finanzbericht von Trafigura per Ende Juni hervor, welcher der «Handelszeitung» vorliegt. Der «Sonntag» berichtete darüber.

Noch nie konnte Trafigura so viel Umsatz verbuchen wie zwischen Januar und Juni 2011. Ende Juni war für neun Monate bereits ein Reingewinn von 662,4 Millionen Dollar angefallen, mehr als doppelt so viel wie in der Vorjahresperiode. Branchenkenner bewerten die Resultate als «sehr überzeugend». Sie erwarten aber, dass auch Trafigura nicht ohne Blessuren durch das abgelaufene Quartal gekommen sei, das mit Schuldenkrise und sich abkühlender Konjunktur enorm schwierig war.

Doch Trafiguras Finanzchef Pierre Lorinet widerspricht. «In unserem vierten Berichtquartal von Juli bis September hat sich das Geschäft in ähnlicher Weise entwickelt wie zuvor», sagt er im Gespräch. «Wir erzielten eine starke Profitabilität und hatten keine speziellen Probleme in diesem vierten Quartal. Die Netto-Umsätze sind im Trend. Und in der Performance gab es keine nennenswerten Unterschiede. Die Gewinne sind ebenfalls entlang dem bisherigen Trend.»

Absichern gegen Preisrisiken

In der Branche haben einige Beobachter erwartet, dass die Rohstoffkonzerne Probleme bei der Kreditbeschaffung bekommen. Der Handel mit Öl oder Metallen ist kapitalintensiv. Die Banken stehen unter Dauerstress und sind in der Kreditvergabe eingeschränkt. Vor allem französische Institute, bei denen Trafigura Grosskunde ist, stehen wegen der Schuldenkrise mit dem Rücken zur Wand. «Wir haben einige französische Banken, die uns finanzieren. Trotz der Finanzkrise unterstützen sie unser Geschäft weiterhin», winkt Lorinet ab. «Wir haben keinen wesentlichen Unterschied bemerkt in der Art, wie sie uns unterstützen. Wir sind einer der grossen Mitspieler in der Branche. Das dürfte uns etwas zugute kommen.»

Trafigura sei breit abgestützt in Sachen Finanzierung und arbeite mit mehr als 90 Banken zusammen. Zudem gebe es institutionelle Investoren, die Anleihen des Rohstoffhändlers kauften. Auch könne sich Trafigura über private Schuldplatzierungen finanzieren. «Die total verfügbaren Finanzmittel belaufen sich heute auf nahezu 34 Milliarden Dollar», sagt der Finanzchef. Auch das ist gegenüber Ende Juni ein Plus. Damals konnte Trafigura auf 29,8 Milliarden Dollar an verfügbaren Finanzmitteln (total financing lines) zurückgreifen.

Beim Cashflow legte der Konzern bis Ende Juni ebenfalls deutlich zu. Er betrug für die ersten neun Monate des Rechnungsjahres 1,213 Milliarden Dollar. Damit schiebt Trafigura 2,7 Milliarden Cash vor sich her. Die volatilen Rohstoffpreise haben den Kassen offensichtlich wenig geschadet. «Wir sind kein Finanzplayer», sagt Lorinet dazu. «Als Teil unseres Risikomanagements ist es unsere Politik, Preisrisiken systematisch abzusichern, die mit dem physischen Verschieben von Rohstoffen einhergehen. Ob der Preis eines Rohstoffes steigt oder sinkt, hat sehr wenige Auswirkungen auf unsere Performance.» Auf steigende oder fallende Kurse zu setzen, um immer den Markt zu schlagen, sei wie der Besuch eines Kasinos. «Das ist klar nicht das, was wir machen. Wir nehmen keine Rohstoff-Positionen.»

Natürlich würden auch Trafigura-Manager auf Angebot und Nachfrage schauen, so Lorinet. Trafigura müsse wissen, woher die Rohstoffe kommen und wohin sie gehen. Nur so könne der Konzern sicherstellen, dass er die Infrastruktur auch am richtigen Ort habe. Aber das habe nichts mit Spekulation zu tun.

Integraler Dienstleister für das Verschieben von Rohstoffen

Im Unterschied etwa zum Baarer Konkurrenten Glencore investiert Trafigura kaum in die Förderung von Rohstoffen und versteht sich eher als integraler Dienstleister für das Verschieben von Rohstoffen. Trafigura bietet die Logistik dafür an. «Was unsere Performance vorantreibt, ist das Volumen von Rohstoffen, das wir bewegen. Je grösser die Menge, die wir verschieben, desto wahrscheinlicher werden wir unsere Profitabilität erhöhen können», sagt Lorinet. Von alleine nimmt das umgeschlagene Volumen allerdings nicht zu. In der Branche hat Trafigura denn auch einen einschlägigen Ruf. «Sie sind aggressiver als andere, auch als Glencore. Und bei ihrer Expansion reizen sie die Gesetze aus», sagt ein Rohstoffkonkurrent mit Büros in der Schweiz. «Sie gehen schlicht ans Limit.» Dazu sagt Lorinet: «Wir operieren in strikter Übereinstimmung mit allen Gesetzen in der Schweiz, in Europa und dort, wo wir sonst unser Geschäft betreiben.»

Auf der Suche nach Wachstum geraten sich die grossen Rohstoffkonzerne bisweilen ins Gehege. «Glencore und Trafigura sind erbitterte Rivalen», erzählt der Händler. «Es ist die grosse Hoffnung von Trafigura, Glencore Marktanteile abzujagen.» Der Kampf um Volumen zeigt sich exemplarisch in Namibia. Glencore hatte sich im südafrikanischen Land vor drei Jahren nach Verhandlungen mit der Regierung festgesetzt. Glencore durfte von da an in Zusammenarbeit mit der staatlichen Mineralölgesellschaft Namcor 50 Prozent des Treibstoffbedarfs des Landes via Importe abdecken. Ein Coup, der jede Expansion von Trafigura erschwerte. Und es drohte schlimmer zu werden. Glencore stellte offenbar Investitionen von 300 Millionen Dollar für ein riesiges Vorratslager in Aussicht. Namibia wäre zur Basis für die Glencore-Expansion in der Region geworden.

Glencores Probleme in Afrika

Doch die Wachstumsstory erlitt vor einem Jahr Schiffbruch. Die staatliche Namcor begann als Folge des Joint Venture mit Glencore massiv Verluste zu schreiben. Mehrmals musste die Regierung Geld einschiessen, um den Bankrott abzuwenden. Dann erklärte die Regierung das Abkommen mit Glencore als aufgelöst. Über die Schuldfrage und die Rechtmässigkeit der Kündigung wird seither mit Anwälten gestritten.

Das war die Chance für Trafigura, Terrain zu gewinnen. Der Konzern kaufte über seine Tochter Puma Energy sowohl in Namibia wie in umliegenden Ländern zahlreiche Tankstellen von BP zusammen. Zeitungen berichteten, Puma buhle um das 50-Prozent-Geschäft von Glencore. Zuletzt kaufte die Trafigura-Tochter noch das lokale Marketing-Geschäft des amerikanischen Ölkonzerns Chevron und feierte den Deal als Durchbruch für die regionale Expansion. Glencore beharrt vor Gericht noch immer auf der Erfüllung des Vertrages durch den namibischen Staat.

Zu Namibia und dem Rivalen Glencore will sich Trafiguras Finanzchef Lorinet nicht äussern. «Puma Energy wächst unter anderem rapide in Afrika und Zentralamerika. Das ist Teil ihrer globalen Strategie», sagt er einzig. Zur Strategie von Trafigura gehört auch, die Tochter Puma für die Börse fit zu machen. Letzten Frühling liess der Konzern solche Pläne erstmals durchsickern. Heute sagt Lorinet dazu: «Ein Börsengang ist etwas, über das wir nachdenken können. Aber es gibt keinen sofortigen Plan, Puma zu kotieren. Eine Entscheidung wird von vielen Faktoren abhängen, zuallererst davon, ob wir dafür bereit sind oder nicht. Und zweitens, ob die Märkte dafür bereit sind.»

Börsengang als Zäsur

Der Börsengang der Tochter würde zur Zäsur, auch wenn Trafigura bisher kategorisch ausschloss, den Konzern wie Glencore als Ganzes zu kotieren. Bei der Konkurrentin diente die Publikumsöffnung auch dazu, ein akutes Problem zu entschärfen: Wann immer ein Top-Manager den Konzern verlassen wollte, kostete es Glencore Milliarden, um ihm seinen Anteil am Unternehmen abzukaufen.

Trafigura scheint dagegen vorderhand zufrieden mit dem privaten Status. «Wir haben kein Problem mit unserer Eigentümerstruktur», so der Finanzchef. Im Gegenteil. Man glaube, dass die Partizipation der Angestellten die Führung des Unternehmens stärke, indem es die Interessen des Managments mit dem nachhaltigen Erfolg der Firma gleichschalte.

Auch Trafigura macht sich allerdings Gedanken zum möglichen Geldabfluss, falls Partner aussteigen wollen. «Ich kann nicht sagen, dies werde nie zum Prob-lem. Aber das Thema gehen wir aktiv an», sagt Lorinet. Es gebe viele erfolgreiche private Rohstofffirmen. Es sei einzig eine Frage, welches Geschäftsmodell man verfolge.

 

Finanzzahlen Trafigura: Letztes Jahr zahlte Trafigura kaum Steuern

Bilanzvolumen gesunken
Ende Juni 2011 führte die Trafigura Gruppe 32,3 Milliarden Dollar an Aktiven in ihrer Bilanz an. Das entspricht einem Rückgang um 4,3 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorquartal. Der Rohstoffkonzern begründet die Abnahme mit tieferen Preisen und tieferen Stock-Volumen am Ende des Quartals. Das E igenkapital belief sich Ende Juni 2011 auf 3,29 Milliarden Dollar. Noch vor einem Jahr waren es nur 2,67 Milliarden Dollar. Seither hatte es kontinuierlich von Quartal zu Quartal zugenommen.

Schuldenquote
Trafigura wendet eine adjustierte Schuldenquote an. Zu deren Berechnung zieht Trafigura von der T otalschuld die totalen Warenwerte ab, da diese abgesichert oder vorverkauft seien und auf einer selbstliquidierenden Basis durch kurzfristige Finanzlinien finanziert seien. Auch Cash und Kurzfristguthaben sowie Schulden im Zusammenhang mit dem Securitisation- Programm der Gruppe werden abgezogen. Die so berechnete adjustierte Schuldenquote von Trafigura betrug Ende Juni 2011 1,0 Prozent.

Steuerrate bei 16 Prozent
Die Steuerlast auf dem Gewinn betrug im Quartal April bis Juni 36,6 Millionen Dollar. Damit belief sich die effektive Steuerrate seit Beginn des Rechnungsjahres auf 16,6 Prozent. Für die neun Monate bis Ende Juni hatte Trafigura insgesamt 143 Millionen an Steuerlast in die Bücher genommen. Im Rechnungsjahr 2009/2010 verbuchte die Gruppe nur 700000 Dollar an Einkommenssteuern.