Der Starkult will nicht passen. Wenn Tomaso Trussardi etwas sagt, spricht er leise, freundlich lächelnd, zurückhaltend. Der Erbe der italienischen Modekette Trussardi liebt Philosophiebücher. «Ich glaube, mein Problem ist, dass ich zu viel denke», sinnierte er jüngst. Und: «Ich mag keine grossen Veränderungen im Leben.» Diese seien oft nicht beherrschbar, das ängstige ihn. Zu spät! Seit Trussardi die erfolgreiche TV-Schönheit Michelle Hunziker für sich gewonnen hat, dominiert das Paar die Schlagzeilen. Ungewohnt für Trussardi – und doch so hilfreich.

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Die Welt diskutiert eifrig über den baldigen Nachwuchs der beiden Verliebten, auf Rat Hunzikers spielt Tomaso Trussardi die Hauptrolle im Werbespot seiner Firma für das neue Parfum My Land, gedreht von Wim Wenders – lange hatte Trussardi nicht mehr einen so hohen Bekanntheitsgrad. Dem TV-Star kommt der Rummel ebenso recht: Eine in der Schweiz geplante Show sagte die gebürtige Tessin-Bernerin schwanger lieber ab – ein Karriereknick droht ihr dennoch nicht. Zusammen mit ihrem reichen Erben und dem Babybauch zieht sie alle Aufmerksamkeit auf sich.

Die Liaison hat ein Dreamteam des Lifestyles hervorgebracht, das sich gegenseitig stärkt. Tomaso Trussardi, dessen Familie das Modelabel seit über 100 Jahren führt, verpasst mit seinen Geschwistern der Marke gerade eine Erfrischungskur: Der Umsatz soll in vier Jahren von 200 Millionen auf 290 Millionen Franken steigen. Ein schwieriges Unterfangen: Die Marke Trussardi fliegt im Vergleich mit anderen Luxuslabels unterhalb des Radars. Hunziker wiederum steht nach «Wetten, dass …?» und ihrer Juryteilnahme bei der RTL-Castingshow «Das Supertalent» auf dem Gipfel ihrer Karriere und muss sich dort festhalten.

Verblasster Glanz. Auf einen Schlag macht der Rummel um ihr Liebesleben Hunziker auch ohne eigene Show zum gefragten Star und die Marke aus Mailand international so bekannt wie lange nicht mehr. Zuvor sorgte Trussardi mit 440 Shops in 23 Ländern, viele davon Franchisenehmer, kaum noch für Furore ausserhalb Italiens. Dabei war das Label einst so hip! Als die «Titanic» 1911 vom Stapel lief, die Weltwirtschaft florierte und die Reichen nach feinen Stoffen verlangten, schuf Grossvater Dante Trussardi in Bergamo Lederhandschuhe aus dünnstem Ziegenleder mit unsichtbaren Nähten. Er machte «Made in Italy» und Trussardi weltberühmt.

Selbst das britische Königshaus liess sich beliefern. Das nutzte Enkel Nicola Trussardi, der die Ledermanufaktur fast sechzig Jahre nach dem Firmenstart übernahm. Er expandierte ins Geschäft mit Taschen, Kleinlederwaren, Kleidung, Schmuck sowie Parfum und schuf so in den 1970er und 1980er Jahren eine der angesagtesten Luxusmarken. Wie als Zeichen dieses schnellen Erfolgs prägen seither stilisierte Windhunde als Firmenlogo Trussardis Stücke.

Doch mittlerweile haben die Nachfahren an Geschwindkeit eingebüsst. Schicksalsschläge bremsten Trussardis Spurt. Bei einem Autounfall starb Nicola Trussardi zur Jahrtausendwende, sein Nachfolger und Sohn Francesco drei Jahre später genauso. Seither dirigiert dessen Schwester Beatrice das Unternehmen, ihr jüngerer Bruder Tomaso, der dieses Jahr seinen 30. Geburtstag feiert, führt Trussardis Produktions- und Vertriebsfirma TRS Evolution, und Gaia, seine zweite Schwester, stieg gerade zur firmenweiten Kreativdirektorin auf. Mutter Maria Luisa, die wie die drei Kinder ein Viertel der Firmenanteile hält, stützt den Clan.

Michelle Hunziger riet ihrem Fashion-Beau auch zum Hauptakt im eigenen Werbespot.

Im Vergleich zu früher aber ist der Luxusmarkt hart umkämpft, und gutes Design ist selbst bei Labels wie Zara oder H&M zu bekommen – billig wie noch nie: Obwohl Trussardi jährlich weltweit etwa 700 000 Jeans verkauft, stagniert der Marktanteil laut Euromonitor selbst in Italien bei mickrigen 1,4 Prozent.

Die vierte Generation der Trussardis will die Firma aufpeppen. Da hilft der Hunziker-Faktor zur rechten Zeit. «Die Werte, die Michelle Hunziker verkörpert, passen zur Marke. Sie ist authentisch, fröhlich, spontan, schön und verkörpert Italianità. Das ist ein Glücksfall für Trussardi», sagt der Schweizer Werber Frank Bodin, Chef von Havas Worldwide. «Das hat einen positiven Effekt.»

Nicht umsonst verkündete Tomaso, der mit seiner Parfumwerbung mehr Anklang für Trussardi in Europa sucht, Hunziker liebe den hauseigenen Duft White. Zu dieser Gratiswerbung packen die Trussardis jetzt gleich noch eins drauf: Ab der neuen Fussballsaison staffiert die Firma Italiens Meister Juventus Turin aus.

Interesse an Uhren. Im Ringen mit den Rivalen braucht Trussardi dringend mehr Kraft in Europa. Hier macht die Firma über die Hälfte der Erlöse, vor Russland und China. Firmenchefin Beatrice Trussardi will das Reich der Mitte zum Hauptmarkt machen. Jüngst eröffnete Tomaso Trussardi den ersten chinesischen Flagship Store mit 400 Quadratmetern Fläche in Shanghai und plant einen weiteren in Hongkong. Auch neue Segmente visiert der Clan an: Nach den Brillen seien bald auch Uhren möglich, überlegt Hunzikers Verlobter.

Zugleich fokussiert die neue Generation die Firma mit ihren vielen Untermarken stärker. So wird das separate Jeanslabel in die Marke Tru Trussardi integriert. Sie steht für günstigere Produkte – mit Kleidern von 300 bis 500 Franken –, während die Luxuskollektion Trussardi Kleider für 1000 bis über 3000 Franken verkauft. «Ich denke, es gibt Platz im Modemarkt für Tru Trussardi, aber die Aufteilung auf zu viele verschiedene Marken ist ein altes Konzept. Luxus ist nicht segmentiert», sagt Tomaso Trussardi.

Die Trussardis haben gezeigt, dass sie harte Entscheidungen treffen können. So schloss Beatrice Trussardi das Stammwerk in Bergamo. Das Image der alten, ausgedienten Marke lässt sich aber nur schwer abschütteln. Zumal die Trussardis radikale Schritte scheuen. «Ich versuche, an dem festzuhalten, was wir sind», sagt Tomaso Trussardi. «Ich möchte keine grossen Veränderungen machen, nur das Geschäft schneller entwickeln.» Das wird angesichts der Konkurrenz kaum reichen.

Seine Partnerin Michelle dürfte ihm zeigen, dass es hilft voranzustürmen. So hat sie sich nach oben gekämpft. Anfang Juni kehrt die 36-Jährige sogar zu «Wetten, dass …?» zurück, wenn die Sendung in der Stierkampfarena von Palma de Mallorca Station macht. Sie kommt als Gast – der Name Trussardi dürfte daher ausreichend oft fallen. Wieder eine wichtige Werbetour.