Der geplante Mega-Flughafen in Istanbul wird nach Ansicht des Chefs von Turkish Airlines eine ernste Bedrohung für etablierte Drehkreuze wie Frankfurt werden. Schon jetzt verlören westeuropäische Flughäfen den Anschluss an die Konkurrenz in Istanbul und den Golfstaaten, sagt Temel Kotil, der auch Präsident des Verbands Europäischer Fluggesellschaften (AEA) ist, der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. «Europäische Politiker verstehen das nicht.»

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Der neue Istanbuler Flughafen soll in zweieinhalb Jahren den Betrieb aufnehmen und nach den Worten Kotils besonders mit Dubai konkurrieren. Nach einer mehrjährigen Ausbauphase soll er bis zu 150 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen und damit eines der grössten Drehkreuze der Welt werden.

Frankfurt hinkt hinterher

Turkish Airlines fliegt inzwischen nach eigenen Angaben mehr ausländische Ziele an als jede andere Airline. Vor wenigen Tagen nahm die Fluggesellschaft mit San Francisco ihr 223. Ziel ausserhalb der Türkei ins Programm. Kotil kündigt an, das Netz werde noch weiter ausgebaut. Man setze dabei besonders auf Afrika als Wachstumsmarkt.

Das derzeitige Turkish-Airlines-Drehkreuz – der Atatürk-Flughafen in Istanbul – droht bereits in diesem Jahr, Frankfurt bei den Passagierzahlen abzuhängen. Kotil rechnet für 2015 mit 65 Millionen Reisenden – ein Anstieg von knapp 15 Prozent verglichen mit dem vergangenen Jahr (57 Millionen). Der Frankfurter Flughafen, wo die Lufthansa ihre Basis hat, hatte im vergangenen Jahr einen Zuwachs von 2,6 Prozent auf knapp 60 Millionen Passagiere. In diesem Jahr sollen es erneut lediglich 2 bis 3 Prozent mehr werden.

Nachflugverbote gehören abgeschafft

Kotil sagt, damit Flughäfen und Airlines im Wettbewerb bestehen könnten, müssten «Hubs» wie Frankfurt deutlich ausgebaut und Nachtflugverbote abgeschafft werden. EU-Politiker scheuten sich aber aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, die notwendigen Schritte zu unternehmen.

«Wenn das Flughafen-Drehkreuz nicht 24 Stunden operiert, wird die Fluglinie des Drehkreuzes zum grossen Verlierer. Wie soll Frankfurt mit Istanbul oder Dubai konkurrieren?», fragt Kotil.

Drittes Terminal für Frankfurt

Fraport hatte am Mittwoch mitgeteilt, noch in diesem Jahr mit dem Bau eines umstrittenen dritten Terminals in Frankfurt zu beginnen. Als Grund nannte der Betreiber, dass selbst bei den derzeitigen Zuwächsen von zwei bis drei Prozent spätestens 2021 die Kapazitätsgrenze überschritten würde.

Der neue Flughafen in Istanbul – der den Atatürk Airport ersetzen soll – soll am Ende der Ausbauphasen vier Terminals und sechs Landebahnen haben. Umweltschützer hatten gegen den Neubau in einem Waldgebiet protestiert.

Transit als einzige Möglichkeit

Kotil sagt, Punkt-zu-Punkt-Verbindungen reichten für etablierte Fluggesellschaften nicht mehr aus, um zu wachsen. Ein funktionierendes «Speichennetz» – also ein Zubringernetz für einen zentralen Drehkreuzflughafen – sei essenziell.

«Transit ist die einzige Möglichkeit, dass das Geschäft aufrechterhalten werden kann.» Die Lage Istanbuls am Übergang von Europa nach Asien sei für viele Umsteiger ideal.

Steiles Wachstum

Turkish Airlines hat die Passagierzahlen nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn Jahren fast vervierfacht (plus 367 Prozent) – und ist damit weit überdurchschnittlich gewachsen. Weltweit nahm die Zahl der Flugreisenden zwischen 2004 und 2014 laut dem Weltluftfahrtverband IATA «nur» um rund 60 Prozent zu.

Im vergangenen Jahr transportierte die türkische Fluggesellschaft 54,7 Millionen Reisende, 13,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Für 2023 peilt sie 120 Millionen Passagiere an. Die Airline wurde 2006 privatisiert. Nach wie vor sind gut 49 Prozent der Anteile in staatlicher Hand.

(sda/ise)