Es ist eine Kryptowährungsstory der kuriosen Art. Nach der Vervielfachung der Kurse von Bitcoin und Ether und jüngst der Gründung einer Terminbörse für Kryptowährungen in Chicago wittern jetzt ein paar Schweizer Jungunternehmer Morgenluft. Sie errichten in Tunesien eine selbst im globalen Massstab grosse Kryptowährungsproduktion.
Die Ostschweizer Krypto-Schürfer nehmen für sich in Anspruch, «das etablierteste Unternehmen im Markt» zu sein, das sich «from a business point of view» auf das Kryptomininggeschäft einlässt. Mymultiminer heisst die Firma, Geschäftsleiter Alexandre Touihri ist dafür seit November operativ tätig.
Bis zu 150 Millionen Franken Umsatz
Ende 2018 will er damit bereits 100 bis 150 Millionen Franken Umsatz gemacht haben. Mymultiminer ist eine Bewirtschaftungsfirma für Mining-Rechner mit Sitz in Wallisellen, eine Tochter von Cryptec und Teil der Firmengruppe Auf der Mauer (ADM) mit Sitz in Baar.
Im Endausbau sollen 35 000 handtaschengrosse Computersysteme mit jeweils neun Hochleistungsgrafikkarten in eigens errichteten Hallen auf der Fläche von zwei Fussballfeldern in Tunesien stehen und Coins schürfen. Die Rechner sollen nicht im Besitz der ADM sein, sondern den Investoren gehören. Ein Rechner kostet den Anleger im Minimum 4000 Euro – multipliziert mit 35 000 sind das in Franken umgerechnet die besagten 150 Millionen Franken Umsatz. Der Kunde erwirbt physisches Eigentum.
Ihm gehört der Rechner und was dieser an Kryptowährungen generiert, abzüglich Betriebsgebühren von 28 Prozent in Coins. «Daher haben wir den Anreiz, mit hoher Leistung möglichst viel zu minen, weil auch unser Erfolg davon abhängt», sagt Touihri.
Für Stromversorgung, Wartung, Bewachung und Softwareupdates ist das Unternehmen zuständig. Die Investoren sind von der Wertentwicklung der Kryptowährung abhängig: Geht diese auf null zu, bleiben ihnen die Grafikkarten.
Tiefe Stromkosten in Tunesien
Aus Unternehmenssicht liegt der Clou vor allem bei den tiefen Stromkosten in Tunesien. Strom ist der grösste Kostentreiber bei den hochtourigen Rechnern. Da die Maschinen in Tunesien stehen, sind die Kosten tief: Die Sociéte Tunisienne d’Életricité et du Gaz liefert die Kilowattstunde für umgerechnet 4 Rappen, das ist ein Viertel der Kosten, die in der Schweiz anfallen würden. Zudem stellt die tunesische Tochter von Cryptec die Systeme in einer zollfreien Freihandelszone auf, das spart die Einfuhrgebühren für die Rechner. Was gemint wird, geht zu 100 Prozent ins Ausland – eine Steuerpflicht am Standort entfällt.
Hinter dieser Operation steckt die weitgehend unbekannte Gruppe Auf der Mauer. Die Gruppe ist wenige Jahre alt, firmiert an einer Topadresse im Zürcher Kreis 1 und wirbt wie ein traditioneller, wertebewusster Vermögensverwalter mit Schweizer Prägung. Die Firmengründer sehen sich als Unternehmensberater und Startup-Inkubatoren.
Vor der Gründung der Tochter Cryptec setzte ADM 2016 3 Millionen Franken um. Touihri hält mit dem neuen Mining-Business eine bis zu Verfünfzigfachung in zwölf Monaten für realistisch. Bedenken wegen allfälliger Bauernfängerei oder potenziell illegaler Tätigkeiten hat er nicht. Denn: Mymultiminer brauche keine Finma-Regulierung, da sie nur den Warenhandel mit Rechensystemen betreibe. Und: «Unser Bewirtschaftungskonzept ist derzeit eine der wenigen konformen Investmöglichkeiten für Privatanleger im Kryptominingbereich.»
Wo kein Kläger, da kein Richter
Tatsächlich verfügt Mymultiminer über keine Finma-Bewilligung. Diese äussert sich auch nicht «zu allfälligen Bewilligungspflichten dieser Firmen oder bestimmter Geschäftsmodelle». So lange gilt die Devise, wo kein Kläger, da kein Richter: «Hat die Finma Hinweise auf mögliche Verletzungen von Aufsichtsrecht, geht sie diesen nach und ergreift bei Bedarf Massnahmen. Die Beurteilung von Bewilligungspflichten basiert auf dem konkreten Einzelfall», sagt Sprecher Vinzenz Mathys.