«Zürich»-Chef Martin Senn gibt den Elder Statesman mit gefalteten Händen. Swisscom-Lenker Carsten Schloter zeigt sein Können gleich mehrsprachig und in verschiedenen Videos. ABB-Chef Joseph Hogan überzeugt vor einer Grossstadtkulisse. Noch mehr Sergio Ermotti wünschte man sich vom UBS-Konzernlenker. Blick und Akzent gefallen. Vorbei sind die hängenden Mundwinkel seines Vorgängers Oswald Grübel.

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Die CEO der Schweizer SMI-Unternehmen machten 2011 eine bessere Falle vor der Kamera als im Jahr zuvor. «Die Schweizer Konzerne verstehen sich in medialer Sicht endlich als internationale Firmen. Sie brauchen ausländische Investoren, und die beurteilen die Unternehmen meist via TV und Internet», sagt Susanne Müller-Zantop, Gründerin der Zürcher Firma CEO Positions. Sie hat für die BILANZ zum zweiten Mal bewertet, was für eine Figur die Chefs der Schweizer Konzerne im TV machen.

Wenig Inhalte. Seit Jahren beurteilt Müller-Zantop die Videopräsentationen der 100 grössten Konzerne Europas. Die Auftritte der Schweizer Probanden vor der Kamera werden zunächst auf ihre Optik hin geprüft: Wirkt der CEO kompetent, glaubwürdig, souverän, und wie wird er ins Bild gesetzt? In einem zweiten Schritt wird der Inhalt bewertet: Hat er eine Kernbotschaft, und kann er sie verständlich transportieren?

Firmen, die ihre CEO-Interviews auf der eigenen Website aufschalten, erhalten einen Bonuspunkt. Doch dort harzt es. «Das Angebot an multimedialen Inhalten wurde im Vergleich zum Vorjahr nicht ausgebaut. Es ist noch immer dünn», so Müller-Zantop. Dies, obwohl heute ein Viertel aller Informationen via Video konsumiert wird, der Sturm auf Social-Media-Netzwerke anhält und Smartphones reissenden Absatz finden.

Video toppt Text. Die Zeit dürfte die multimedialen Wunden allerdings heilen. Firmenchefs werden sich künftig weit gewandter auf dem Parkett der neuen Medien bewegen. Bereits heute gehen Konzernchefs von jungen Unternehmen wie Google, Facebook, Xing oder auch Cisco vollkommen normal damit um. Es gehört für sie zum Alltag.

Den grössten Sprung nach vorne machte «Zürich»-Chef Martin Senn. Er kletterte vom elften auf den dritten Rang. Senn spricht akzentfreies Englisch, fliessend, ohne Ähs. Sein Gegenstück ist Nick Hayek: Im Vorjahr lag der Swatch-Chef ganz vorne, jetzt nur noch unter den letzten drei. Einzig ein kryptisches Interview mit Bewegtbildern auf CNBC ist zu finden. Dabei sind Hayeks Auftritte äusserst sehenswert und heben sich von den klassischen Auftritten ab. Rauchende Chefs sind längst passé – ausser bei der Swatch Group.

TV-Interviews sind für Unternehmen wichtig. Müller-Zantop: «Investoren glauben CEO mehr, wenn sie deren Botschaft auf Video sehen.» Das zeigt eine Untersuchung der Universität Washington in Seattle: Wer sich Firmeninformationen über ein CEO-Video beschaffte, investierte mehr als jemand, der sich mit einem Text informierte. Umso wichtiger, dass die Konzernlenker das Recht am eigenen Bild nutzen und sich bewusst in Szene setzen. «Jeder ist für das eigene Bild selbst verantwortlich», so Müller-Zantop.

1. (2.) Joseph Hogan, ABB
Der grossstädtische Hintergrund ist ein vertrautes Bild aus der ABB-Welt. Im blauen Hemd zeigt sich Joseph Hogan als hart arbeitender, zupackender Mensch. Er will ansprechbar sein, ohne Jackett oder Krawatte. Hogan spricht klar und gestenreich. Er lächelt bei gewissen Fragen, gibt mit klarem Blick Informationen in perfekter Länge über den Gesamtmarkt und ordnet so die ABB-Performance ein. Er hat sich im Vergleich zum Vorjahr gesteigert.
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1. (4.) Carsten Schloter, Swisscom
Der Lieblingsplatz von Carsten Schloter für seine Videos scheint der eng wirkende Flur seines Büros zu sein, wo man Glas und Struktur des Gebäudes sieht. Das Sonnenlicht fällt ein. Leider färben das Grau und die Enge der Stahlstruktur auf ihn ab. Ganz anders kommt er an, wenn er sich im Swisscom-Lab filmen lässt, wo er Jahre jünger und charmanter wirkt. Seine Stimme klingt perfekt wie immer. Als er zu Italien befragt wird, wo die Lage schwierig bleibt, lächelt Carsten Schloter schon fast komplizenhaft. Rundum gekonnt. 
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3. (neu) Sergio Ermotti, UBS
Die im November 2011 angekündigte neue Plattform UBS.com bietet Videostreaming – aber nicht für ihren CEO. Sergio Ermotti hielt sich nach seiner Wahl zum CEO der UBS mit Medienauftritten zurück. Er repräsentiert die UBS vor einem Hintergrund, der Geld symbolisiert, aber nicht luxuriös wirkt. Sein Blick und sein Akzent lenken von dem ab, was er sagt. Doch er überzeugt auch inhaltlich, nennt viele Zahlen und informiert über das wirtschaftliche Umfeld.
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3. (11.) Martin Senn, ZFS
Hat sich Martin Senn zu einem Elder Statesman gewandelt? Er hält sich gerade, ist ernst, nachdenklich. Die Haltung der Hände (wie bei Angela Merkel oder einem Pastor) ist ruhig und gemessen – sehr selten bei CEO. Er sollte dunklere Anzüge tragen, um dies noch zu unterstreichen. Im Interview mit CNBC sieht man eine energetischere Seite von ihm: Er spricht schnell und im Takt der Finanzberichterstattung. Seine Stimme ist klar, bei Bedarf laut und akzentuiert.
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5. (5.) Paul Bulcke, Nestlé
Ein lächelnder Paul Bulcke ist in seinem Element, wenn er vor der Kamera steht. Der Belgier, der sechs Sprachen spricht, glänzt mit akzentfreiem Englisch und redet fast schon zu schnell. Bulcke beherrscht die Kunst, die Aufmerksamkeit des Betrachters durch Betonung des Gesagten zu fesseln und Zusammenhänge klarzumachen. Das Set-up des Videoclips verwirrt: erst ein Sprecher im Studio, dann eine Hotelsituation mit störendem Bildschirmgeflimmer im Hintergrund.
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5. (8.) Boris Collardi, Julius Bär
Was ist nur los mit Boris Collardi? Schaut man das Video ohne Ton an, hat man den Eindruck, er wolle davonlaufen. Er zieht den Bauch ein und schaut nach innen, wird sogar rot. Dabei ist Collardi perfekt gekleidet und ausgesprochen telegen. Schaltet man den Ton dazu, brilliert er mit einem ungewöhnlich grossen englischen Wortschatz. Leider steht er vor einem im rechten oberen Bildrand abgeschnittenen «Julius Bä».
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5. (8.) Brady Dougan, Credit Suisse
Keiner kann so betroffen dreinblicken wie Brady Dougan. Seine krause Stirn und der hochgezogene Mundwinkel sind fast schon Kult. Im Vergleich zum letzten Jahr ist er inzwischen sehr gut gekleidet, nicht mehr so verknittert. Dougan ist freundlich zum Interviewer, er macht überhaupt kein Hehl aus enttäuschenden Resultaten. Seine Stimme ist angenehm klar, strahlt Autorität aus und senkt sich zum Satzende.
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5. (2.) Joe Jimenez, Novartis
Obwohl der Hintergrund zur Krawatte passt, sieht Joe Jimenez aus wie in einem Gefängnis. Novartis ist mit ihrem YouTube-Channel die professionellste unter den SMI-Firmen, doch dieser Clip sieht aus wie eine Pflichtübung. Jimenez hätte ein besseres Set-up, ein besseres Script und jemanden verdient, der seine Stirn und Nase mattiert. Er fühlt sich wie die meisten Amerikaner extrem wohl vor der Kamera, spricht perfektes Tempo mit klarer Stimme. (Bewertungsvideo nicht mehr vorhanden. Dieses Video gehört zum Jahresabschluss 2011):
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5. (5.) Michael Mack, Syngenta
Syngenta liefert auf ihrer Website ein Video-Interview mit CEO Michael Mack, das sehr gut aufbereitet ist. Im Clip ein ansprechendes Set-up mit Interviewer und guter Raumwahl. Mack selber sitzt. Das ist für einen formellen CEO wie ihn eher unpassend, es macht ihn etwas zu entspannt. Man darf ihn nicht von unten filmen, sonst wirkt er aufgrund seiner Kopfhaltung leicht arrogant. Inhaltlich liefert er gute Qualität, spricht aber zu lang.
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5. (5.) Severin Schwan, Roche
Das Verfalldatum des offiziellen Firmenvideos mit Severin Schwan auf der Unternehmenswebsite ist abgelaufen – es ist aus dem Jahr 2008. Überhaupt spricht Schwan fast immer per Telefon mit den TV-Reportern. Doch wieso eigentlich? Im einzigen vorhandenen Videoclip macht er alles richtig: Er spricht mit angenehmer Stimme ein gutes Englisch, gibt kurze und präzise Antworten. Inhaltlich gibt er genaue Auskünfte und ist spezifisch. Die gewählte Umgebung trägt zur Ruhe bei, hier steht Schwan in der Balance und strahlt Vertrauen aus.
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11. (–) Johann Rupert, Richemont
Diese Videopräsentation ist eine Ausnahme: Selten sieht man einen derart entspannten CEO, der mit tiefer Stimme gelassen nuschelt, der wie zu sich selbst spricht. Er liest seine Zahlen ab, fummelt mit der Funkmaus herum und gibt sie dann lächelnd ab. Rupert kann es sich leisten. Er hält 50 Prozent der Stimmen und rund 9 Prozent des Aktienkapitals. Zum Ende wird Rupert immer konzentrierter und freier und spricht schliesslich wie ein Professor.
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12. (14.) Jean-Paul Clozel, Actelion
Jean-Paul Clozel lässt sich nach einer Bilanzmedienkonferenz von einem Videojournalisten abfangen und gibt freundlich Auskunft. Er ist müde, gleichzeitig erleichtert. Schlecht, dass im Hintergrund Menschen den Raum verlassen, während er spricht. Er hätte sich besser zehn Minuten ausgeruht, Nase und Stirn mattieren lassen und dann unten im Raum links im Licht gesprochen.

12. (1.) Nick Hayek, Swatch
Auf dem hauseigenen Swatch-YouTube-Channel ist nicht Nick Hayek, sondern sein Vater präsent, auch nach dessen Tod. Auf CNBC.com muss sich der Reporter mit Nicks Stimme und einem Bewegtbild aus dem Archiv behelfen, um zu kompensieren, dass Hayek nur per Telefon mit ihm spricht. Dabei kann man gar nicht genug davon bekommen, Nick Hayek live zu sehen: Er raucht auf der Bühne seiner Bilanzmedienkonferenz Zigarre und trägt ein Jackett aus den Siebzigern.
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14. (–) Steven Newman, Transocean
Schlechte Nachrichten, schlechte Bilder, schlechte Informationspolitik: Wer das Transocean-Hauptquartier und dessen Management in Zug online finden will, stolpert über Tausende schlechter News. Das einzige Video von CEO Steven Newman ist der YouTube-Clip über seine Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des amerikanischen Kongresses. Wenn das einzige Bewegtbild einer Person das Bild auf dem heissen Stuhl ist, wirkt das sehr befremdend. Jeder sieht hier schuldig aus.
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Kriterien: Bewertung von 0 bis 3 Maximal 3 Punkte für das Set-up, maximal 3 Punkte für den Inhalt und maximal 1 Punkt für das Video auf der eigenen Website. Summe: X von maximal 7 Punkten / Punkte des Vorjahrs.

Mitarbeit: Susanne Müller-Zantop (Einzelkommentare)