Haben Schweizer Uhrenhersteller unterhalb des Luxussegments eine Überlebenschance? Selbst dann, wenn die Touristinnen und Touristen von überall her nicht mehr zu den Schweizer Uhren kommen? Ich bin der Meinung: ja. Denn die Uhrenhersteller könnten zu den Fangemeinden auf dieser Welt gehen.
Mein Vorschlag bezieht sich vor allem auf die Produktanbieter in günstigen und mittleren Preissegmenten mit eher schwacher eigener Markenstrahlkraft, aber gefährlicher Abhängigkeit vom Souvenirkäufer – respektive vom Touristenstrom. Wer als Anbieter nur Geld verdient, wenn die Asiatinnen und Asiaten nach Europa kommen und einkaufen, und nicht auf deren Einkaufszettel steht, wenn diese «zu Hause» bleiben, hat ein ganz dickes Problem in der Fokussierung von Kundengruppen und beim Bedarf.
Daniel O. Schindler ist Managing Partner der Beratungsfirma Valuepros und Consultant in Markt-, Branding- und Marketingthemen sowie Lizenzberater.
Es ist leider eine Realität: Der Touristenstrom bleibt seit Monaten aus und dürfte auch nicht wieder so schnell anschwellen. Das ist für die vielen Hersteller in der Schweiz mit voller Ausrichtung auf die Reisenden als Kundschaft schlimm. Ebenso hart trifft es die Duty-free-Shops, die Grosshändler und die Souvenirgeschäfte an all den prominenten Adressen mit Sightseeing-Stationen und Selfie-Appeal.
Die Frage also ist: Gibt es schnell umsetzbare Alternativen? Ja, die gibt es. Wir reden von Fans oder besser Fangemeinden. Das sind stabile Käuferkreise.
Von den Kardashians bis zum Schutz der Ozeane
Der Fan ist Mensch und Käufer, welcher von einem Thema oder einer Sache in den «Bann gezogen» wurde und für «diese seine Sache lebt». Und ein Grossteil lebt diese Sache dann auch so richtig aus. Fans und Sammler sind im Musik-, Film- und TV-Bereich oder in der Sportwelt unterwegs, einige in Kultur-, Design- und Kunstkreisen. Oder sie scharen sich um Persönlichkeiten mit besonderer Ausstrahlung. Fans zelebrieren gerne ihre «grosse Sache».
Ich bezeichne diesen loyalen Käufer- und Absatzmarkt als «Closed Community Circle». Communitys bilden sich um Reality-TV-Stars (im Kardashian-Clan haben alle über 100 Millionen Follower) oder um die Boygroups des K-Pop oder um die Events mit Monstertrucks oder um NGO wie Ocean Care Worldwide. All diese Themen haben Fans und weltweite Fan-Communitys.
«Ein Fan ist immer und überall Fan und gut via Online-Shop erreichbar – auf der ganzen Welt.»
Sind nun die Fangemeinden effektiv Ersatz oder Ergänzung für die fehlenden Tourismusströme? Richtig aufgegleist: ja.
Ein Fan ist immer und überall Fan und gut via Online-Shop erreichbar – auf der ganzen Welt. Die Fangemeinde ist überaus spendabel, zahlungskräftig und kaufwillig, wenn es um «ihre Sache» geht. Match-entscheidend ist hier die richtige Mischung aus Produkt und exklusiver Verwendung des Symbols, welches das Thema respektive die Sache deutlich markiert und klar identifizierbar macht.
Die günstigen und mittelpreisigen Uhren aus einheimischer Produktion hätten einen einfach zu gewinnenden und nachhaltigen neuen oder ergänzenden Absatzmarkt – Fans gibt es immer. Sie könnten mit Lizenzproduktionen bei den Hardcore-Fans weltweit punkten. Und so für den Betrieb ein ansprechendes neues oder ergänzendes Standbein aufbauen.
Dass das Lizenzmodell funktioniert, zeigen Beispiele: Lego bringt Star-Wars-Sets, Cristiano Ronaldo verkauft unter der Marke CR7 eine Vielfalt an Produkten, Keramik Laufen hat eine Alessi-Linie.
Was fehlt, sind zum Beispiel K-Pop-Uhren. Wer packt die Chance?