Kaba wird immer wieder als Übernahmekandidatin gehandelt. Wie reagieren Sie auf Angebote?
Ulrich Graf: Wir wollen selbstständig bleiben. Ich habe mir 30 Jahre lang gesagt, welche Fehler ich machen will. Solange ich dabei bin, bleibt das so.
Gibt es konkrete Angebote?
Graf: Es gibt eine Menge Investoren, die gerne rasche Gewinne mit Kaba machen wollen. Einen Partner, der Kaba langfristig auf ihrem jetzigen Kurs weiterführen kann und will, sehe ich derzeit nicht. Und alle Grossen unserer Branche etwa Assa Abloy, Ingersoll Rand oder Tyco hätten mit einer allfälligen Übernahme von Kaba aus wettbewerbsrechtlichen Gründen Probleme.
Was ist mit Konglomeraten, die ihr Portfolio erweitern wollen?
Graf: Konglomerate wie General Electrics nutzen derzeit die günstigen Finanzkonditionen für Akquisitionen, auch im Sicherheitsbereich. Unternehmen wie Otis oder Bosch haben Geld im Überfluss und möchten stärker in unseren Markt einsteigen. Die Verantwortlichen werden garantiert monatlich von irgendeinem Investmentbanker darauf aufmerksam gemacht, dass Kaba ein gutes Ziel wäre.
Wie schützt sich Kaba?
Graf: Wir haben eine treue Familie, die nicht verkaufen will.
Nie?
Graf: Klar, alles hat seinen Preis. Ab einem gewissen Betrag wäre ich mir nicht mehr sicher, ob nicht doch einer schwach werden würde. Da mache ich mir keine Illusionen. Wo dieser Aktienkurs wäre, weiss ich nicht. Jedenfalls mehr als doppelt so hoch wie heute. Doch diese Diskussionen brauchen wir heute nicht zu führen.
Will Kaba selber akquirieren?
Graf: Der Akquisitionsprozess ist ein Teil unserer Wachstumsstrategie. Im Moment liegen rund 14 Dossiers auf dem Tisch. Wir stehen mit den Besitzern dieser Unternehmen in regelmässigem Kontakt, um Vertrauen aufzubauen.
In welcher Grössenordnung bewegen sich die Zielgesellschaften umsatzmässig?
Graf: Von 50 bis 150 Mio Fr.
In welchen Ländern möchten Sie akquirieren?
Graf: In Europa, Asien und Amerika.
In welchen Bereichen wird Kaba zukaufen?
Graf: Wir könnten ein branchenverwandtes Unternehmen übernehmen, etwa aus den Bereichen Alarm, Zahl- und Diebstahlwarnsysteme, Gebäudeautomation oder Türöffnungssysteme für Automobile. Der Verwaltungsrat hat sich aber gegen diese Möglichkeit entschieden und bevorzugt Zukäufe im Kerngeschäft Total Access.
Das heisst?
Graf: Total Access beinhaltet neben der mechanischen auch mechatronische Schliesstechnik, also die Verbindung zwischen Mechanik und Elektronik, auch elektronische Zutrittskontrolle und Datenerfassung. Hinzu kommen Sicherheits- und Automatiktüren. Das Verbindungsstück zwischen all diesen Bereichen ist die Identifikation. Zurzeit analysieren wir komplementäre Zielgesellschaften aus den Bereichen Ticketing, Anbieter von Zusatzleistungen im Bereich Radiofrequenzidentifikationschip-Technologie, Schlossfabrikanten, Zutrittskontrollhersteller, Systemintegratoren sowie Türhersteller. Wir prüfen Projekte, die für Kaba eine geografische Expansion, eine Ergänzung im Produktebereich oder eine Erweiterung der Wertschöpfungskette bedeuten würden.
In der Finanzgemeinde gilt die Kaba-Aktie als wenig attraktiv, obwohl Ihr Unternehmen erfolgreich ist. Wie erklären Sie sich das?
Graf: Das sehe ich anders. Mit Kaba-Aktien wird rege gehandelt. Die Handelsvolumina sind in den letzten Monaten gestiegen. Ich wäre eigentlich nicht unglücklich, wenn kurzfristig spekulierende Fonds und Hedge-Fonds Kaba vergessen würden. Wir sind eine nachhaltig auf Erfolg ausgerichtete Firma, und deshalb stimmen die kurzfristigen Börsenerwartungen nicht immer mit den unternehmerischen Projekten überein.
In den westlichen Gesellschaften wächst das Bedürfnis nach Sicherheit. Sie müssen von Kunden überrannt werden.
Graf: Interessanterweise sparen Unternehmen in wirtschaftlich schlechten Zeiten in drei Bereichen: Bei der Werbung, der Ausbildung und bei der Sicherheit. Die Rezession hat darum auch Kaba spürbar getroffen.
Trotzdem überstand Kaba die konjunkturellen Schwankungen in den letzten Jahren relativ unbeschadet. Warum?
Graf: Der grösste Teil des Umsatzes kommt aus den bereits installierten Produkten und Systemen. Sie bescheren Kaba Aufträge durch Erweiterungen sowie Nach- und Aufrüstungen.
In welchen Produktesektoren orten Sie Zukunftspotenzial?
Graf: Sehr interessant ist mechatronische Schliesstechnik, also die Kombination aus einem klassischen Schlüssel und einem elektronischen Chip zur Türöffnung. In diesem Bereich verzeichneten wir im 1. Quartal des laufenden Geschäftsjahrs, gemessen an der Vorjahresperiode, einen Zuwachs von 45%. Diese Technik wird, so glaube ich, zu einem Nachfragemarkt.
Wird der Schlüssel verschwinden?
Graf: Das glaube ich nicht. Der klassische Schlüssel gehört noch immer zu den preisgünstigsten Anwendungen. Nehmen Sie beispielsweise Garderobenkästen für Angestellte: Warum sollte man hier eine mechatronische Schliessanlage einbauen?
Welches Potenzial orten Sie bei der biometrischen Identifikation?
Graf: Diese Technologie, wo die Identifikation der zutrittsberechtigten Personen über biometrische Daten wie Fingerabdruck, Handgeometrie, Stimmerkennung oder Gesichtsform erfolgt, wird heute bereits im kommerziellen Bereich eingesetzt, aber lediglich in sensitiven Sicherheitsbereichen. Ich bin allerdings überzeugt, dass die biometrische Identifikation über kurz oder lang so erschwinglich wird, dass sie deutlich breiter eingesetzt wird.
Haben Sie bereits Kunden in diesem Bereich akquiriert?
Graf: Ja, wir haben beispielsweise sämtliche Flughäfen in Irland damit ausgerüstet.
Die Margen im Geschäft mit Schliessanlagen sind sehr gut. Weniger positiv sieht es bei den Sicherheitstüren aus.
Graf: Das ist richtig. Beachten Sie aber bitte, dass wir die Margen bei den Sicherheits- und Automatiktüren innert drei Jahren ungefähr vervierfacht haben.
Mit welchen Massnahmen?
Graf: Wir haben die Organisation verbessert. Seit wir die Divisionsleiter vor vier Jahren ersetzt haben, verzeichnen wir einen starken Aufwärtstrend. Sie dürfen zudem nicht vergessen, dass wir im gesamten Zutrittsbereich das betrifft die USA, Japan und Europa eine Ebit-Marge von 20% erreichen. Das schafft keiner unserer Konkurrenten.
Aber diese Marge ist schwierig zu halten, oder?
Graf: Tatsächlich ist der Wettbewerbsdruck sehr hart.
Innovation ist auch in Ihrer Branche ein zentraler Wettbewerbsvorteil. Was haben Sie derzeit in der Pipeline?
Graf: Zu unseren viel versprechendsten neuen Produkten gehören die bereits erwähnten rein digitalen Verschlusslösungen, die mit einem passiven Radiofrequenzidentifikationschip so funktionieren auch Funkfernbedienungen für Autoschlösser ausgestattet sind und bei bestehenden Türen nachgerüstet werden können. Die Markteinführung hat gerade begonnen. In Singapur haben wir bereits 2500 Stück verkauft, die Kunden stehen Schlange. Wir gehen davon aus, dass dieses Produkt spürbar zum Wachstum von Kaba beitragen wird.
Mit solchen Anwendungen stösst man jeweils in Asien auf grosses Interesse. Wie läuft eigentlich das Geschäft im Reich der Mitte?
Graf: In China muss man als Unternehmer enorm vorsichtig vorgehen. Wichtig ist die Auswahl eines Marktsegments, wo entweder durch gesetzliche Vorschriften oder funktionelle Gegebenheiten Qualität gefordert wird. Unser Segment ist deshalb auch in China der Premiumbereich. Vom Massengeschäft lassen wir die Finger.
Warum?
Graf: Der Massenbereich winkt zwar mit grossen Stückzahlen, doch die Erfolgschancen sind sehr gering. Dies aus zwei Gründen: Zum einen benötigt ein grosser Teil der chinesischen Bevölkerung noch keine qualitativ hochwertigen Türschlösser im Heimbereich. Der andere Teil der Haushalte ist durch Überkapazität derart stark umkämpft, dass sich dort nicht einmal als chinesisches Unternehmen Geld verdienen lässt.
Was ist Ihr Ziel in China?
Graf: Wir wollen nicht dort produzieren und hier die Arbeitsplätze streichen. Wir wollen dort produzieren, damit wir im asiatisch-chinesischen Markt Geld verdienen können. In China haben wir vorerst mit Türen begonnen. Wir haben in China den ersten grossen Auftrag für Bahnsteigabschlusstüren der U-Bahn-Linie 9 in Schanghai in Aussicht. Damit wäre unsere Fabrikation in Suzhou, nahe der Metropole Schanghai, von Anfang an ausgelastet.
Viel Zeit als operativer Chef haben Sie allerdings nicht mehr. Sie geben Mitte 2006 Ihr Amt als CEO an Rudolf Weber ab. Kommt noch ein Paukenschlag?
Graf: Nein. Wir machen weiter wie bisher.
Was ist Ihr Verdienst in den letzten 30 Jahren bei Kaba?
Graf: Mir ist es gelungen, eine Premium-Mannschaft aufzubauen und zu halten. Ich habe immer nur die Besten gewollt und dabei keine Angst vor guten Leuten gehabt.
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Der Patron: Steckbrief
Name: Ulrich Graf
Funktion: CEO und Delegierter des Verwaltungsrates von Kaba
Alter: 60
Geboren: Wolfhalden AR
Zivilstand: Verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung: Dipl. El.-Ing. ETH
Karriere
1976 Eintritt bei Kaba
1984 Mitglied der Geschäftsleitung
1989 Mitglied des Verwaltungsrates
Seit 1990 Vorsitzender der Geschäftsleitung
Seit 1992 Delegierter des Verwaltungsrates
Firma: Kaba
Das Familienunternehmen mit Sitz in Rümlang, gegründet 1862, hat den Sprung ins Elektronikzeitalter geschafft. Dies, weil Kaba in den letzten drei Jahrzehnten einen tief greifenden Wandel durchlebt hat, nämlich von der auf mechanische Produkte spezialisierten Bauer-Gruppe mit 40 Mio Fr. Umsatz zum Hightech-Konzern, der heute weltweit 5900 Mitarbeiter beschäftigt und 1 Mrd Fr. umsetzt. Heute tritt Kaba mit ihrer Cross-Selling-Plattform Total Access auf, über die ganzheitliche Zutrittssysteme angeboten werden. Die Kaba-Aktie wird seit zehn Jahren an der Börse in Zürich gehandelt.