Die Solarbranche liegt im Streit - es geht um giftige Inhaltsstoffe der sogenannten Dünnschicht-Solarzellen. Auf der einen Seite stehen Hersteller wie die deutsche Solarworld, die norwegische REC oder Bosch Solar, die auf das ungiftige Silizium als Grundsubstanz setzen. Auf der anderen Seite sind Anbieter, die eine billigere Produktionsmethode vorziehen: Das Bedampfen und Bedrucken von Folien mit einer Mixtur aus Halbleitern, eingeschweisst in Glas oder anderen Materialien. Auf diese Technologie setzen unter anderem der US-Konzern First Solar, aber auch Schweizer Firmen wie OC Oerlikon und, in naher Zukunft, wohl die Von Roll operieren damit.

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Dank dieser Dünnschicht-Technologie ist First Solar zum grössten Solarzellenhersteller der Welt aufgestiegen. First Solar-Module, günstig und effizient, finden sich längst zu Tausenden auf Dächern und Äckern, auch in der Schweiz. Ob es mit dem Markterfolg von First Solar so weitergeht, ist allerdings ungewiss. Denn jedes einzelne der First-Solar-Module enthält rund 7 g der giftigen Schwermetallverbindung Cadmiumtellurid. Eine Phalanx aus Umweltschützern, Wissenschaftern, EU-Politikern und -Beamten hat sich nun aufgemacht, der weitflächigen Verteilung des Giftes auf den Dächern einen Riegel vorzuschieben. Sie unterstützen einen Vorschlag der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft, das bereits für Elektrogeräte bestehende Cadmium-Verbot auch auf Solarzellen auszudehnen.

Neue Richtlinie auf EU-Ebene

Unterstützt werden die Schwermetallgegner von einer neu gegründeten Interessengruppe, der Non-Toxic Solar Alliance (NTSA) in Berlin. Ihr gehören hochkarätige internationale Wissenschaftler an, darunter der mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Solarpionier der University of New South Wales, Martin Green. Das Cadmium-Verbot auf Solarzellen auszuweiten, hält die NTSA für dringend geboten: «Ich halte es für höchst fragwürdig und nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet Photovoltaik als grüne Technologie von einer Umweltrichtlinie ausgenommen werden soll», sagt der Leiter des Instituts für Physikalische Elektronik der Universität Stuttgart, Jürgen Werner, ebenfalls ein NTSA-Mitglied.

Geht es nach der NTSA, könnte die «EG-Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten» (RoHS-Richtlinie) noch in diesem Jahr geändert werden. Übertriebene Rücksichtnahme auf den Weltmarktführer First Solar hält der deutsche EU-Umweltpolitiker Jo Leinen für nicht angebracht: «Von 178 Photovoltaik-Herstellern verwendet nur eine Handvoll Cadmium», stellt Leinen fest. «Die anderen kommen offensichtlich ohne aus.»

Die Schädlichkeit von Cadmium ist unstrittig. Die Gefahrstoffdatenbank der Länder (GDL) charakterisiert das Schwermetall als «sehr giftig», «gewässergefährdend» und «krebserregend». Zudem könne der Stoff bei Menschen die Fortpflanzungsfunktionen beeinträchtigen und zu Erbgutschäden und vorgeburtlichen Entwicklungsschäden führen - wenn der Stoff in die Umwelt gelangen und sich im menschlichen Gewebe anreichern kann.

Genau das aber wird von den Herstellern der Cadmiumtellurid-Module bestritten: «Cadmiumtellurid ist nicht Cadmium. Cadmium ist gesetzmässig als sehr gefährlich eingestuft, Cadmiumtellurid aber nicht. Unsere Module stellen kein Risiko dar», erklärt David Eaglesham, Technologie-Chef bei First Solar. Für die Amerikaner ist klar: Wenn die Europäer im Kampf gegen den Klimawandel ihre Ziele erreichen wollen, geht das nur mit Solarmodulen, die sich jeder leisten kann. «Das ist die grösste Hürde für die Solarenergie», so Eaglesham. «Wir müssen deshalb für die Anwender die Kosten runterbringen. Und First Solar führt hier aggressiv das Rennen um den besten Preis an.»

Diesen Spitzenplatz will das Unternehmen verteidigen, weshalb es sich auf allen Ebenen für eine Ausnahme der Photovoltaik-Branche aus der RoHS-Richtlinie einsetzt - und derzeit angespannt darauf schaut, was sich im EU-Parlament tut. Voraussichtlich im Juni geht die Novellierung zur Abstimmung in den Umweltausschuss. «Das Lobbying beim Thema RoHS ist extrem, wirklich gewaltig», sagt ein Abgeordneter. Im Büro der Grünen-Politikerin Jill Evans in Brüssel liegen die Nerven bereits komplett blank. Die Waliserin Evans ist als Berichterstatterin für die Ausgestaltung der Richtlinie verantwortlich. «Frau Evans ist flexibel, was die Verhandlungen über die Richtlinie angeht. Mehr gibt es derzeit nicht zu sagen», lautet die knappe Antwort, ob die Photovoltaik-Branche Chancen für eine Ausnahme hat.

Die Cadmiumtellurid-Firmen haben einen Anteil von rund 10% am solaren Weltmarkt - Tendenz steigend. Diese Anbieter, neben First Solar etwa auch die Q-Cells-Tochter Calyxo, verweisen darauf, dass die Giftverbote in der RoHS-Richtlinie ursprünglich für Haushaltgeräte gedacht waren und nicht für energieerzeugende Anlagen. Die Umweltstandards von Solarzellen sollten nicht mit denen von Toastern und Waschmaschinen verglichen werden, sondern mit denen von Kohlekraftwerken, heisst es. Zudem hätten Tests des Brookhaven-Instituts im Jahre 2005 ergeben, dass die Giftstoffe weder bei einem Hausbrand noch durch Glasbruch und Regen in die Umwelt gelangen könnten. Für die Käufer von First-Solar-Modulen gebe es ohnedies ein kostenloses und vollständiges Recycling-Angebot.

«Module sind ein Konsumgut»

Den Cadmium-Gegnern reicht das alles nicht aus. Solarmodule seien durchaus ein Konsumgut geworden, da sie mittlerweile an private Haushalte verkauft werden, meint Jan-Friedrich Kallmorgen, Vorsitzender der NTSA in Berlin.

Auch dass das Cadmiumtellurid in den Modulen für alle Zeiten fest eingeschlossen sei, zweifelt die NTSA an. Den Aufbau der bisherigen Laborversuche dazu hält Solarexperte Jürgen Werner von der Universität Stuttgart jedenfalls für nicht überzeugend. Ein neues Gutachten des Norwegian Geotechnical Institute (NGI) - mitfinanziert von Solarworld, REC und anderen Silicium-Firmen - scheint zu dem Ergebnis zu kommen, dass zum Beispiel saurer Regen das Gift aus zerbrochenen Cadmiumtellurid-Modulen herauswaschen könnte.