Da wurde nichts dem Zufall überlassen: 17 Seiten lang ist das «Service Agreement», das die Uni Zürich im Juli 2013 mit Philip Morris abschloss. Darin regeln die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät und die Philip Morris International Management AG (PMI) die Bedingungen für eine Studie über das sogenannte Plain Packaging in Australien: Welche Auswirkungen hat ein australisches Gesetz, das den Verkauf von Zigaretten nur noch in neutralen Packungen mit Warnhinweisen und abschreckenden Bildern zulässt? Untersuchen sollten das der Zürcher Statistikprofessor Michael Wolf und sein Kollege Ashok Kaul von der Universität des Saarlandes.
Wolf und Kaul konnten schon bald Resultate präsentieren – und werden seither von der Tabakindustrie gern und oft zitiert, wenn es irgendwo auf der Welt darum geht, staatliche Eingriffe in den Zigarettenverkauf abzuwenden. Kein Wunder, denn ihr Befund ist Wasser auf die Mühlen der Tabaklobby: Sie erklären, es gebe keinerlei Beweise, dass neutrale Packungen einen Einfluss auf das Rauchverhalten der 14- bis 17-jährigen Australierinnen und Australier habe.
«Wahlfreiheit der Käufer eingeschränkt»
Auf Gesuch des Beobachters hat die Universitätsleitung den Vertrag und Teile des Projektbeschriebs mittlerweile freigegeben – und diese haben es in sich. Die beiden Forscher deuten bereits im Projektbeschrieb an, dass sie dem australischen Gesetz ebenso kritisch gegenüberstehen wie der Tabakmulti selbst. Die Massnahme verursache «für die Zigarettenindustrie und die Konsumenten sehr hohe Kosten», schreiben sie. Das Gesetz sei «eine ernsthafte Einschränkung des Rechts am geistigen Eigentum» und schränke «die Wahlfreiheit der Konsumenten drastisch ein».
Im Vertrag liess sich der weltgrösste Tabakkonzern das Recht zuschreiben, die Studie 30 Tage vor Veröffentlichung «zur Überprüfung und für Kommentare» zu konsultieren. Dabei verpflichtet sich die Universität, «die besagten Kommentare in guten Treuen zu berücksichtigen». Sprich: Der Zigarettenmulti nahm sich das Recht heraus, die Studienresultate vor der Publikation zu kontrollieren – und die Universität Zürich liess das zu.
«Eine Verletzung der Forschungsfreiheit», empört sich der Berner Staatsrechtsprofessor Markus Müller. Er ist Mitinitiant des «Zürcher Appells für die Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit». «Mit solchen Formulierungen beeinflussen Geldgeber die Forschung.»
Philip Morris ging bei Journalisten auf Nummer sicher
Die Beteiligten widersprechen. Der Tabakkonzern habe nur «Druckfehler und (inhaltlich unwesentliche) sprachliche Kleinigkeiten» korrigiert, erklärt Wolf, und PMI ergänzt, man habe «zu keinem Zeitpunkt die Forschungsergebnisse beeinflusst oder dagegen Einwände erhoben oder die Veröffentlichung eingeschränkt».
Auch bei Medienkontakten ging PMI jedoch auf Nummer sicher: Falls sich Journalisten an die Forscher wenden, sind diese vertraglich verpflichtet, Philip Morris darüber zu unterrichten, damit die Firma die Information «koordinieren» kann.
Die Daten kamen teils von Philip Morris
Wolf und Kaul geben in ihrem «Working Paper» korrekt an, dass die Studie von PMI finanziert wurde, und erklären, sie hätten PMI «zu keinem Zeitpunkt Zugang zu den zugrundeliegenden Daten» gewährt. Das war auch gar nicht nötig – die Daten stammten teils von PMI selber. Ein entsprechender Hinweis tauchte erst in einer überarbeiteten Version der Studie auf.
Die Uni liess sich die Forschung im Dienste des Tabakmultis grosszügig bezahlen: Pro Monat erhielt sie 9900 Franken, insgesamt mehrere zehntausend.
Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Beobachter» erschienen.