Die Chefin der Gewerkschaft Unia fordert, die Wirtschaft in der Schweiz während der Coronakrise komplett stillzulegen. "Wir müssen jetzt herunterfahren", sagte Vania Alleva in einem am Montag publizierten Interview mit dem «Blick».

«Wir haben einen Vollzugsnotstand bei den Coronamassnahmen», sagt sie. Das Notstandsregime werde nicht umgesetzt, die Kontrollen der Kantone seien mangelhaft.

Das Tessin habe deshalb mit dem verhängten Wirtschafts-Shutdown alles richtig gemacht. «Der Schritt ist konsequent», sagt Alleva. Jeder Tag, an dem zugewartet werde, mache die Situation nur schlimmer. Die Beispiele Italien und New York zeigten, dass ein schnelles Handeln breit akzeptiert sei.

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«Arbeitnehmer haben Angst»

Auch bei den Tätigkeiten, die für die Gesellschaft unverzichtbar sind - Gesundheitswesen, Versorgung, Infrastruktur - müssten die Arbeitnehmenden besser geschützt werden, fordert Alleva. «Wir dürfen nicht riskieren, dass das Pflegepersonal oder die Menschen, die uns mit Lebensmitteln versorgen, ausfallen.»

Viele Gewerkschaftsmitglieder haben sich laut Alleva in den vergangenen Tagen gemeldet. «Weil sie Angst haben. Angst um ihre Existenz und Angst um ihre Gesundheit.»

Weitere Milliarden gefordert

Die vom Bundesrat versprochenen zig Milliarden würden nicht reichen, sagte Alleva. Es werde mehr Geld brauchen, «um Lohneinbussen zu kompensieren, und nach der Krise ein grosses Konjunkturprogramm, damit die Wirtschaft wieder durchstarten kann».

Die Schweiz könne das bezahlen. Für die Unia sei klar: «Der Schutz der Bevölkerung hat oberste Priorität. Und ja, das wird Geld kosten.»

Arbeitgeberverband warnt vor Folgen

Laut Alleva stehen die Arbeitgeber im Tessin, aber auch in den Kantonen Waadt und Genf hinter den Forderungen der Gewerkschaften. Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, warnt dagegen vor den drastischen Folgen eines kompletten Stillstands. «Wir müssen funktionierende Wertschöpfungsketten erhalten», sagt er im «Blick».

Ein Shutdown hätte aus seiner Sicht «unabsehbare Folgen für die Versorgung des Landes». «Das wäre ein gefährliches Experiment für die Schweiz», sagt der oberste Arbeitgeber. «Der Schaden wäre riesig und würde die Ansteckungsgefahr kaum weiter reduzieren.»

(sda/tdr)

1. Mai-Kundgebungen werden abgeblasen

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) sagt schweizweit mehr als 50 geplante Demonstrationen und Versammlungen zum 1. Mai ab. Unter den aktuellen Umständen seien keine Kundgebungen planbar.

«Dieser historisch einmalige Schritt ist schmerzhaft, aber angesichts der aktuellen Pandemie unausweichlich», schrieb der SGB am Montag in einer Mitteilung. Derzeit liege der Fokus aller darauf, ihre und die Gesundheit anderer zu schützen. Dazu komme für die Gewerkschaften der vordringliche Kampf für die Garantie von Jobs und Löhnen in der Corona-Krise.

In den kommenden Wochen wollen die kantonalen Gewerkschaftsbünde als Trägerschaft der 1. Mai-Kundgebungen sowie andere veranstaltende Organisationen alternative Durchführungsideen prüfen, um den 1. Mai als «Kampftag der Arbeiterinnen und Arbeiter für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen entsprechend begehen zu können».