Manager erklimmen die Karriereleiter in unterschiedlichem Tempo, rutschen auch mal kurz zurück. In seltenen Fällen hört das Rutschen kaum noch auf. Beispielsweise bei Reto Hartmann. Mitte 1998 wurde der Jurist an die Spitze der Handelsgruppe Valora geholt. Fünf Jahre später setzte man ihn vor die Tür. Den nächsten Job, CEO bei Feintool, schmiss er nach zweieinhalb Jahren hin. Es folgten kurze Gastspiele, so beim Autoersatzteilanbieter Derendinger, beim Unternehmensberater Oprandi oder der Innovationsplattform Innosuisse.
Ganz unten angelangt war der heute 55-Jährige 2008. An einem Apéro wurde ihm gesagt, beim Jungunternehmen GB Mining Holding gehe die Post ab, da werde ein Präsident gesucht. Die Firma mit Sitz im bernischen Steffisburg ging im Frühling in Frankfurt an die Börse.
Das Geschäftsmodell elektrisierte die Anleger: Via die auf den Cayman Islands domizilierte Tochter GB Phosphate Mining hatte sich GB Mining angeblich in Guinea-Bissau Abbaurechte an einer Phosphatmine gesichert. Der Börsenstart wurde angeheizt durch fantastische Zahlen: Die Phosphatvorkommen betrügen 113 Millionen Tonnen, womit die Firma einen Wert von 1,2 Milliarden Dollar repräsentiere.
Kaum setzte sich Hartmann auf den Präsidentenstuhl, platzte das Phosphatmärchen. Anscheinend besass GB Mining gar nie eine Abbaubewilligung. Eilig aufgesetzte Pressemitteilungen, man habe die Beteiligung nach China verkauft und führe Verhandlungen über den Kauf von Ölbohrlizenzen in Guinea-Bissau, retteten die Aktien nicht vor dem Zusammenbruch.
Als es längst nichts mehr zu retten gab, zog Reto Hartmann die Reissleine und demissionierte am 30. November 2008. Heute schüttelt er darob den Kopf und sagt wie zu sich selbst: «Das war der unsinnigste Job, den ich je angenommen habe. Mehr will ich dazu nicht mehr sagen.» Und nach einer längeren Pause: «Ich war wütend auf mich selbst und habe mir gesagt: Du Hornochse, weshalb hast du nicht früher gemerkt, was bei dieser Firma wirklich los ist?»
Neustart
Die Wut hielt nicht lange vor. Knappe drei Monate später stieg er als CEO und Präsident bei Unique Uranium ein. Die Zürcher Firma befasste sich – angeblich – mit Uranprojekten. Die in Frankfurt gehandelten Aktien fristeten ein tristes Dasein, auch der Firmenslogan «Ein neuer Uran-Player bringt Ihr Depot zum Strahlen!» zog nicht. Hartmann änderte den Firmennamen in United Commodity, verschob den Hauptsitz nach Thun. Dann tat sich nichts – bis 2010 Jochen Schäfer auftauchte.
Der Deutsche lebt seit Jahren in der Schweiz und hat einschlägige Erfahrungen mit Firmengründungen. Zusammen heckten sie die Idee für ein neues Geschäftsmodell aus: Minenschutt-Recycling. Die nötige Verfahrenstechnologie und die Mehrheit an der kanadischen Yukon Raffinerie im Städtchen Cobalt in der Provinz Ontario wurden erworben, nun läuft die Produktion.
Aus dem Schutt von Edelmetallminen werden Reste von Gold, Silber oder Platin raffiniert. Gleichzeitig wird der Abraum entgiftet. So wenigstens wird in Anlegerprospekten geschwärmt. Doch Reto Hartmann liegt auch die Umwelt am Herzen. «Ich bin kein Grüner. Dennoch glaube ich, dass wir zu unserem Planeten mehr Sorge tragen müssen. Und da leistet United Commodity einen Beitrag.» Als Visionär geht er grosszügig mit Zahlen um. Beim ersten Gespräch im März rechnet er vor, dass 34 Personen beschäftigt würden. Nur sieben Wochen später spricht er von gegen 80 Mitarbeitern.
Herzstück soll die neue Technologie sein. Diese liess Hartmann als Marke schützen, aber nicht patentieren, was Branchenkenner erstaunt. «Dafür gibt es gute Gründe», sagt Hartmann. Man war sich nicht sicher, ob das Verfahren überhaupt patentfähig sei – abgeklärt wurde der Punkt nicht. Auch koste eine Patentierung viel Geld. Und letztlich glaube er nicht an einen effektiven Patentschutz. Die laxe Haltung überrascht; das Verfahren kann leicht kopiert werden. Doch da macht sich Hartmann keine Gedanken. Schliesslich gebe es fast unendlich viel Minenabraum rund um den Globus.
System kostet so einiges
Seit United Commodity auf Goldsuche ist, kehrte auch Leben ein in die in Stuttgart gehandelten Aktien. Und wie: Über die letzten vier Jahre haben sich die Valoren im Wert verzehnfacht. Obwohl 4,1 Millionen Aktien ausstehend sind, wechseln nur wenige Titel die Hand. Fünf Grossaktionäre halten 65 Prozent, darunter Hartmann und Schäfer je 23. Ins restliche Drittel teilen sich 520 Publikumsaktionäre. «Der Börsenhandel in unseren Aktien ist sehr dünn. Wenn ein Anleger Titel für einige hunderttausend Franken über den Markt verkauft, sacken die Kurse ab», sagt Hartmann.
Damit dies nicht passiert, hat Schäfer ein effektvolles System aufgezogen. Will ein bedeutender Aktionär aussteigen, kauft ihm United Commodity die Papiere ab. Die Titel werden danach privat platziert – via Telefonhandel. Wie auch jene Hunderttausende neuer Papiere, die aus sechs Kapitalerhöhungen angefallen sind. Am Firmensitz in Zürich arbeiten 27 Personen; allein 20 sitzen im eigenen Callcenter und verkaufen Aktien. Nur so lasse sich neues Kapital beschaffen, meint Hartmann. Und schiebt nach: «Wären wir auf Bankkredite angewiesen, hätten wir dieses Projekt nie aufbauen können.» Was er verschweigt: So lässt sich ein Börsenkurs fast beliebig beeinflussen.
Die Firma lässt sich das System einiges kosten. Der Verkäufer heimst eine Provision von 15 Prozent ein. In der Erfolgsrechnung 2011 werden die Provisionen für Aktienvermittlung mit 1,13 Millionen Franken aufgeführt. Eine hohe Belastung für ein kleines Unternehmen. In der Erfolgsrechnung 2012 wurden die Provisionen von 2011 nur noch mit 0,5 Millionen angegeben. Darauf angesprochen, meinte Hartmann verlegen, man habe erst später festgestellt, dass ein Teil der Provisionen effektiv Lohnbestandteil sei. Eine dünne Erklärung. Wahrscheinlicher ist: Millionenschwere Verkaufsprovisionen sind nicht gut fürs Image.
Genauso wie die Preisnachlässe für Neuaktionäre. Die Titel werden mit Sperrfrist verkauft, was den Kurs stützt. Wer sich auf 12 Monate einlässt, bekommt 10 Prozent Rabatt, bei 18 Monaten gibts 15. Vom Verkaufserlös bleiben 70 Prozent beim Unternehmen. Als Miteigner würde ihn das auch stören, sagt Hartmann. Und fügt lachend an, er würde am Telefon keine Aktien kaufen.
Auf die finanzielle Zukunft von United Commodity angesprochen, bricht der Verkäufer durch: «In drei bis vier Jahren rechnen wir alleine in unserer ersten Raffinerie im kanadischen Cobalt mit einem Umsatz von etwa 60 Millionen Franken und einem Gewinn von 20 bis 25 Millionen. Bis dann werden auch weitere Raffinerien in Produktion sein.» Dabei sollen 2013 erstmals Umsatz und Gewinn anfallen. Hartmanns Optimismus kennt kein Mass. Gedanklich hat er längst Fähnchen für weitere Filialen auf die Weltkarte gesteckt. «Wir wurden bereits aus Osteuropa, Australien und China angefragt, ob wir nicht auch dort produzieren könnten.»
Grossartige Zukunft
Was die Zukunft dem Aktionär bringt, weiss Vizepräsident und Finanzchef Jochen Schäfer: «Wer die Projektionen bei Umsatz und Gewinn anschaut, kann sich ausrechnen, dass der Börsenwert in einigen Jahren höher als heute stehen wird.» In Internet-Aktienforen wankt der Glaube an United Commodity. Nicht wegen des Unternehmens, sondern wegen Jochen Schäfer. Der geniesst einen schlechten Ruf.
Obwohl erst 41 Jahre alt, war er bereits bei zwei Firmen involviert, deren Aktien auf null abgestürzt sind: PetroCapital Resources und die von ihm gegründete Mobile Freshness (siehe «Spielwiese für Spekulanten» auf Seite 57). Gegen Schäfer laufen diverse Strafuntersuchungen, wie er nach einigem Zögern zugibt. «Ich habe Managementfehler gemacht, doch nie, wirklich nie Geld aus Firmenkassen geklaut.»
Er gehöre selbst zu den Geschädigten, habe er doch «mit beiden Firmen viel Geld verloren». So wie mehrere hundert Kleinaktionäre und Investoren. Beispielsweise Olaf-Johannes Eick. Er hat diversen Fonds geraten, auf PetroCapital zu setzen. Für die Verluste stand er mit seinem Vermögen ein, musste Geld aufnehmen. «Diese Schulden werde ich noch über Jahre abzahlen müssen.»
Schäfer dagegen kann die Verluste verschmerzen. Sein Paket an United Commodity hat wie jenes von Hartmann einen Börsenwert von 26 Millionen Franken. Für die Aktien haben sie vor drei Jahren 200 000 Franken bezahlt. Beide sind an Haltefristen gebunden. Nur will Schäfer «gar keine Aktien verkaufen, die Firma hat eine grossartige Zukunft». Wie grossartig, wird sich weisen.