Der Vorwurf steht seit jeher im Raum: All die Manager-Gurus mit ihren nicht sehr billigen Seminaren und dicken Wälzern à la «So werden Sie erfolgreich» seien völlig überflüssig.
«In hohem Masse wertlos»
Einer, der das ungeschminkt sagt und sich damit dem Vorwurf aussetzt, er wolle nur die Nester der Konkurrenten beschmutzen , ist Fredmund Malik, der starke Mann des Managementzentrums St. Gallen. Bei ihm hört sich das so an: «Die Managementliteratur selbst ist in so hohem Masse wertlos, dass es sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, praktisch nicht lohnt, sie durchzuarbeiten!» Vor allem theoretisches Wissen zur Unternehmensführung und immer wieder neue Managementmethoden werden in bedenklichem Masse überschätzt.
Aber was stattdessen? Eine Antwort darauf heisst: Rückbesinnung auf den gesunden Menschenverstand bei der Betriebsführung.
Betriebsinhaber mit gesundem Menschenverstand lernen schneller aus ihren Fehlern, und sie machen vor allem keine ruinösen Fehler, erklärt etwa der deutsche Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. Karl Niehues aus dem westfälischen Münster. Die Unternehmer seien optimistische Realisten, pflegten ein ausgewogenes Verhältnis zum Risiko und wüssten, welche Risiken sie eingehen dürften und welche sie sich nicht leisten könnten weil es den Betrieb ruinieren würde, träte der Risikofall ein.
Dank gesundem Menschenverstand können diejenigen, die auch auf ihren Bauch hören, Probleme sofort lösen und nicht erst dann, wenn aus einem kleinen Problem durch endloses Analysieren oder sonstiges Aufschieben ein grosses und kaum mehr lösbares geworden ist. Vor allem aber beherzigen sie instinktiv das Handlungsmotto des Ikea-Gründers Ivar Kamprad: «Einfachheit ist eine Tugend. Einfachheit gibt Stärke.» Kamprad muss es wissen, gilt er doch als ausgewiesen erfolgreicher Unternehmer. Manager wie er erwirtschaften mit einer begrenzten Mitarbeiterzahl wesentlich höhere Renditen als vergleichbare Betriebe mit grösserer Belegschaft.
Unternehmer mit gesundem Menschenverstand meiden Motivationsgurus und zeitgeistig-agile Berater. Sie fallen auch nicht der Botschaft zum Opfer, dass die Arbeit den Mitarbeitern immer und überall Spass machen muss. Ihnen ist klar, was Managementlehrer Malik immer wieder betont: «Wirtschaft und Gesellschaft kämen innerhalb weniger Minuten zum Stehen, wenn nur die Arbeiten verrichtet würden, die Spass machen.» Und sie wissen um den hohen Wert guter Zusammenarbeit, glauben aber nicht auch darin zeigt sich Niehues geistesverwandt mit Malik den Sirenengesängen von der Allmacht der Teamarbeit. Dafür aber sind sie Vorbild für ihre Mitarbeiter. Sie kümmern sich konsequent um das unmittelbare Geschehen im Betrieb, halten Kontakt zu und legen Wert auf den Erfahrungsaustausch mit ihren Leuten.
Fordern, aber auch fördern
Trotz oder gerade wegen ihres straffen Führungsstils haben sie das Vertrauen der Mitarbeiter. Sie erkennen deren Stärken und setzen sie entsprechend ein. Sie wissen aber auch, dass Schwächen von Mitarbeitern nur selten wirklich behebbar sind. Was sie nicht davon abhält, auf Lernen und Weiterbildung grossen Wert zu legen und neben dem Fordern auch das Fördern nicht zu vergessen; das aber bewahrt sie davor, sowohl die Möglichkeiten des einen wie des anderen zu überschätzen. Folglich trennen sie sich rechtzeitig von Leuten, die ihre Aufgaben erkennbar nicht erfüllen und auch nicht an anderer Stelle im Betrieb Nutzen stiften können oder die nicht in die Betriebsgemeinschaft passen und somit ein permanenter Störfaktor sind.
Unternehmer mit gesundem Menschenverstand setzen bei Preiskalkulationen nicht auf komplizierte Rechenprogramme. Das Erkennen marktfähiger Angebote sehen sie nicht als komplizierten, kosten- und zeitaufwendigen strategischen Analyse- und Entscheidungsprozess. Die Angebotsentwicklung erfolgt bevorzugt nach dem Trial-and-Error-Prinzip.
Bei der Betriebsausstattung orientieren sie sich weniger an der Höhe günstiger Kredite oder an der steuerlichen Absetzbarkeit, sondern mehr an der Frage: Was brauche ich unbedingt, um das Angebot attraktiv anbieten und den Betrieb auf der Höhe der Zeit halten zu können? Sie sind auch kritisch gegenüber den Versprechungen der Informatik-Enthusiasten, ohne die Möglichkeiten der Computertechnologie deswegen zu ignorieren. Sie beherzigen nur: Bei der Informatik wird nicht derjenige bestraft, der zu spät, sondern derjenige, der zuerst kommt.
Für sie heisst die stets im Mittelpunkt stehende Frage: Wie bekomme ich Kunden? Wie behalte ich sie? Wie zahlen sie? Dabei verlaufen sie sich nicht in der Illusion, es gebe Patentrezepte für die Kundengewinnung. Folglich sind sie auch keine Marketingspezialisten im Lehrbuchsinn und beschäftigen auch keine Mitarbeiter, die einen Marketingtitel tragen, wie Untersuchungen bei erfolgreichen KMU ergeben haben.
Sie wissen und handeln einer einfachen, aber wirkungsvollen Überlegung entsprechend: Kunden kommen, weil das Angebot einmalig ist oder das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Sie bleiben, weil sie dem Unternehmer und seinem Betrieb vertrauen können und zufrieden sind. Kurz, weil Leistung und Verhalten und nicht lediglich die Werbung stimmt. Unternehmern dieses geistigen Zuschnitts ist klar: Die Zukunft hängt nicht davon ab, was werblich versprochen, sondern was tagtäglich praktisch gehalten wird. Und wie das geschieht. Und ohne die die Aufmerksamkeit stimulierende Macht der Inserate und sonstigen Werbemöglichkeiten zu unterschätzen und zu vernachlässigen, steht für sie fest: Die beste Werbung ist unabhängig von Branche und Wirtschaftszweig die Mund-zu-Mund-Empfehlung zufriedener Kunden und Geschäftspartner. Die entscheiden schliesslich auch oft aus dem Bauch heraus.
Literatur trotz allem: Fredmund Malik: Führen, Leisten, Leben Wirksames Management für eine neue Zeit; Holger Rust: Zurück zur Vernunft Wenn Gurus, Powertrainer und Trendforscher nicht mehr weiterhelfen.
Veranstaltungshinweis: SKO-LeaderCircle
Führung gehört zu den wichtigsten Aufgaben des mittleren und oberen Managements und kann dem Unternehmen entscheidende Marktvorteile bringen.
Im 2. SKO-LeaderCircle vom 3. März 2004, 17.30 bis etwa 21.00 Uhr, in der SWX Swiss Exchange, Zürich, diskutieren zum Thema «Erfolgreiche Führung als Marktvorteil»: David Ackermann (Lehrmittelverlag der Klubschulen Migros), Mark R. Hoenig (Egon Zehnder International), Reiner Pichler (CEO Strellson AG), Suzanne Speich (S Media Vision AG). Detailprogramm und Anmeldung unter www.sko.ch/leadercircle