Von Eglisau aus führt ein Strässchen rheinaufwärts durch steil abfallende Rebberge hindurch zum hinteren Stadtberg. Hier, ausserhalb des Siedlungsgebiets, liegt das stattliche Pirchersche Weingut, das Urs Pircher in zweiter Generation erfolgreich bewirtschaftet.
Dies ist durchaus keine Selbstverständlichkeit. Denn obwohl im Kanton Zürich vor wenig mehr als 100 Jahren 5586 ha mit Reben bestockt waren das entspricht ungefähr der heutigen Rebfläche des Wallis, dem grössten Rebbaukanton der Schweiz , genossen die Zürcher Weine keinen besonders guten Ruf. Die hauptsächlich aus den weissen Sorten Räuschling und Elbling und dem roten Klevner (Pinot noir) gekelterten Weine galten als dünn und sauer und waren vorab für den lokalen Verbrauch bestimmt. Nach 1880 führten neben schlechten Rebjahren und Frösten auch steigende Einfuhren ausländischer Weine und die Ausbreitung der aus Übersee nach Europa eingeschleppten Rebkrankheiten zum raschen Zusammenbruch des Rebbaus auf der Zürcher Landschaft. Bis 1966 sank die Rebfläche auf 391 ha.
Statt Spottverse nun wieder Trinkvergnügen
Doch inzwischen sind diese düsteren Jahre vorbei. Zurzeit werden im ganzen Kanton auf 634 ha Reben kultiviert. Und mit gutem Gewissen kann man dem Grossteil der Zürcher Winzer attestieren, dass sie nunmehr Weine keltern, die nicht mehr Gegenstand von Spottversen sind, sondern die Trinkvergnügen bereiten.
Urs Pircher gehört in der deutschsprachigen Schweiz zu jenen innovativen Winzern, die schon früh auf Qualität setzten. Dabei kam ihm zugute, dass er nicht nur ausgezeichnete Lagen besitzt, sondern dass bereits sein jung verstorbener Vater Weine kelterte, die ein gutes Renommee hatten. Die eigentliche Wende erfolgte 1984. «1983 war ein ausgezeichnetes Weinjahr», erinnert sich Urs Pircher. «Diese Weine dienten uns als Massstab. Um das Qualitätsniveau halten zu können, begannen wir, die Erträge einzuschränken. Die heutige Richtgrösse beträgt 500 bis 600 g Trauben pro Quadratmeter.»
Zur Ertragsreduktion und der schonenden Rebpflege kamen zahlreiche Verbesserungen bei der Vinifizierung des Traubenguts und beim Ausbau der Weine hinzu. Die sanfte Eglisauer Qualitätsrevolution blieb nicht unbemerkt: Das Weingut Pircher zählt heute zu den Spitzenbetrieben der Ostschweiz.
Vorherrschend sind die Blauburgunder-Stöcke
Zwei Drittel der 6 ha umfassenden, grösstenteil terrassierten Rebberge sind mit Blauburgunder-Stöcken bepflanzt. Fünf verschiedene Weintypen keltert Pircher aus dieser ebenso edlen wie schwierigen Sorte. Süffig, frisch und elegant gibt sich der Rosé 2003, erzeugt aus dem Saignéemost. Der Federweisse (aus weiss gekelterten Blauburgundertrauben) zeigt zwar eine angenehme Fruchtigkeit, wirkt jedoch mit seinen 14,5 Volumenprozent Alkohol süsslich und fett eine Folge des extrem heissen und trockenen Jahres.
Gut ausbalanciert präsentieren sich dagegen die drei verschiedenen Blauburgunderweine des Jahres 2002, die zurzeit im Verkauf sind. Der traditionelle Blauburgunder macht je nach Jahr eine Kaltstandzeit an der Maische von zwei bis vier Tagen durch und zeichnet sich durch fruchtige Eleganz aus. Die Auslese, aus selektionierten Trauben vinifiziert und in 500-l-Fässern verschiedenen Alters ausgebaut, überzeugt mit ihrem Bouquet von roten Früchten und ihrem gut strukturierten, vielschichtigen Körper. Der in Barriques ausgebaute Blauburgunder schliesslich wird aus Trauben einer mit alten Reben bestockten Steillage erzeugt. Er präsentiert sich mit einer fruchtig-beerigen, von dezenten Röstaromen unterlegten Nase, im Mund besticht er durch fleischige Eleganz, Saftigkeit und solide, gut eingebundene Tannine.
Technische Unterstützung nur in Ausnahmefällen
Auch wenn die drei Weine drei unterschiedliche Blauburgunder-Stile repräsentieren, so fällt auf, dass die Unterschiede beim 2002er Jahrgang weniger scharf herausgearbeitet wurden als in früheren Jahren. Ist das die Folge des in diesem Jahr eingesetzten Vakuumverdampfers? Urs Pircher winkt ab. «Den Vakuumverdampfer habe ich lediglich versuchsweise beim Barrique-Blauburgunder eingesetzt. In einem normalen Jahr drängt sich seine Verwendung nicht auf.» Und er versichert lachend, dass er auf seinem Gut auch in Zukunft keine Marmeladenweine zu produzieren gedenke. «Die Erfahrung zeigt zwar, dass die konzentrierten, alkoholstarken Weine bei Vergleichsdegustationen besser abschneiden, aber als Essensbegleiter bereiten die eleganten, finessenreichen Weine einfach mehr Trinkspass.»
Dass Urs Pircher auch meint, was er sagt, beweisen seine Weissweine des Jahrgangs 2003. So präsentiert sich der Pinot gris nicht etwa ölig und fett, sondern fruchtig-frisch, mit einer gut ausbalancierten Säure. Knackig und rassig, jeder auf seine Art, sind auch der Riesling x Sylvaner, der Räuschling und der Gewürztraminer. Letzterer überrascht mit einem floralen, von Noten exotischer Früchte unterstrichenen Bouquet und im Gaumen mit einer trockenen Geradlinigkeit. Der Trockenbeere genannte, verführerische Süsswein, gekeltert aus angetrockneten Trauben der Sorten Riesling x Sylvaner, Räuschling und Gewürztraminer, rundet das Sortiment ab.
Wie viele seiner helvetischen Winzerkolleginnen und -kollegen sucht auch Urs Pircher neue Herausforderungen. So hat er versuchsweise einige kleinere Parzellen mit den roten Sorten Zweigelt, Lemberger (Blaufränkisch) und Regent sowie Cabernet Sauvignon und Cabernet franc bepflanzt. Ebenfalls vertreten ist der Rheinriesling, den Pircher besonders schätzt. Ob diese Versuche önologische Langzeitfolgen haben werden, ist zurzeit freilich noch offen.
Die Weine sind direkt ab Weingut erhältlich: Weingut Pircher, Stadtbergstrasse 368, Eglisau. Tel. 01 867 00 76; Fax 01 867 10 29.