Sie sind ehemaliger Handballer bei St. Otmar St. Gallen: Was ist schwieriger, einen Ball ins Tor zu bringen oder einen Outsourcing-Auftrag zu gewinnen?

Urs Stahlberger: Einen Outsourcing-Auftrag zu gewinnen ist schwieriger.

Wie schwierig war es, den aktuellen Auftrag der Fluggesellschaft Swiss zu gewinnen?

Stahlberger: Swiss ist ein sehr wichtiger Kunde für uns, und wir haben uns intensiv um diesen Auftrag bemüht. In der Endphase war sehr viel Detailarbeit nötig, um einen umfangreichen Vertrag unter Dach und Fach zu bringen.

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Die Swiss war sicher ein harter Verhandlungspartner?

Stahlberger: Ja.

Im Handball wird das Prinzip Fairness hochgehalten. Genau

diese spricht Ihre Konkurrenz Swisscom IT Services ab.

Stahlberger: Welche Konkurrenz?

Ihre direkten Mitbewerber. Es heisst, Sie betreiben Preisdumping.

Stahlberger: Was meinen Sie damit?

Der Vorwurf lautet, dass Sie nicht rentabel offerieren.

Stahlberger: Diese Unterstellung ist haltlos. Die Behauptungen werden auch nicht wahrer, wenn man sie ständig wiederholt. Unsere Deals sind mindestens kostendeckend. Und wenn sie es nicht sind, werden sie vom Verwaltungsrat abgelehnt.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates von Swisscom IT Services haben zusätzliche Funktionen innerhalb des Swisscom-Konzerns. Gibt es Interessens konflikte?

Stahlberger: Nein. Die Verwaltungsräte haben Einblick in die Rentabilität der grossen Outsourcing-Deals und wissen somit, welche Margen für die Dienstleistungen angemessen sind, die wir für die Swisscom-Gesellschaften erbringen.

Eine Quersubventionierung zwischen den lukrativen Swisscom-Kunden und Drittkunden findet also nicht statt?

Stahlberger: Es gibt keine Quersubventionierung im Swisscom-Konzern. Für andere Gruppengesellschaften wie Swisscom Mobile und Fixnet kommt es nicht in Frage, dass sie mit höheren Preisen andere Kunden finanzieren.

Aber in der Wirtschaft sind Quersubventionierungen doch gang und gäbe.

Stahlberger: In einer Unternehmensgruppe wie der Swisscom gibt es so etwas nicht. Denn jede Gesellschaft muss ihr eigenes Budget verantworten. Wir schaffen keine unkorrekten Verhältnisse auf dem Markt.

Dennoch stehen die Vorwürfe im Raum. Weshalb?

Stahlberger: Ich verstehe nicht, weshalb in einer Situation, in der es alle schwer haben im Markt und wir alle immer wieder Deals verlieren, reflexartig der Vorwurf der Unfair-ness kommt. Als langjähriger Sportler habe ich gelernt, wie man fair spielen muss. Diese Erfahrung wende ich heute an.

Das Wort Preisdumping fiel im Zusammenhang mit dem Outsourcing-Auftrag von Tamedia. Ihr Konkurrent T-Systems behauptete, den Auftrag bereits in der Tasche zu haben, dann erhielt doch Swisscom IT Services den Zuschlag.

Stahlberger: Ich will dies nicht im Detail kommentieren. Nur so viel: Die Verhandlungen zwischen Tamedia und T-Systems liefen offenbar in der Schlussphase nicht gut. Dann kam Tamedia auf uns zu und fragte uns, ob unsere früher eingereichte Offerte noch Bestand habe. Sie hatte.

Aber es benötigte ein telefonisches Gespräch von Swisscom-Chef Jens Alder mit Martin Kall, CEO Tamedia, damit die Verträge unterzeichnet werden konnten.

Stahlberger: Das stimmt nicht. Selbstverständlich hat der CEO von Swisscom mit dem CEO von Tamedia gesprochen, bevor der Entscheid in der ersten Phase zu Gunsten von T-Systems gefällt wurde. Danach kam Tamedia auf uns zu.

Ab welchem Jahr des Outsourcing-Deals mit Tamedia rechnen Sie mit schwarzen Zahlen?

Stahlberger: Ich gebe keine Detailangaben zu einzelnen Aufträgen. In den ersten zwei Jahren verdient man bei Auslagerungsgeschäften jedoch oft nichts, weil Investitionen anfallen. Erst danach werden Gewinne eingefahren.

Sie verdienen also mit jedem Kunden Geld?

Stahlberger: Ja. Innerhalb der Vertragslaufzeit verdienen wir mit jedem Kunden Geld - sofern wir unseren Job gut machen.

Sie gehen bei den Offerten also nicht auf volles Risiko?

Stahlberger: Nein. Andere Unternehmen unserer Branche vertreten die Ansicht, dass es keine Rolle spiele, wenn man innerhalb der Vertragslaufzeit Verlust schreibe, da auf einträgliche Vertragsverlängerungen spekuliert wird. Eine solche Haltung ist fahrlässig.

Swisscom IT Services schreibt dieses Jahr also einen Reingewinn?

Stahlberger: Ja.

Wie hoch wird er ausfallen?

Stahlberger: Dazu gebe ich keinen Kommentar ab.

Wie sieht es mit dem Umsatz aus?

Stahlberger: Im Gegensatz zu anderen Firmen habe ich keine Zielvorgabe, den Umsatz erhöhen zu müssen. Ich muss vielmehr unseren Swisscom-Gesellschaften beim Sparen helfen.

Und das heisst sinkender Umsatz.

Stahlberger: Das heisst sinkender Umsatz. Für die gleiche Leistung werden wir dieses Jahr und die nächsten Jahre weniger Geld erhalten. Davon profitieren die anderen Swisscom-Gesellschaften.

Swisscom und andere Kunden haben also weniger bezahlen müssen?

Stahlberger: Ja. Wir mussten Preisreduktionen vornehmen, die grösser sind als im einstelligen Prozentbereich.

Werden die Preise weiter sinken?

Stahlberger: Als wir die Verträge mit Swisscom erneuerten, mussten wir für die gesamte Laufzeit von drei Jahren Preiszugeständnisse machen. Das bedeutet, dass wir auch 2005 und 2006 bei diesen Kunden einen Umsatzrückgang verzeichnen werden. Deshalb mussten wir uns restrukturieren und massiv Kosten einsparen.

Bei den AGI-Banken und den Drittkunden verloren Sie in den ersten neun Monaten 2004 9% des Umsatzes. Nahm der Verlust bis Ende 2004 noch zu?

Stahlberger: Der Umsatzrückgang steigerte sich nicht mehr.

Die kleinen AGI-Banken, also Glarus, Appenzell und Nidwalden, wechseln ihre IT-Plattform - und damit auch Swisscom IT Services als Partner?

Stahlberger: Nein. Diese Banken haben gesagt, dass sie das Drittgeschäft mit uns machen. Die Verträge werden derzeit erarbeitet.

Und was ist mit den grösseren AGI-Banken wie der Luzerner oder der St. Galler Kantonalbank?

Stahlberger: Sie haben kommuniziert, dass sie ihre Plattform wechseln wollen. Alles andere ist offen.

Neben Swisscom und den AGI-Banken betreuen Sie auch weitere Drittkunden. Hier haben Sie angekündigt, bis Ende 2004 um 30% zu wachsen. Erreichen Sie die 63 Mio Fr.?

Stahlberger: Ja, wir liegen im Plan.

2005 wollen Sie mit Drittkunden ebenfalls um 20 bis 30% wachsen. Damit erreicht Swisscom IT Services einen Umsatz über 80 Mio Fr.?

Stahlberger: Ja, das ist unser Ziel.

Mit jedem neuen Outsourcing-Vertrag steigt auch die Zahl der Mitarbeitenden.

Stahlberger: Im Normalfall stimmt das. Wir rechnen deshalb bis 2007 mit einem Personalzuwachs auf 2350 Mitarbeitende. Momentan beschäftigen wir 2150 Personen.

Die SBB schreiben mit einem Volumen von mehreren 100 Mio Fr. das grösste Auslagerungs-Geschäft dieses Jahres aus. Gewinnen Sie den Auftrag, wird ihr Personalbestand kräftig anwachsen.

Stahlberger: Ich weiss nicht, um wie viele Personen es sich genau handelt, aber wir würden einige neue Mitarbeitende gewinnen.

Reizt Sie dieser Outsourcing-Deal?

Stahlberger: Es ist ein interessantes Geschäft, ja. Aber der Kampf wird hart werden. Denn der jetzige Provider, T-Systems, geht selbstverständlich mit einem Vorsprung an den Start.

Steht ein Preiskampf bevor?

Stahlberger: Der Sieger wird sicher keine exorbitante Marge haben. Trotzdem gehen wir mit vollem Einsatz hinter dieses Projekt - aber es muss sich am Schluss für uns rechnen.

Ist der Kampf um den SBB-Deal auch der vorläufige Höhepunkt im Duell zwischen Swisscom IT Services und T-Systems?

Stahlberger: Es stehen alle in den Startlöchern, nicht nur T-Systems und wir. Aber es kann durchaus sein, dass wir uns am Schluss gegenüberstehen.

Wie gross sind Ihre Chancen, den Auftrag zu gewinnen?

Stahlberger: Als alter Handballer halte ich es stets so: Ohne Aussicht auf den Sieg geht man nicht in einen Match.

Im Handball heisst es aber auch: Man muss alles geben.

Stahlberger: Wir werden alles geben. Nur das letzte Hemd lassen wir uns nicht ausziehen.

Wird der Entscheid, das Drittkundengeschäft so massiv auszubauen, vom gesamten Swisscom-Verwaltungsrat mitgetragen?

Stahlberger: Ich weiss nicht, mit welchen Mehrheitsverhältnissen der Swisscom-Verwaltungsrat seine Entscheidungen fällt. Unsere heutige Strategie ist aber breit abgestützt.

Aber es gibt auch kritische Stimmen innerhalb der Swisscom gegenüber der jetzt eingeschlagenen Expansionsstrategie.

Stahlberger: Es mag sein, dass es solche Stimmen gibt.

Swisscom IT Services steht also nicht unter einer besonderen internen Beobachtung?

Stahlberger: Ich bin jetzt seit 1970 in der Informatik-Branche. Es ist äusserst selten, dass das Telefon klingelt und jemand am Apparat ist, der einem Komplimente macht. In der Informatik kommen die Anrufe und E-Mails dann, wenn

es Probleme gibt. Man wird als IT-Provider nie der Liebling des Konzerns. Damit kann ich aber gut leben.