Wenn Ursula Renold den idealen Rucksack mitbringt für den Posten der Direktorin des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT), dann, weil ihre Laufbahn nicht gerade der Norm entspricht. Was sie geprägt hat, ist das Pendeln zwischen zwei Welten; der praktischen der Berufslehre und der theoretischen der Akademie.

So ist sie mit einer Banklehre ins Berufsleben eingestiegen, arbeitete unter anderem als Chefsekretärin, Schulleiterin der Handelsschule Akad, Oberassistentin an der ETH und als Direktorin des Schweizerischen Instituts für Berufspädagogik. Bevor sie Ende letzten Jahres an die Spitze des BBT wechselte, war sie bereits vier Jahre stellvertretende BBT-Direktorin.

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Dass sie aufgrund ihres Weges gut gewappnet ist, um die zwei Welten näher zusammenzubringen, ist aber mehr Zufall als Strategie. Renold hat selber nach dem Tipp gehandelt, den sie heute jungen Frauen geben würde: «Folgt euren Neigungen und macht, was euch Freude bereitet und nicht das, was ihr denkt, ihr müsstet es tun, weil es sich gehört oder weil es den grössten Nutzen bringen könnte.»

Sie gehörte zu den Jugendlichen, die nicht direkt die Kantonsschule besuchen wollten, sondern danach dürsteten, auf eigenen Füssen zu stehen. Weil sie wissen wollte, wie Geld funktioniert, war für sie schon früh klar, dass sie in einer Bank arbeiten wollte. Sie hat aber schnell gemerkt, dass sie dort nicht ewig bleiben werde zu gross war ihr Wissensdurst. Allerdings konnte sie sich auch nicht vorstellen, wieder Vollzeit die Schulbank zu drücken. «Ich brauche zwei Standbeine, das ist eines meiner Markenzeichen», erklärt Renold. Die damals 19-Jährige entschied sich für eine Erwachsenenmatur im Fernstudium mit dem Ziel, Handelslehrerin zu werden. Mitgeteilt habe sie das allerdings niemandem. Schliesslich habe sie ja nicht gewusst, ob sie das schaffe.

Ambitioniert, nicht verbissen

Wenn Renold heute sagt, auch wenn sie die gymnasiale Matur nicht bestanden hätte, so hätte sie auf dem beruflichen Weg weitergemacht, dann erklärt dies einiges von ihrer Lockerheit. Die Frau ist sehr wohl ambitioniert, aber verbissen ist sie überhaupt nicht.

Der Weg, den sie wählte, war kein Spaziergang: Sie erhielt kaum Unterstützung. Da war der Widerstand der Eltern gegen die Matur und die Zurückhaltung der Bank in Brugg, wo sie nur 80% arbeiten wollte. Doch Renold liess sich nicht abbringen von ihrem Ziel. Sie suchte sich in Zürich einen Job. Heute begründet sie ihre Eigenwilligkeit: «Ohne meinen Wissensdurst zu befriedigen und meinen Fragen nachgehen zu können, wäre ich nicht glücklich geworden.»

Angetan hätten es ihr besonders die Gesellschaftswissenschaften. Zwar hatte sie nach wie vor das Berufsziel, Handelslehrerin zu werden, doch langsam dominierte die Leidenschaft für die Geschichte dies trotz schlechtem Erlebnis in der Primarschule, wo der Lehrer ex cathedra und sehr autoritär unterrichtet habe. «Er wollte immer nur Zahlen wissen.» Sie hätte lieber historische Prozesse verstehen wollen, als Daten herunterzuleiern.

Je mehr Zeit sie die Nase in die Bücher steckte, desto schwieriger sei es gewesen, ihrem Umfeld zu erklären, wieso sie sich so viel mit sich selber beschäftige, sagt sie lachend. Schliesslich habe sie allen erklärt, dass sie die Matura nachhole. Nach vier Jahren Fernstudium war ihr klar: «Ich will mehr als nur die Matura.» Sie entschied sich für ein gesellschaftswissenschaftliches Studium Volkswirtschaft, Geschichte und Soziologie. Nebenbei unterrichtete sie an der Akad, stieg dort zur Schulleiterin auf und rutschte in weitere Managementpositionen.

Unkonventionelle Karriereverläufe scheinen in Renolds Familie üblich zu sein. Renolds um ein Jahr älterer Bruder jedenfalls lernte Maschinenzeichner und ist heute Profimusiker. Auch sie macht Musik mit Leidenschaft. Allerdings sei sie erst mit 40 Jahren auf den Geschmack gekommen. Damals habe sie das Saxophon als ihr Instrument und den Bruder als den massgeschneiderten Pädagogen entdeckt.

Sie spielt nun seit drei Jahren Saxophon. Jeweils jede zweite Woche übe sie abends drei Stunden in einem Quintett. Renold kommt auch am Sitz des BBT zum Üben. Auf dem Notenständer vor ihrem Büropult sind die Noten von «Pink Panther» aufgeschlagen. Auf die Frage, ob sich noch nie jemand an den Saxophontönen gestört habe, sagt Renold: «Abends um 21 Uhr ist meistens niemand mehr da.»

Die Frau hat viele Facetten. Auf den ersten Blick wirkt das Dissertationsthema, das die zweite Frau an der Spitze eines Bundesamtes ausgewählt hat, ein wenig feministisch. Der Titel heisst: «Wo das Männliche anfängt, da hört das Weibliche auf. Frauenbildungsdiskussion im Spiegel der sozioökonomischen Entwicklung.» Doch diesen Eindruck korrigiert Renold: «Ich bin keine Feministin, die denkt, sich für ihre Rechte wehren zu müssen. Aber es hat mich gestört, dass Frauen nicht dieselben Möglichkeiten haben wie Männer.»

Mit dem Thema Geschlechterunterschiede wird Renold auch als BBT-Chefin immer wieder konfrontiert. Manche Phänomene in der Berufsbildung, die sie heute erlebe, seien über 100 Jahre alt. Die rund 50 Frauen, die sie in ihrer Diss beschrieben habe, hätten bei jedem Beruf eine ideologische Auseinandersetzung darüber geführt, ob Frauen zu diesem Beruf fähig seien oder nicht.

«Wichtig ist die Leidenschaft»

Als Vorbilder nennt sie die Frauen, die sie in der Diss porträtiert habe. Sie hätten mit Eigeninitiative und ohne Stimmrecht wesentliche Arbeit für die Frauenberufsbildung geleistet. Darunter befand sich unter anderem die erste Zürcher Ärztin, die das Kinderspital gegründet hat. «Das waren Macherinnen, keine Ideologinnen», betont Renold.

Natürlich interessiert, welchen Weg Renold bezüglich Familie/ Karriere eingeschlagen hat. Aber Renold ist um den Entscheid «Kinder oder Karriere» gewissermassen herumgekommen. Sie wohnt seit 16 Jahren in einer WG zusammen mit einer Familie mit zwei Töchtern, die mitten in einer Lehre sind. Sie beteiligte sich gerne an der Miterziehung der Kinder. Die eigene Kinderfrage hat sich sozusagen tragischerweise von selbst beantwortet. Renolds Partner ist vor fünf Jahren an Krebs gestorben.

Wenn man Renold nach ihren Zielen innerhalb des BBT fragt, wird deutlich, dass es ihr um etwas anderes geht als darum, hübsche Zahlen zu präsentieren. Natürlich sollen so viele Junge wie möglich eine gute Berufsbildung erhalten. Doch sie legt auch Wert auf Nichtquantifizierbares: «Mir ist es ein Anliegen, dass nicht die Art der Ausbildung zählt. Wichtig soll sein, dass jeder seine Leidenschaft am Arbeitsplatz so einbringen kann, dass er einen möglichst grossen Beitrag an die Gesellschaft und Wirtschaft leisten kann.»

Obwohl oder gerade weil Berufe den Arbeitsalltag von Renold bestimmen, hat sie neben dem Job noch ganz andere Interessen. Da wäre ihr Rosengarten, den sie hegt und pflegt. Ein paar Jahre war sie politisch aktiv, und zwar als Mitglied der Grünen Partei im Brugger Einwohnerrat sie sei während des Tschernobyl-Vorfalls politisiert worden, heute jedoch parteilos.

Nicht zuletzt, weil sie sich selber einen eigenen Berufsweg gesucht hat, ist Renold offen für individuelle Lebenspfade, was mit der verstärkten Durchlässigkeit und Modulartigkeit der (Berufs-)Ausbildung leichter wird. Sie sei sich aufgrund ihres Lebenslaufes manchmal leicht exotisch vorgekommen. Denn gleichzeitig Volkswirtschaft und Geschichte zu studieren, sei für gewisse Mitstudenten ein Totalwiderspruch gewesen. «Ich gehörte weder ganz zu den einen noch zu den anderen das Weder-noch hat mich bereichert.»

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Steckbrief: Bildungsinsiderin mit Flair für Rosen

Name: Ursula Renold

Funktion: Direktorin BBT

Geboren: 1961

Zivilstand: Ledig

Ausbildung: KV-Lehre, Lizenziat, Promotion in Geschichte 1998

Karriere

- 1990-1993 Schulleiterin Handelsschule AKAD, Oberassistentin ETHZ - - -1995-2000 Frey Akademie, Zürich, Leitung HR, Geschäftsleiterin

- 2000-2005 Direktorin Schweizerisches Institut für Berufspädagogik, seit 2001 stv. Direktorin BBT

- Seit 2005 Direktorin BBT

Institution: Bundesamt für Berufsbildung (BBT)

Das BBT ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Fragen der Berufsbildung, der Fachhochschulen und der Innovationspolitik. Im Amt sind 250 Angestellte beschäftigt. Aktuell im Bereich Berufsbildung sind das neue Berufsbildungsgesetz und Massnahmen zur Erhöhung des Lehrstellenangebots sowie die Entwicklung neuer Lehren und der Berufsmaturität. Die Innovationsförderung KTI soll Hochschulen und Unternehmen aktiv näher bringen und den Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen und der Wirtschaft intensivieren.