Amerikanische Kriegsveteranen erheben schwere Vorwürfe gegen den Basler Giganten Roche, die Schaffhauser Pharmafirma Cilag, deren Mutterkonzern Johnson & Johnson sowie weitere Pharmakonzerne. Die Unternehmen sollen terroristische Organisationen im Irak indirekt finanziert haben, heisst es in einer Klage, die am Dienstag in Washington D.C. eingereicht wurde. Die Klageschrift führt rund drei Dutzend Veteranen und deren Angehörige als Kläger auf. Sie fordern Schadenersatz in ungenannter Höhe.

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Die Pharmafirmen, so der Vorwurf, seien mitverantwortlich für den Tod hunderter Amerikaner und die Verwundung von tausenden US-Soldaten. Die Rede ist von kostenlosen Medikamentenlieferungen an das irakische Gesundheitsministerium. Die Offiziellen sollen den Profit aus den Gratislieferungen in Waffen und Sprengsätze gesteckt haben. Roche und Cilag hätten gewusst oder fahrlässig ignoriert, dass ihre Geschäftsbeziehung eine Gruppe finanziere, die mit Hilfe der libanesischen Hisbollah und des Irans amerikanische Armeeangehörige töte.

Übliche Praxis

Roche will sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äussern. «Wie üblich kommentieren wir laufende Gerichtsverfahren nicht», sagt eine Sprecherin. Die Schaffhauser Pharmafirma Cilag verweist auf einen Sprecher des Mutterkonzerns Johnson & Johnson. Dieser liess eine schriftliche Anfrage unbeantwortet.

Die Klageschrift umfasst 203 Seiten. Die darin erhobenen Vorwürfe stützen sich auf öffentliche Quellen, Informationen aus Sicherheitskreisen, Wikileaks-Dokumente und Augenzeugenberichte. Die Vorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 2005 und 2009.

Ursprung bei Saddam

Die fragliche Geschäftspraxis hat ihren Ursprung im Regime des 2003 von der US- Armee gestürzten Diktators Saddam Hussein, heisst es zu Beginn der Klageschrift. Unter seiner Regentschaft habe sich ein System illegaler Schmiergelder etabliert. Im Fokus: die UN-Initiative «Öl für Lebensmittel». Das Programm erlaubte dem Irak, Öl zu exportieren und für den Erlös humanitäre Güter im Ausland zu kaufen, namentlich Lebensmittel und Medikamente.

Saddam missbrauchte das Programm, um Gelder abzuzweigen. Jede Firma, die in den Irak lieferte, musste zehn Prozent des Warenwertes als Kickback an das Regime abliefern. So flossen fast 2 Milliarden Dollar in die Kassen von Saddam Hussein.

Hilfe vom Hisbollah

Nach dem Sturz des Diktators flog die Praxis auf, Behörden weltweit beschäftigten sich mit dem Skandal. Im Irak änderte sich allerdings nichts. Das Gesundheitsministerium bestand auch in der Post-Saddam-Ära auf Kickback-Zahlungen. Und Roche zeigte sich laut Klageschrift bereit, mitzumachen.

Ab 2004 war das Gesundheitsministerium unter Kontrolle der Mahdi-Armee von Muqtada al-Sadr. Der Mahdi-Armee werden schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Mit 60'000 Mann war sie zwischenzeitlich der gefürchtetste Gegner der USA im Irak.

Schiitenführer mit Importmonopol

Das Gesundheitsministerium war die «Goldmine» von Sadr, wie ein Insider in der Klageschrift sagt. Der militante Schiitenführer hatte ein Monopol für den Import und die Distribution von Medikamenten im Land. Er hat das System von Saddam Hussein perfektioniert. Die Kickback-Zahlungen verdoppelten sich. Um in den Irak zu liefern, musste eine Firma bereit sein, zu jeder Medikamentenlieferung ein paar Gratismedikamente extra mitzuliefern. Diese verscherbelten Sadrs Gefolgsmänner auf dem Schwarzmarkt. Oder sie benutzten die Pillen als Zahlungsmittel.

Es ist nicht das erste Mal, dass Roche wegen Medikamentenlieferungen in den Irak ins Visier der Justiz geraten ist. Als die Praxis von Saddam Hussein ruchbar wurde, ermittelte die Bundesanwaltschaft gegen rund drei Dutzend Schweizer Firmen – darunter Roche und Novartis. Die Schweizer Behörden zogen damals 17 Millionen Franken ein. Novartis wird in der Klage der US-Veteranen nicht erwähnt.