Wenn Walter Robb heute in den Urlaub fährt, müsste er seine Arbeit als Co-Chef von Whole Foods Market Inc. erst wieder im März aufnehmen - des Jahres 2017. Robb hat 2703 Stunden bezahlter Freistellung angesammelt, seit er im Jahr 1991 bei der Supermarktkette angefangen hat. In 8-Stunden-Schichten berechnet ergibt das 338 Tage, die er freinehmen oder sich ausbezahlen lassen kann.

Whole Foods gehört zu den wenigen Unternehmen in den Vereinigten Staaten, bei denen ausstehende Urlaubstage nicht verfallen und von den Mitarbeitern Jahr um Jahr mitgezogen werden können. Doch Robb steht mit seinem Widerwillen, die Ferientage zu nehmen, nicht allein da.

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Unbeanspruchte Urlaubstage auszahlen lassen

In Aktionärsinformationen werden unbeanspruchte Urlaubstage aufgerechnet. Steven Mollenkopf, Chef von Qualcomm Inc., kam in jedem Geschäftsjahr seit 2010 auf einen Urlaubsrückstand im Wert von mindestens 121'000 Dollar (rund 111.500 Euro) zurückgreifen, während R. Milton Johnson von HCA Holdings Inc. Ende des vergangenen Jahres 152'308 Dollar angehäuft hatte. Tim Cook von Apple Inc. wurden 2014 für nicht genutzte Urlaubstage 56'923 Dollar ausgezahlt.

«Mit der heutigen Technologie kann man das vergessen - man hat niemals frei», sagt Jon Luther, früher Chef von Dunkin’ Brands Group Inc. Er habe zwar Urlaub genommen, doch die Morgen in der Regel am Telefon verbracht und sei erst dann in einen Erholungsmodus gewechselt. Seiner Einschätzung nach ist es gefährlich, keine Freizeit einzuplanen: «Man muss dafür sorgen, gelegentlich auch mal rauszukommen, um tief durchzuatmen und die Batterien aufzuladen.»

Keine bezahlte Freizeit in den USA

Eigentlich sollte es den Amerikanern leicht fallen, ihren Urlaubsanspruch aufzubrauchen, weil es - relativ gesehen - so wenig davon gibt. Die US-Arbeitgeber gestehen ihren Spitzenmanagern zwischen 15 und 25 Tagen im Jahr zu, basierend auf einer Umfrage von Vistage Worldwide Inc. In anderen Ländern wie Grossbritannien und Schweden sieht das Gesetz vor, dass alle Mitarbeiter etwa fünf Wochen Urlaub erhalten.

Tatsächlich sind die Vereinigten Staaten das einzige Industrieland, das keine bezahlte Freizeit vorschreibt, zeigt ein Bericht des Center for Economic and Policy Research. Zusammen mit urlaubsscheuen Bossen könne das für eine Unternehmenskultur sorgen, «in der die Angestellten verunsichert sind, ob sie in die Ferien fahren sollen», sagt Eden Abrahams, geschäftsführender Partner bei Clear Path Executive Coaching.

Unbegrenzter Urlaub - wenn man sich traut

Eine Handvoll US-Firmen geht ins andere Extrem: unbegrenzter Urlaub. Das bedeutet, dass die Angestellten so viele Tage freinehmen können, wie sie möchten - oder sich trauen. Netflix Inc. führte diese Richtlinie im Jahr 2014 ein und andere Unternehmen in Silicon Valley wie Uber Technologies Inc. und Reddit Inc. übernahmen das Konzept. Netflix-Chef Reed Hastings sagte auf der New York Times Dealbook Conference im November, er nehme sich etwa sechs Wochen pro Jahr frei und behandle das «intern ganz offen, um ein gutes Beispiel zu setzen».

Mehr als 1200 Stunden auf dem Urlaubskonto

Bei Whole Foods hatten alle der sieben ranghöchsten Führungskräfte - darunter Mitbegründer und Co-Chef John Mackey sowie Finanzchefin Glenda Flanagan - bis September vergangenen Jahres mehr als 1200 Stunden auf ihrem Urlaubskonto angesammelt, zeigt das jüngste Informationsformular an die SEC, das für die Aktionäre gedacht ist.

Die Summe, die «sie angesammelt haben, spiegelt grösstenteils die Jahrzehnte wider, die sie dem Dienst an Whole Foods Market gewidmet haben», erklärt Unternehmenssprecher Michael Silverman in einer E-Mail. Sprecher von Qualcomm, HCA und Apple wollten sich nicht zu Urlaubstagen ihrer Führungskräfte äussern.

Ungenutzte Urlaubsansprüche auszahlen oder nehmen

Angestellte bei Whole Foods haben die Wahl: sie können sich ausstehende Urlaubstage einmal pro Jahr zu 75 Prozent des anfallenden Wertes auszahlen lassen oder sie beziehen die volle Summe auf einen Schlag, wenn das Arbeitsverhältnis endet.

«Wenn der Mann an der Spitze einige Hunderttausend Dollar für ungenutzte Urlaubsansprüche kassiert, dann sendet das eine Botschaft an die anderen Menschen in der Organisation: ’Das sollten wir auch tun’», erklärt Michael Molina, Personalchef bei Vistage. Die Führungskräfte sollten sich seiner Auffassung nach verpflichtet fühlen, ein Vorbild zu sein; daher versuche er, seinen vierwöchigen Jahresurlaub immer zu nehmen.

Freizunehmen ist in bestimmten Situationen unklug

In bestimmten Situationen, als neuer Mitarbeiter oder in Krisenzeiten, kann es unmöglich - oder unklug - sein, sich freizunehmen, sagt Luther. Er ist Direktor bei Six Flags Entertainment Corp. seit das Unternehmen 2010 aus der Insolvenz kam. «In den Vergütungsausschüssen gibt es laufend Diskussionen, um zu gewährleisten, dass niemand einen Burnout erleidet.»

In kleineren Unternehmen kann es schwieriger sein zu verschwinden. So ist es für Deb Erickson, Gründerin der Firma The Line Up, die Cheerleader-Kostüme für die Football-Teams Minnesota Vikings und Baltimore Ravens herstellt, nach eigener Aussage ein Glücksfall, wenn sie sich mal ein paar Wochen freinehmen kann, weil für sie kaum jemand einspringen kann. Urlaubspläne hat Erickson derzeit nicht, aber sie kann träumen.

«Ich würde irgendwo nach Europa gehen», sagt sie. «Irgendwo weit genug weg, dass niemand einen erreichen kann.»

(bloomberg/ccr)