Der «Durchschnittsamerikaner» hat 7,6 Kreditkarten im Portemonnaie. Laut Cardweb.com, einem Informationsdienstleister rund ums Plastikgeld, sind 2,7 davon Kreditkarten und 1,1 EC- sowie Kontokarten von Banken. Weitere 3,8 erlauben Käufe auf Pump bei Detailhändlern. Insgesamt geht auf das Konto amerikanischer Kreditkarteninhaber rund die Hälfte des weltweiten Kreditkartenumsatzes. Dass die amerikanischen Konsumenten von diesem Kartenangebot sowie weiteren Konsumkrediten regen Gebrauch machen und die Wirtschaft ankurbeln, ist ganz im Sinne von Fed-Chef Alan Greenspan.
Wachsender Schuldenberg
Zinsen auf rekordtiefem Niveau haben dafür gesorgt, dass Amerikaner auch im Konjunkturloch fleissig Geld ausgegeben haben. Derzeit stehen die Konsumenten laut Federal Reserve mit insgesamt fast 2 Billionen Dollar in der Kreide, rund 300 Mrd mehr als noch vor drei Jahren. Im gleichen Zeitraum ist der Zinssatz für einen Privatkredit bei einer Bank mit zwei Jahren Laufzeit von rund 13,9% auf 11,95% gesunken. Entscheidender als dieser Satz war jedoch der Hypothekarzins, der für eine 15-jährige Festzinshypothek von 7,7% im Jahr 2000 auf derzeit etwa 5,2% gefallen ist. Dies hatte zwei Effekte: Zum einen stieg der Anteil der Eigenheimbesitzer um rund 1,5 Prozentpunkte auf 68,5%, zum andern lösten die tiefen Zinsen einen Refinanzierungs-Boom bei den Hypotheken aus. Letzteres gepaart mit steigenden Immobilienpreisen, die eine Aufstockung der Hypothek oder zusätzliche durch Eigentum besicherte Kredite ermöglichten, erhöhte die Liquidität der Amerikaner spürbar und finanzierte den Konsum indirekt. Für die 1- bis 4-Familien-Häuser sind laut der Mortgage Bankers Association gegen 7 Billionen Dollar an Hypotheken ausstehend, Ende 2000 waren es noch 5,2 Billionen.
Diese zusätzlichen Mittel, die nicht auf das Konto der Konsumkredite gehen, wurden einerseits für grössere und kleinere Investitionen ins Eigenheim aufgewandt, anderseits wurden damit aber auch Kreditkarten- sowie andere Konsumkreditschulden abbezahlt, wie Greenspan in einer Rede im März dieses Jahres ausführte. Dies machte Sinn, weil die unbesicherten Konsumkredite deutlich teurer sind als Immobilienkredite. Der Schuldenberg wuchs aber dennoch. Dies liegt hauptsächlich an einmaligen Kreditaufnahmen, besonders für Autos oder Ausbildung. Diese Kategorie macht rund zwei Drittel des gesamten Konsumkreditbestandes aus und wuchs seit 2000 mit 21% fast doppelt so stark wie die Summe der revolvierenden Kredite.
Kredite fast geschenkt
Trotz der wachsenden Verschuldung der Konsumenten ist die finanzielle Belastung der Haushalte aber erstaunlich konstant geblieben. In den vergangenen rund zwei Jahrzehnten wuchs laut Federal Reserve die Financial Obligation Ratio (FOR), welche die finanziellen Zahlungsverpflichtungen aus Zinsen und Amortisation in Relation zum Haushaltseinkommen nach Steuern misst, von rund 16% auf 18%. Dies wurde in erster Linie durch Umschichtungen in günstigere Kreditkategorien erreicht, insbesondere bei den Hypotheken. Gleichzeitig sei auch daran erinnert, dass z.B. Autohersteller in den USA die Kaufpreisfinanzierung inzwischen zu einem äusserst niedrigen Zins oder gar zu 0% ermöglichen. Eine Analyse der Federal Reserve zeigt jedoch, dass zwischen den einzelnen Haushalten grosse Unterschiede bestehen. So liegt die FOR bei Eigenheimbesitzern mit 14% deutlich tiefer als etwa bei Mietern mit rund 29%. Interessant ist zudem die Differenzierung nach Eigenheimbesitzern, die sich bereits vor der Tiefzinsphase Wohneigentum leisten konnten, und den Neueigentümern. Wird letztere Gruppe ausgeschlossen, liegt die FOR der Eigentümer bei 11%.
Steigende Zinsen
Ginge es nach den Hypothekarinstituten, Kreditkartenemittenten und den Autobauern, so könnte das Wachstum bei der Verschuldung des amerikanischen Konsumenten wohl noch lange so weitergehen. Fast täglich flattern einem in den USA zum Beispiel Sendungen von Banken wie Chase Manhattan in den Briefkasten, die dem Empfänger stolz verkünden, dass die Ausstellung einer Kreditkarte bereits zum Vornherein genehmigt sei (natürlich behält sich die Bank vor, die Genehmigung bei Interesse des Empfängers und genauerer Prüfung seiner Daten nochmals zu überdenken).
Gary Gordon, Chef-US-Aktienstratege bei UBS, geht in einer unlängst erstellten Studie jedenfalls nicht davon aus, dass die US-Konsumenten sich noch mehr Pump leisten können. Sein Team prognostiziert einen ungesunden Anstieg der Schuldenlast in einem steigenden Zins-Szenario. Dies würde letztlich zu höheren Kreditausfällen führen und ist daher generell nicht wünschenswert.
Wenig beeindruckt von der Diskussion um in Zukunft steigende Zinsen zeigt sich David Robertson von Nilson Report, einem Informationsdienstleister für Konsumentenzahlungssysteme. Seiner Meinung nach sind die Zinsen derart tief, dass es ziemlich lange dauern wird, bis das Zinsniveau die Konsumenten davon abhalten wird, für Einkäufe die Kreditkarte zu zücken. Viel wichtiger sind gemäss seinen Beobachtungen die Beschäftigungssituation, die Konjunktur und das Konsumentenvertrauen. Zahlungsausfälle erwartet Robertson eher bei einer schlechten Arbeitsmarktsituation denn bei steigenden Zinsen. Mit der wachsenden Hoffnung, dass die Konjunktur nun doch endlich an Fahrt gewinnt, könnte nach seiner Analyse damit ein weiteres Wachstum der Konsumentenschulden ins Haus stehen. Steigt das Lohnniveau im Gleichschritt, wären damit für längere Zeit keine Probleme zu erwarten.
Gebremster Fall
Auf einem anderen Blatt steht jedoch die Frage, wer die Kredite finanziert. In den vergangenen Jahren wuchs der Anteil der ausländischen Gläubiger, doch scheinen diese in jüngerer Zeit das Interesse eher etwas verloren zu haben. Ein sinkender Dollar ist der Attraktivität von Investitionen im Greenback auch nicht zuträglich, weshalb Ausländer in Zukunft höhere Zinsen für weiteres Kapital verlangen könnten. Das könnte das Wachstum des Schuldenberges bremsen.
Für die US-Wirtschaft bedeutet ein daraus resultierender tieferer Konsum aber nicht zwingend Ungemach. Die konjunkturelle Notwendigkeit einer zunehmenden Verschuldung der US-Haushalte zu Konsumzwecken könnte gerade bei einer stärkeren US-Wirtschaft sinken, wenn Unternehmen den Konsumausfall der Haushalte kompensieren. Zu tief könnte der Fall dabei ohnehin nicht sein. Vielfach wurde in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass sich in den USA in den vergangenen Jahren die Perzeption der Konsumenten, was zum Grundbedarf gehört, deutlich nach oben verschoben hat. Für zukünftigen Konsum wäre damit auch weiterhin gesorgt.