Wer das Twitterprofil von Vasant «Vas» Narasimhan betrachtet, bekommt den Eindruck: Er ist ein guter Mensch. Die Tweets der letzten Zeit, die ihn selbst betreffen, handeln vom Kampf gegen Malaria und einem Besuch in Ghana, um im Auftrag der Novartis Stiftung das Telemedizin-Programm voranzubringen. Das zeichnet wenig das Bild eines karrierebesessenen Pharma-Managers, das man erwarten mag bei jemandem, der es mit 41 Jahren an die Spitze des grössten Pharmakonzerns der Welt geschafft hat. Denn das ist Narasimhans künftiger Job: Am 1. Februar 2018 übernimmt er den Spitzenposten von Joe Jimenez, der am Montag seinen Rücktritt erklärt hat.
Es zeichnet vielmehr das Bild eines Menschen, der sich mit Ernsthaftigkeit und Engagement für grössere Ziele einsetzt. Dazu sei gesagt: Narasimhan hat sich bereits in Afrika gegen Malaria eingesetzt, als es Twitter noch gar nicht gab (und vor seiner Ernennung zum Novartis-Chef hatte er ganze 495 Follower).
Heiratsantrag auf dem Kilimandscharo
Tatsächlich arbeitete der US-Amerikaner mit indischen Wurzeln seit seinem Studium an der Universität von Chicago an Projekten in Entwicklungsländern. Gemeinsam mit seiner heutigen Frau Srishti Gupta, einer hochqualifizierten McKinsey-Beraterin, unterstützte er zu jener Zeit zum Beispiel Strassenkinder in Kalkutta. Seinen Heiratsantrag machte ihr Narasimhan auf dem Kilimandscharo, nachdem sie ein Projekt in Tansania beendet hatten. Srishti Gupta war ein wenig höhenkrank, als Narasimhan sie bat, seine Frau zu werden. Gegenüber der New York Times sagte sie 2003: «Er wusste nicht, ob ich ‹Ja› sagte, weil ich es meinte, oder nur, weil ich wieder vom Berg runter wollte.»
Doch bei aller Romantik ist Narasimhan kein mildtätiger Gutmensch – er hat sich früh zum Ziel gesetzt, breit zu wirken. Er habe «den grösstmöglichen Einfluss auf das öffentliche Gesundheitswesen» nehmen wollen, beschrieb Narasimhan seine Motivation im vergangenen Jahr gegenüber dem Branchenportal «ParmExec», von dem er als Führungstalent in der Pharmabranche porträtiert wurde.
Doppel-Abschluss in Harvard
Darum entschied sich Narasimhan auch gleich für einen Doppel-Abschluss in Harvard: Die medizinische Ausbildung an der Harvard Medical School ergänzte er mit einem Master in Public Policy an der John F. Kennedy School of Government. Um das Führen zu lernen, arbeitete er für zwei Jahre als Berater bei McKinsey. Seine Frau ist dort bis heute tätig, gemeinsam mit ihren beiden Kindern leben sie in Basel.
Im Jahr 2005 begann Narasimhan, für Novartis zu arbeiten. Er arbeitete zunächst am Aufbau der Medikamentenpipeline, später wurde er Leiter der Impfstoffentwicklung in den USA. Er war es, der die Bereitstellung der Impfstoffe gegen die Schweinegrippe-Pandemie (H1N1) verantwortete, die 2009 ihren Schrecken verbreitete.
Betroffen vom Verkauf der Impfstoff-Sparte
Als Impfstoff-Chef in den USA war Narasimhan allerdings betroffen vom Milliardenumbau bei Novartis im Jahr 2015: Während die Basler ihre Impfstoffsparte für gut 7 Milliarden Dollar an GlaxoSmithKline verkauften, übernahmen sie den Krebsmedikamente-Bereich der Briten für gut 16 Milliarden Dollar. Ein Schritt, der Novartis viel Geld einbrachte, für Narasimhan aber zunächst zu verkraften war. «Es hat Zeit gebraucht, um mit diesem Schritt umzugehen, aber letzten Endes war es die richtige Entscheidung», sagte er gegenüber «PharmExec».
Narasimhans Karriere hat der Abschied von den Impfstoffen allerdings keineswegs geschadet – seit Februar 2016 hatte er die Position als Global Head of Drug Development and Chief Medical Officer inne. In dieser Position hatte Narasimhan bereits Verantwortung für gut 10'000 Mitarbeiter und mehr als 140 Projekte. Seine Managementdevise dabei: «Ich verwende viel Zeit darauf, die Top 200 Leute auszuwählen.» In einem grossen Unternehmen sei die Top-Kraft nur so gut wie das jeweils unmittelbare Team und das Team darum – denn diese Mitarbeiter seien es, die die eigenen Ziele voranbringen würden.
Wahl in die «Top 40 unter 40»
Mit Narasimhan übernimmt an der Novartis-Spitze ein überraschender Kandidat, auch wenn seine Karriere in der Branche bereits eng beobachtet wurde und er vom US-Magazin «Forbes» 2015 zu den «Top 40 unter 40» gezählt wurde. Mit der Entscheidung für ihn wird die Entwicklung fortgesetzt, dass Nicht-Schweizer den Basler Pharmakonzern lenken.
Anders als Joe Jimenez ist Narasimhan aber ein Brancheninsider. Jimenez, der einen Grossteil seiner Karriere im Foodsektor verbracht hatte, sagte zum Antritt, gerade sein «Blick von aussen» würde ihm die notwendige Klarheit geben. In mancherlei Hinsicht stimmt das: Der Aktienkurs von Novartis hat seit seinem Start als Konzernchef um 40 Prozent zugelegt, etwas mehr als Roche im gleichen Zeitraum. Nach der Nachricht stieg der Titel ganz leicht schwächer ein, bei 80.60 Franken, -0,3 Prozent.
Mit Narasimhan steht ab 1. Februar 2018 wieder ein Mediziner an der Spitze. Auf ihn warten grosse Aufgaben. Novartis hat mit der Zulassung der gentherapeutischen Krebstheraphie Kymriah soeben einen grossen Erfolg gefeiert. Der Aufbau der Krebssparte ist ein Kernthema für den Pharmariesen. Narasimhan muss den Konzern fit für die Zukunft machen, wichtige Projekte angehen und die Aktionäre zufriedenstellen. Daran wird er sich beweisen können.
Vas Narasimhan in einer Novartis-Botschaft: