Auch in der Grillsaison müssen Vegetarier nicht Aussenseiter sein», sagt Katharina Läuffer, Geschäftsleiterin der Vegi-Service AG. In der Tat sehen viele vegetarische Fleischersatzprodukte nicht nur aus wie etwa eine Bratwurst, ein Schnitzel oder ein Hotdog. Sie schmecken überdies auch fast wie das Original.

Läuffers Betrieb in Neukirch stellt unter dem Label Vegusto 40 verschiedene Produkte basierend auf verschiedenen Pflanzeneiweissen her. «Der Trend bei den Produkten geht in Richtung Fleischähnliches», erklärt sie. Zwar ist sie seit 15 Jahren Vegetarierin, doch eigentlich habe sie früher gerne Fleisch gegessen. «Darum habe ich auch den Ehrgeiz, möglichst nahe ans Fleisch heranzukommen und den Produkten geräucherte und würzige Noten zu geben.»

Auch mit den Produkten der marktführenden Vegi-Line Cornatur von Migros ist es schon manchem Hobbykoch gelungen, das Vegi-Mahl als Fleischspeise auszugeben, weil die Konsistenz und Textur der Produkte mit jener von Fleisch fast zu verwechseln sind. Das rapide Wachstum des Fleischersatzmarktes ist denn auch der steigenden Zahl von Teilzeitvegetariern zu verdanken - also ernährungsbewussten Fleischkonsumenten, die vermehrt auf Fleisch verzichten. Der Vegi-Markt legte letztes Jahr im Detailhandel um 7,5% auf 33,7 Mio Fr. zu - eine für den Foodbereich traumhafte Wachstumsrate.

*Viele sind Teilzeitvegetarier*

Die Ernährungstrends bergen ein grosses Potenzial für diesen Markt: Laut Migros nennt sich rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung Teilzeitvegetarier. Der Anteil der Haushalte, die vegetarische Produkte kauft, hat sich von 14,3% im Jahr 1999 auf 19,2% im letzten Jahr erhöht, wie Erhebungen des Marktforschungsinstituts IHA/GfK zeigen (siehe Grafik). Auf 1636 t Vegi-Produkte, die 2004 im Detaihandel verkauft wurden, kamen schätzungsweise noch 2500 t in der Gastronomie hinzu.

Migros hat mit der Einführung der Cornatur-Linie vor zehn Jahren und mit der exklusiven Lizenz für den Vertrieb der auf einem Pilzprotein basierenden Quorn-Produkte die Nase weit vor Coop. Mit rund 32 Cornatur-Spezialitäten deckt Migros 70% des Schweizer Marktes ab. Letztes Jahr resultierte ein Umsatzplus von 10%.

Die Hälfte der Migros-Verkäufe basiert auf Quorn. Dieses wird in Grossbritannien durch einen Fermentier-Prozess von Pilzeiweiss von Marlow Foods hergestellt und dann vom Schweizer Pouletfabrikant Fredag verfeinert und abgepackt. Profit macht Fredag aber weniger mit der Veredelung von Quorn als mit den Produkten, die sie basierend Soya, Weizen und Tofu selber herstellt. Beliefert wird damit nicht nur die Migros, sondern auch Coop, wo sie unter der Marke Betty Bossy vegetal laufen.

*Migros mit Quasimonopol*

Es scheint, als ob sich Migros mit der jeweils auf zwei Jahre befristeten Exklusivlizenz für den Quorn-Vertrieb seine Vormachtstellung gekauft hat - gemäss IHA/GfK hatte Migros 1999 erst einen Marktanteil von 64%. Doch bei Coop will man nichts von Marktanteilen wissen, da sich die Produkte nicht vergleichen liessen. Dass sich Coop selber um eine Quorn-Lizenz bemüht hat, stellt Coop-Sprecher Jörg Birnstiel in Abrede. In Anspielung auf den Rohstoff und Herstellungsprozess von Quorn, sagt Birnstiel, dass Coop lieber auf klassische Vegi-Produkte setze, basierend auf Pflanzen, die in der Natur wachsen, als auf Fabriziertes. Die Coop-Vegi-Produkte werden neben Fredag auch von Bernatur, Bell Convenience und Baer hergestellt.

Dass Vegi-Produkte nun auch bei den Grossverteilern selbstverständlich sind, scheint nicht alle zu freuen. AW Dänzer, der Erfinder von Soyana, welche 1981 als erstes Schweizer Unternehmen eine Fleischalternative anbot und inzwischen 130 Bio-Vegi-Lebensmittel im Sortiment hat, kritisiert die Oligopolsituation der Grossverteiler und will keine Informationen herausrücken.

Obwohl vegetarische Produkte vergleichsweise teuer sind - Quorn-Geschnetzeltes kostet laut dem Pouletfabrikant Fredag drei Mal soviel wie Pouletgeschnetzeltes -, grosse Margen lassen sich damit nicht erzielen. «Grund für die hohen Preise von Quorn sind der teure Herstellungsprozess sowie die Forschung und Entwicklung», sagt Barry Saunders von Marlow Foods. Das britische Unternehmen erzielte letztes Jahr mit 350 Angestellten einen Umsatz von 182,2 Mio Fr. und einen Betriebsgewinn (Ebit) von 10 Mio Fr. Es ist das grösste europäische Unternehmen im Fleischersatzmarkt - die einzigen ernst zu nehmenden internationalen Konkurrenten sind Kraft (in den USA) und die israelische Tivall.

*Magere Margen*

Für die Schweizer Produzenten gibt es zwei Hauptgründe, wieso die Vegi-Produkte keine Goldgrube sind: Erstens liegt es laut Fredag-Geschäftsführer Remo Hansen am teuren Rohstoff. Und es sei schwierig, noch nicht genverändertes Soya zu erhalten.

Zweitens führt die Vegi-Service-Chefin die hohen Preise auf die kleinen Produktionsmengen zurück. Wenn neben den Reformhäusern die Hälfte der Vegusto-Produkte nicht direkt, ohne dass Zwischenhändler mitverdienen, vertrieben werden könnten, wäre das Geschäft kaum profitabel.

*Den Franzosen voraus*

Überraschend angesichts der hageren Gewinne - alle Produzenten wollen im grösseren Stil expandieren: Fredag, die 160 Angestellte beschäftigt, plant, noch in diesem Jahr Vegi-Produkte nach Frankreich zu exportieren, wie Geschäftsführer Hansen sagt. Er ist überzeugt: «In der Herstellungstechnologie sind wir dem Ausland zwei bis drei Jahre voraus.»

Auch Vegi-Service will ausbauen; Läuffer hat schon mehrmals Gespräche mit Migros über die Aufnahme ins Sortiment geführt. Saunders von Marlow Foods wiederum ist überzeugt, in der Schweiz noch mehr Teilzeitvegetarier gewinnen zu können. Die Briten sind auch im Begriff, die Marktanteile in Schweden (47%), Holland (23%), Belgien (50%) und in weiteren europäischen Ländern zu steigern.

Wesentlich für den Erfolg der Vegi-Produkte sind nicht nur die Foodskandale, während derer so manche vom Fleisch abkommen, sondern auch das steigende Ernährungsbewusstsein und die Akzeptanz der Vegetarier. «Die Nachfrage nach V-Labels - die Kennzeichnung für vegetarische Produkte - zieht an», sagt Renato Pichler, Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Vegetarismus, welche die Labels in der Schweiz vergibt.

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