Nach einem jahrelangen juristischen Tauziehen will ein deutsches Gericht am 22. Mai über eine millionenschwere Schadenersatzklage des Drogerie-Unternehmers Erwin Müller gegen die Schweizer Bank J. Safra Sarasin entscheiden. Das gab das Landgericht Ulm (Baden-Württemberg) am Montag nach der Eröffnung der Verhandlung bekannt. Müller fordert von der Bank Schadenersatz in Höhe von 45 Millionen Euro wegen angeblicher Falschberatung bei einer Investition in den Luxemburger Sheridan-Fonds.
Das Institut bestritt den Vorwurf der Falschberatung. Der 84-jährige Müller erschien nicht vor Gericht. Er liess sich von seinem Anwalt Eckardt Seith vertreten. Der Milliardär, dessen in Ulm ansässige Drogerie-Kette mehr als 750 Filialen in Deutschland und anderen Länder umfasst, klagt als Privatmann. Er will von der Schweizer Bank im Unklaren über die enormen Risiken des Sheridan-Fonds gelassen worden sein.
Anwalt: Erscheinen von Müller nicht nötig
Ihm sei eine Rendite von zwölf Prozent in Aussicht gestellt worden, aber es sei keine Aufklärung über das tatsächliche Geschäftsmodell des Fonds erfolgt, machte Müllers Anwalt geltend.
Dass der öffentlichkeitsscheue Drogerie-König nicht persönlich vor der 4. Zivilkammer des Landgerichts erschien, bedauerte die Vorsitzende Richterin Julia Böllert ausdrücklich: «Wir hätten uns gern einen eigenen Eindruck von Herrn Müller verschafft.» Dessen Anwalt erklärte, die Klage sei hinreichend schriftlich begründet, daher sei ein Erscheinen seines Mandanten nicht erforderlich.
Bank bestreitet Falschberatung
Über den Sheridan-Fonds wurden schwer durchschaubare Aktientransaktionen rings um die Stichtage für Dividendenzahlungen abgewickelt. Ein Gewinn sollte vor allem mit sogenannten Cum-Ex-Transaktionen erwirtschaftet werden, bei denen der deutsche Fiskus durch mehrfach beantragte Erstattungen auf in Wirklichkeit nur einmal einbehaltene Kapitalertragssteuern geschröpft wurde.
Das deutsche Bundesfinanzministerium hatte alle derartigen Erstattungen - auch über andere Finanzprodukte - 2012 grundsätzlich gestoppt, zuvor waren mehrere Milliarden Euro geflossen. Der Sheridan-Fonds war nach dem Stopp zusammengebrochen, das von Anlegern eingezahlte Geld war weg. Müllers Anwalt sprach von einem illegalen «Schmarotzer-Fonds».
Der Anwalt der Bank, Markus Meier, widersprach dem Vorwurf der Falschberatung. Nach ihm vorliegenden Unterlagen sei Müller durchaus von einem Vertreter Sarasins über steueroptimierte Anlagemöglichkeiten und die Risiken informiert worden. Meier kritisierte, dass der Kläger dazu nicht persönlich vor Gericht befragt werden könne.
Sarasin wollte Verfahren nach Schweizer Recht
Zudem machte Meier geltend, dass Praktiken sogenannter Leerverkäufe zum Zweck der Rückerstattung von Steuerbeträgen, die vorher gar nicht abgeführt worden seien, beim Sheridan-Fonds keineswegs erwiesen seien. Es sei im Gegenteil beweiskräftig dargelegt worden, dass dies beim Sheridan-Fonds nicht der Fall gewesen sei.
Die Vorsitzende Richterin bekräftigte, dass der Streit nach deutschem statt nach Schweizer Recht sowie vor dem Gericht am Wohnort des Klägers ausgetragen werden kann. Dies war zuvor von der Bank Sarasin bestritten worden, die ein Verfahren in der Schweiz durchzusetzen versuchte. Eine entsprechende Beschwerde Sarasins wies der Bundesgerichtshof 2015 ab.
Das Ulmer Gericht rief beide Seiten auf, über einen Vergleich nachzudenken. So könne Müller beispielsweise anbieten, auf die Forderung von Zinszahlungen für den geltend gemachten Schaden ab 2013 zu verzichten. Beide Seiten machten deutlich, dass dies kaum in Betracht komme.
Eric Sarasin zahlte für Einstellung
Ein Verfahren gegen den früheren Vizechef der Bank, Eric Sarasin, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und gewerbsmässigem Betrugs im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Cum/Ex-Produkte war Anfang 2016 eingestellt worden.
Die Einstellung erfolgte aufgrund einer Bestimmung des deutschen Strafprozessrechts, wonach eine Einstellung bereits während des Verfahrens gegen eine Geldauflage erfolgen könne, wenn die Ermittlungen aller Voraussicht nach nicht zu einer Anklage führen. Sarasin bezahlte laut seinen Sprechern einen «tiefen sechsstelligen Betrag». Diese Zahlung sei allerdings keine Busse und auch kein Schuldeingeständnis.
(sda/gku)