Rolf Dörig ist mit dem Versicherungsmarkt Schweiz allen Unkenrufen zum Trotz zufrieden, schliesslich gehört der Versicherungssektor gemessen an seiner Bruttowertschöpfung zu den zehn grössten Branchen des Landes und zugleich zu den wachstumsstärksten: Die Wertschöpfung der Versicherer ist in den vergangenen 20 Jahren durchschnittlich um 4,2 Prozent pro Jahr gewachsen. Für Dörig, Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV gilt es, die Rolle der Assekuranz als «tragender Pfeiler der Schweizer Volkswirtschaft» zu sichern, indem auf die Rahmenbedingungen eingewirkt werden soll, welche der Branche «Gestaltungsmöglichkeiten bieten und ihre Innovationskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit stärken», wie er kürzlich an der Jahresmedienkonferenz betonte.

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Hohe Hürden

Einfacher gesagt als getan, denn mit der Reform der Altersvorsorge und der Steuervorlage 17, dem institutionellen Rahmenabkommen, den Teilrevisionen des Versicherungsvertrages- wie auch des Versicherungsaufsichtsgesetzes gilt es, einige Hürden zu überwinden. Die vom Parlament vorgenommene Verknüpfung der Steuervorlage 17 mit einer Finanzspritze für die AHV erachtet der SVV zwar als sachfremd, empfiehlt aber trotzdem die Annahme der Vorlage. Werde die Vorlage in der Referendumsabstimmung vom 19. Mai dann angenommen, dürfe sie den Fahrplan des Bundesrats für die Reform der Altersvorsorge aber keinesfalls verzögern, fordert Dörig.

Noch schwerer tut sich der Versicherungsverband beim institutionellen Rahmenabkommen. Zwar erachtet der SVV eine Vereinbarung mit der EU als wichtig, doch der vom Bundesrat vorgelegte Abkommensentwurf könne in dieser Form nicht unterstützt werden, sagt Dörig. Der SVV sei aber gerne bereit, sich im Rahmen des Konsultationsverfahrens einzubringen. Eine abschliessende Beurteilung nimmt der SVV erst nach Klärung aller offenen Punkte vor.

Praxistaugliche Balance

Bei der Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetz VVG «als Scharnier zwischen Versicherern und ihren Kunden» sei eine praxistaugliche Balance zwischen berechtigten Konsumentenanliegen und den Mehrkosten, die sich letztlich in den Prämien niederschlagen, wichtig. «Weil für uns Versicherer die Vertrauensbeziehung zu unseren Kundinnen und Kunden höchste Priorität hat, haben wir auch selbst die Initiative ergriffen und die staatlichen Schutznormen mit freiwilligen Massnahmen ergänzt», sagt Michael Müller, Vizepräsident SVV und CEO der Baloise Schweiz. So etwa die Ombudsstelle der Privatversicherung und der Suva oder das Gütesiegel «Cicero», ein Label für hohe Beratungsqualität.

Bei allfälligen Gesetzeslücken biete die Branche Hand, sinnvolle Konsumentenanliegen trage sie mit. Müller: «Wir wehren uns aber auch gegen Regulierung, die hohe Kosten nach sich zieht, ohne den Kunden einen Mehrwert zu bieten. Denn der beste Konsumentenschutz bringt nichts mehr, wenn er die Produkte unverhältnismässig verteuert.»
Ebenso bedeutend wie das VVG ist für die Branche das Versicherungsaufsichtsgesetz VAG. Der SVV unterstützt die Revision und den Vorschlag des Bundesrats zur Einführung eines Sanierungsrechts als Alternative zum Konkursverfahren. Auch die vorgesehenen Änderungen im Aufsichtskonzept und bei den Vertriebsregeln seien ausgewogen und stärkten den Kundenschutz. Rolf Dörig: «Wir werden die Revision aber auch zum Anlass nehmen, uns für eine Änderung der Kapitalvorschriften einzusetzen. Sie benachteiligen uns gegenüber der Konkurrenz im Ausland nach wie vor erheblich und sind weiterhin eine Herausforderung im Kollektivlebengeschäft, sprich in der beruflichen Vorsorge für KMU.»

Wacker geschlagen

Trotz allem: Die Schweizer Privatversicherer haben sich bisher wacker geschlagen, wie ein Blick auf das Geschäftsjahr 2018 zeigt. Sowohl das Schadenversicherungsgeschäft als auch das Lebensversicherungsgeschäft sind gemäss SVV-Hochrechnungen im Jahr 2018 gewachsen. «Das ist umso erfreulicher, als dass das Lebensversicherungsgeschäft in den vergangenen zwei Jahren deutlich rückläufig war», kommentiert SVV-Direktor Thomas Helbling. Das Wachstum ist in der Tat bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sich die Lebensversicherer nach wie vor in einem sehr anspruchsvollen Umfeld mit historisch tiefen Zinsen und hohen Auflagen der Aufsicht bewegen.

Die Prämieneinnahmen im Lebensversicherungsgeschäft sind im vergangenen Jahr um 0,6 Prozent gewachsen. Damit konnte die rückläufige Entwicklung der letzten beiden Jahre gestoppt werden. Sowohl im Einzelleben als auch im Kollektivleben verzeichnet der Versicherungsverband für 2018 ein leichtes Wachstum der Prämieneinnahmen. Helbling: «Obwohl die positive Entwicklung im Lebensgeschäft überraschen mag, lässt sie uns nicht darüber hinwegsehen, dass die starke Regulierung zu einem Paradox führt: Die Anforderungen an die Produkte zum Schutz der Konsumenten sind so hoch, dass Produkte mittlerweile zu teuer sind.»

Anhaltendes Wachstum

Positives ist auch aus Schadengeschäft zu vermelden: Mit einem Plus von 2,2 Prozent hielt der Wachstumskurs der letzten Jahre auch 2018 an. Die Personenversicherungen haben dabei mit 3,4 Prozent stärker zugelegt als die Sachversicherungen mit 0,9 Prozent. Trotz dieser ausschliesslich positiven Geschäftsentwicklung über alle Sparten hinweg gibt es auch einen Wermutstropfen hinzunehmen: Im Motorfahrzeugbereich ist das Prämienwachstum nämlich zum ersten Mal seit 10 Jahren rückläufig. Der SVV rechnet mit einem Minus von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Seit mehreren Jahren lässt sich in der Motorfahrzeughaftpflicht einen Wachstumsrückgang beobachten. Grund dafür ist gemäss SVV der hohe Druck auf die Prämien in einem gesättigten Markt. In der Kaskoversicherung konnten die Versicherer hingegen auch im vergangenen Jahr um 0,9 Prozent zulegen. Dies, obwohl die Anzahl der Neuzulassungen von Motorfahrzeugen 2018 tiefer ausfiel als im Vorjahr.

Mit einem relativ erfolgreichen Geschäftsjahr im Rücken können die Versicherer zuversichtlich und selbstbewusst in die Zukunft schauen. Für SVV-Direktor Thomas Helbling beweisen sie Jahr für Jahr ihre Stabilität und ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft: «Der Versicherungssektor gehört gemessen an seiner Bruttowertschöpfung zu den zehn grössten Sektoren des Landes.» Mit einer nominalen Bruttowertschöpfung von fast 29 Milliarden Franken machen die Versicherer knapp die Hälfte des Bruttoinlandprodukts des Finanzsektors aus. In den vergangenen 20 Jahren ist die reale Wertschöpfung der Versicherer durchschnittlich um 4,2 Prozent pro Jahr gewachsen – auch unter Berücksichtigung der Finanzkrise vor 10 Jahren.

Dies angesichts der Tatsache, dass beispielsweise im Jahr 2017 die Schweizer Privatversicherer ihren Kundinnen und Kunden – ob Personen oder Unternehmen – Tag für Tag 127,5 Millionen Franken für Schadenfälle und Renten ausbezahlt haben. Helbling: «Das ist eine enorme Summe; sie ist aber gerechtfertigt.»