Schnelle Verschiebewagen sind in der Coop-Verteilzentrale in Wangen bei Olten an die Stelle eines Fahrerlosen Transportsystems (FTS) aus den 80er Jahren getreten. Lief bis anhin über diesen Standort lediglich das Non-Food-Sortiment, kamen Ende 2002 auch Artikel des Food-Sortiments hinzu. In diesem Zusammenhang wurde ein neues Satellitenlager eingerichtet, ein Retrofitting-Projekt, für das die Stöcklin Logistik AG als Generalunternehmerin verantwortlich zeichnete.
Galt früher die Regel «Im Einkauf liegt der Gewinn,» so muss diese angesichts tendenziell steigender Logistikkosten modifiziert werden: «Im Einkauf und in der Logistik liegt der Gewinn». Dieser veränderten Maxime folgend strukturiert die Coop-Konzernzentrale seit einiger Zeit ihr gesamtes Logistiksystem um. Dabei werden Standorten neue Funktionen zugewiesen und die jeweiligen Verteilzentren für deren neue Aufgaben umgerüstet. So wurde konzernweit die Unternehmenssoftware SAP R/3 eingeführt und darunter das Warehouse-Managementsystem (Wamas), einschliesslich mehrerer Subsysteme für die papierlose Kommissionierung.
Eine neue Rolle für die Verteilzentrale Wangen
In diesem Kontext erfuhr das Verteilzentrum in jüngster Zeit verschiedene bauliche und systemtechnische Veränderungen. Die entsprechenden Aufträge für das Retrofitting bestehender Anlagen und deren Verschmelzung mit neuen Systembestandteilen zu einem neuen, leistungsfähigen Gesamtsystem gingen an Hayek Engineering und die Stöcklin Logistik AG.
Die Verteilzentrale musste während der gesamten Umbau- und Erweiterungszeit uneingeschränkt ihren Funktionen nachkommen. Dies erforderte eine generalstabsmässige Planung aller Detailschritte sowie die Durchführung bestimmter Massnahmen in den Nachtstunden sowie an Wochenenden.
Alois Zimmermann, in der Funktion als Leiter des Technischen Dienstes in der Coop-Verteilzentrale Wangen, erläutert die Gründe, warum die FTS-Anlage mit einst 5 plus 19 Trägerfahrzeugen der Lösung aus schnellen Verschiebewagen mit schlupffreien Omega-Antrieben und klassischen Palettenfördersystemen weichen musste: «Durch die Einführung des Dreischichtbetriebes blieb kein Zeitfenster mehr für das Aufladen der Traktionsbatterien der FTS-Fahrzeuge. Ausserdem hatten bei den in die Jahre gekommenen Fahrzeugen die technischen Störungen zugenommen, sodass uns auch der relativ hohe Instandhaltungsaufwand ein Dorn im Auge war.» Auch die Ersatzteilversorgung der FTS-Fahrzeuge erwies sich zunehmend als schwierig. Vor allem aber reichte die Kapazität nicht mehr aus.
Auf den ersten Blick erscheint es zweifellos als ungewöhnlich, wenn schienengebundene Verschiebewagen und klassische Paletten-Rollenbahnen ein FTS ablösen. Bernd Mutterer, zuständiger Projektleiter seitens der Stöcklin Logistik AG, erklärt dies so: «Sowohl die Verschiebewagen als auch die Rollenbahnen erfordern weitaus kleinere Verkehrsflächen als ein FTS. Deshalb konnte Coop seine Flächennutzung neu ordnen und dabei eine Menge Platz gewinnen. Dieser Raum wurde genutzt, um zwischen dem aufgerüsteten Hochregallager und dem neuen Satellitenlager Staustrecken für einzulagernde Waren einzurichten. »
Vergleicht man die Fahrgeschwindigkeit eines FTS-Fahrzeugs, das allein aus Sicherheitsgründen nur recht langsam betrieben werden darf, mit der eines modernen Verschiebewagens mit Omega-Zahnriemen-Antrieb, dann wird schnell klar, dass die sich schlupffrei an Zahnriemen entlang ziehenden Verschiebewagen jedes FTS-Fahrzeug hinsichtlich der Umschlagsleistung in den Schatten stellen. «Diese Aussage», erklärt Bernd Mutterer, «gilt umso mehr, je länger die Transportwege sind.»
Dass beim Umstieg von einem FTS auf eine Fördertechniklösung aus Verschiebewagen und Rollenbahnen das Materialflusslayout grundlegend verändert werden muss, ist verständlich. Doch lässt sich die erforderliche Flexibilität, die einst zum Kauf eines FTS geführt hat, in vielen Fällen auch durch ein cleveres Anlagenlayout erzielen wie bei Coop in Wangen geschehen.
Schaut man sich das Verschiebewagen-Konzept im Detail an, fällt auf, dass auf manchen Schienen gleich zwei Verschiebewagen verkehren. Die Koordination beider Fahrzeuge stellt für den Materialflussrechner kein Problem dar, da beide Transportfahrzeuge schlupffrei verkehren und deren Standorte dem Rechner zu jeder Zeit absolut bekannt sind. Dabei können sich die Wagen ohne jede Kollisionsgefahr bis auf wenige Zentimeter nähern.
Ausgeklügelte Sensorik vermeidet Unfälle
Eine weitere Besonderheit ist der «verkehrsoffene» Verschiebewagen, der nicht auf einer fussgängerfreien Trasse verkehrt, sondern mit bis zu zwei Paletten beladen durch eine Zone hindurch muss, in der sowohl Fussgänger als auch Stapler die Fahrbahn des Verschiebewagens kreuzen. Um hier die erforderliche Sicherheit zu erreichen, haben die Techniker von Stöcklin einerseits die Fahrgeschwindigkeit deutlich abgesenkt und obendrein das Fahrzeug mit einer hochsensiblen Sensorik und mit schützenden Bumpern ausgerüstet, die beim geringsten Widerstand das Fahrzeug zum Stillstand bringen.
«Ursprünglich», betont Alois Zimmermann, «sollte das FTS wie auch das Hochregallager das HRL lediglich saniert werden. Doch dann stellte sich im Rahmen der Planung heraus, dass fünf Verschiebewagen die Umschlagsleistung der 24 FTS-Fahrzeuge sogar übertreffen können. Und bei der Analyse der Betriebs- und Instandhaltungskosten schnitt das Verschiebewagenkonzept dann um so viel besser ab, dass wir uns für diese Lösung entschieden.» Durch den Ersatz des FTS konnte auf einen weiteren Steuerungsrechner verzichtet werden. Dieser wiederum hätte über aufwendige Schnittstellen mit dem neuen Materialflussrechner gekoppelt werden müssen, sodass allein der Softwareaufwand mit einer sechsstelligen Summe zu Buche geschlagen hätte.
Natürlich will jeder Logistiker wissen, auf welche Umschlagsmengen das Verteilzentrum Wangen ausgelegt ist. Dazu Alois Zimmermann: «Wir erhalten pro Tag immerhin 2500 Paletten mit Waren, die wir auf die Coop-Filialen in der gesamten Schweiz verteilen. Dabei werden von unseren 330 Mitarbeitern pro Tag 200000 bis 250000 Pickpositionen kommissioniert.»
Nach erfolgter Wareneingangskontrolle wird die palettierte Ware in den sechs Gassen des Hochregallagers mit rund 20000 Palettenstellplätzen eingelagert, das bei Bedarf den Nachschub für die Kommissionierzonen im Untergeschoss, Obergeschoss sowie im Bereich des neuen Satellitenlagers vornimmt. Sämtliche Warenbewegungen, einschliesslich der Zu- und Wegführung, erfolgen vollautomatisch. Der verkehrsoffene Verschiebewagen verbindet den neuen Wareneingang mit dem HRL und dieses wiederum mit dem neuen Satellitenlager, aber auch mit einem der automatischen Palettenaufzüge, die dem Warennachschub in die Kommissionierzonen im Unter- und Obergeschoss dienen.
Das Beispiel zeigt, dass ein optimales Retrofitting nur mittels einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Anlagenbetreiber, dessen Planern und erfahrenen Systemtechnikern seitens der Anlagenhersteller erzielt werden kann. Coop hatte sich nicht damit zufrieden gegeben, nur die Sanierung des fahrerlosen Transportsystems zu untersuchen, sondern auch alle bereichsübergreifenden Systeme zu überprüfen und so den besten Weg zur Erfüllung der logistischen Abläufe zu finden.
Urs Martin, Verkaufsleiter Geschäftsbereich Anlagen, Stöcklin Logistik AG, Dornach.
Coop-Satellitenlager: 24000 verschiedene Artikel
Das neue automatische Satellitenlager der Coop-Verteilzentrale in Wangen bei Olten ist 14 m hoch und umfasst 18000 Reserveplätze sowie 2800 Plätze für die Kommissionierung von Paletten. Die acht Regalbediengeräte schlagen pro Tag rund 1800 Paletten um.
Die Neustrukturierung der Coop-Verteilzentrale Wangen nahm 20 Monate für die Planung und 10 Monate für die Neubauten und das Retrofitting in Anspruch. Das dafür erforderliche Budget lag bei 40 Mio Fr. Seit 2003 ist der Standort Wangen eine nationale Verteilzentrale für Non Food, Near Food und Food. Das entsprechende Sortiment umfasst rund 24000 Artikel.
Von Wangen aus werden die sechs regionalen Verteilzentren in Kriens, Gossau, Zürich, Basel, Bern und Satigny beliefert. Ausserdem gehen täglich Waren per Bahn und Lastwagen an die vier Drehscheiben Castione, Châteauneuf, La Chaux-de-Fonds und Chur.