Peter Nobel, Berater in Sachen Aufnahme von künftigen VR-Mitgliedern, bringt es auf den Punkt: «Heute zählt mehr denn je Potenz vor Prominenz.» Ein klingender Name allein eignet sich in seinen Augen nicht als Verwaltungsrat. Und Alt-Bundesrat Kaspar Villiger? «Villiger ist mehr als ein dekoratives Element», urteilt Professor Norbert Thom von der Uni Bern. «Er hat nationale und internationale finanzpolitische Kompetenz und Führungserfahrung.»
Verwaltungsrat à la carte
Erfolgreiche Unternehmen setzen heute ihr VR-Gremium zunehmend à la carte zusammen. Das bedingt ein klares Anforderungsprofil und mehr denn je VR-Mitglieder, die nicht durch einen Vertrauensverlust negativ in die Schlagzeilen geraten sind und dazu beitragen, dass das Vertrauen in diese Gremien wieder hergestellt wird. «Das ist bei Villiger der Fall. Bei ihm habe ich keine Störgefühle», urteilt Thom.
«Kaspar Villiger hat einen unstrittigen Leistungsausweis», sagt auch Swiss-Re-Sprecher Henner Alms. Er bringe unternehmerische Erfahrung mit, sei führungserprobt und habe sich schliesslich als Politiker in schwierigem Umfeld bewährt.
Villiger ist eine Ausnahme. Politiker sind gerade bei grossen und international agierenden Firmen heute kaum mehr gefragt, weil sie zu wenig unabhängig und national zu stark verhängt sind. Aber gerade Unabhängigkeit ist für einen guten Verwaltungsrat heute eine wichtige Voraussetzung. Um solche Leute zu finden, greifen Unternehmen vermehrt auf Ausländer zurück, erklärt Professor Peter Böckli von der Uni Basel.
Stellt sich die Frage, was Kaspar Villiger konkret in den Swiss-Re-VR einbringt. Villiger selbst will dazu nichts sagen. Sicher ist: Branchenwissen ist es nicht. Das muss er auch gar nicht, wie Thomas Staehelin, Präsident der Vereinigung Privater Akiengesellschaften und selber Mitglied in grösseren wie kleineren Unternehmen, erklärt. «Nicht jedes Mitglied muss über detaillierte technische Kenntnisse des betreffenden Geschäftes verfügen.»
Swiss Re, so deren Sprecher Henner Alms, hat denn auch nicht Fachwissen gesucht, sondern einen Verwaltungsrat, der breit abgestützt ist, und zwar in jeder Hinsicht. Bei der Zusammensetzung des VR werde bei der Swiss Re bewusst darauf geachtet, dass in den fünf verschiedenen Ausschüssen auch Vertreter das Sagen haben, welche die Strategie des Unternehmens aus einer anderen Sichtweise betrachten. Alms: «Uns ist eine Heterogenität wichtig. Das spornt an, die Komplexität unserer Geschäftsfelder kritisch unter die Lupe zu nehmen.»
In welchem der Verwaltungsrat-Ausschüsse Villiger Platz nehmen wird, dazu schweigt sich der Swiss-Re-Mann dagegen aus. Dass er über ein gutes Netz verfügt, hat sich auch beim Rückversicherer herumgesprochen. Ob Villiger für den Konzern Türen öffnen kann etwa nach Nordamerika muss er aber erst noch beweisen.
Flavio Cotti als Schweiger
Sollte es ihm misslingen, wäre er nicht der erste Bundesrat, der die Erwartungen nicht erfüllen kann. Bereits Flavio Cotti scheiterte. Für Think Tools sollte er das Regierungsgeschäft ankurbeln. Was misslang weniger wegen der Fähigkeiten von Cotti als wegen der mangelhaften Software des Unternehmens.
In Erinnerung blieb Cotti anderen VR-Mitgliedern von Think Tools dennoch: Als Schweiger. Und als Lobbyist. Cotti lobbyierte 1999 in Japan bereits vor seinem Rücktritt aus dem Bundesrat für seinen künftigen Mandatengeber Credit Suisse. Als Dank dafür trat er kurze Zeit danach in den Beirat der Bank ein. Das Mandat in einem Strategie-Gremium sollte indes mehr sein als die lukrative Entschädigung für bereits geleistete Dienste.
Mandate der Ex-Bundesräte:
Kaspar Villiger, FDP Swiss Re (an GV 2004 vorgeschlagen)
Adolf Ogi, SVP Bank Sal. Oppenheim (Schweiz), Océ (Schweiz), Völkl Sports
Flavio Cotti, CVP Georg Fischer, Think Tools (20002001), Fiat Aufsichtsrat, Beirat Credit Suisse
Arnold Koller, CVP Spross-Holding
Elisabeth Kopp, FDP Elbema Immobilien AG
Quelle: Verzeichnis der Verwaltungsräte 2003, «Handelszeitung»