BRITISH MASTERS. Das muss einem erst einmal einfallen, in der Uhr-Schweiz – und erst noch mit Sitz im Jura – ein Zeitmessunternehmen namens British Masters zu gründen …
Eric Loth:
Da stimme ich völlig zu. Aber zählen Sie doch mal die ganzen Schweizer Uhrenfirmen. Wie viele gibt es davon. 70? 100? Wir wären nur eine weitere gewesen. Wer hätte uns als Einsteiger da überhaupt zur Kenntnis genommen? Ich sage: Niemand! Mit anderen Worten: Unser Start-up wäre auf sehr wackeligen Beinen gestanden. Max Imgrüth:
Eines gilt doch für alle Unternehmensgründungen generell: Du musst dich irgendwie abheben vom Bestehenden. Nur dann hast du eine Chance auf Erfolg.
Das gelingt British Masters mit den Uhrenmarken Graham sowie Arnold & Sons trefflich. Aber das kann ja nicht allein am Namen liegen.
Loth: Ganz im Ernst: Es ging uns natürlich nicht nur darum, deutlich anders zu sein. Wir haben ganz bewusst die englische Tradition aufgerufen, denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Grossbritannien auf den Gebieten der Naturwissenschaften und der Technik weltweit führend. Somit sind viele wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet der Uhrmacherei very british, was in der Schweiz aber gerne und geflissentlich übersehen wird. Also: Wir sind very british, aber mit Schweizer Genen.
Was aber ist wirklich very british?
Loth: Denken Sie an die Präzisionszeitmessung. Hier besassen die Engländer dank John Harrison, Thomas Earnshaw und anderen die genauesten Uhren zum Bewahren der Zeit auf hoher See. Auch die Repetitionsschlagwerke kamen aus England zu uns. Tomas Tompion hat 1690 den Vorläufer der später von Graham verbesserten Zylinderhemmung für Taschenuhren erfunden. 1714 verwendete Jeremy Thacker erstmals die Bezeichnung Chronometer. Auf ihn geht auch das Gegengesperr zurück, welches ein Stehenbleiben der Uhr beim Aufziehen verhindert. Und George Graham sind die nach ihm benannte Graham-Hemmung sowie in letzter Konsequenz auch der Chronograph zu verdanken.
Das reicht vollauf als Legitimation, Sie haben eine Menge Namen genannt. Neben Graham und Arnold auch Earnshaw, Mudge, Quare sowie Tompion. Entschieden haben Sie sich für zwei. Weshalb?
Loth: Wir haben uns bewusst auf zwei davon und damit Marken konzentriert. Ganz nach dem Motto, lieber zwei Dinge gut machen als ein halbes Dutzend schlecht. Zu den anderen Marken haben wir weder kurz- noch mittelfristig eine Planung. Wir haben derart grosse Zuwächse bei Arnold sowie Graham, dass wir uns unbedingt auf diese Namen konzentrieren müssen.
Wie sind Sie überhaupt auf die Namen gekommen?
Loth: Ganz einfach, indem man sich mit einer Materie auseinander setzt. Bei mir waren es die alten Engländer. In den 90er Jahren habe ich viele Bücher gelesen. Ausserdem war ich oft in England und habe dort unter anderem auch Uhrenmuseen besucht. Alte Kataloge haben ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen.
Wie sichert man sich solche Marken, wenn man sie gefunden hat?
Loth: Dazu möchte ich nichts sagen, um anderen keine Tipps zu geben. Die Marken haben seit mehr als 200 Jahre geschlafen. Graham hatte beispielsweise keinen Sohn. Niemand hat sich für die Marke interessiert.Imgrüth: Nur so viel: Es war ein langer und anstrengender Prozess, der zwei Jahre gedauert hat. Jede unserer Marken erforderte ein andersartiges Vorgehen.
Angefangen haben Sie, Eric Loth, 1994 aber mit Les Monts SA. Unter diesem Namen haben Sie sich nach beruflichen Stationen bei der Swatch Group und bei Gianni Bulgaris Enigma selbstständig gemacht. Sind Sie gefeuert worden oder nur dem Trend der Zeit gefolgt, neue Uhrenmarken ins Leben zu rufen?
Loth: Beides nein. In meinen Augen ist es die normalste Sache der Welt, von Freiheit und Unabhängigkeit zu träumen, um ohne Rücksichtnahme auf die Anforderungen, Strukturen und Ablaufprozesse eines Konzerns arbeiten zu können. Ich habe nichts anderes getan, als diesen Traum Realität werden zu lassen.
Dann hätten Sie Ihre Uhren ja beispielsweise Erich Loth taufen können. Roger Dubuis und Franck Muller haben das ja auch getan.
Loth (lacht): So etwas brauche ich nicht. Ich bin nicht eitel und benötige zur Selbstverwirklichung andere Inspirationen, ein anderes Erbe. Da kamen mir die Engländer gerade recht. Imgrüth: Die Namen Graham sowie Arnold & Sons tönen einfach fantastisch. Es ist eine alte Marketingweisheit, dass kurze, prägnante Markennamen bestens funktionieren. Beste Beweise sind Rolex oder Swatch. Eric Loth hätte da nicht so schön geklungen. Ausserdem sind Dubuis und Muller Uhrmacher. Eric ist Ingenieur.
… und er hat sieben Jahre lang für die Swatch Group gearbeitet. Was haben Sie bei Hayek gemacht?
Loth: Ich war zunächst unter Ernst Thomke und später auch unter Nicolas G. Hayek als Produktentwickler tätig. Zuerst für Rado und dann für Non-Swatch-Marken wie Longines, Omega und Tissot.
Ist bei Swatch die Seilschaft mit Max Imgrüth, dem «Geburtshelfer» der Swatch in den USA, entstanden?
Imgrüth: Vorneweg: Eigentlich bin ich schon im Ruhestand. British Masters ist eine neue Herausforderung für mich. In der Swatch Group hatten wir wenig oder gar nichts miteinander zu tun. Als ich bei Omega war, arbeitete Eric bei Rado; das war damals die Asuag und damit eine konkurrierende Gruppe. Die Fusion der Asuag mit der SSIH erfolgte ja erst 1983.
Swatch-Urgestein Ernst Thomke befindet sich ebenfalls im British-Masters-Boot.
Loth: Ja, er ist als Freund und stiller Investor eingestiegen und hat bei uns nie eine operative Funktion ausgeübt. Er hat viel zu viele andere Dinge zu erledigen.
Ist es ein gutes Gefühl, jemanden wie Thomke in der Rückhand als Partner zu haben?
Loth: Es ist nicht immer einfach mit ihm Imgrüth: Manche kennen ihn, es gibt mit Thomke solche und solche Momente.Loth: Aber er hat auf jeden Fall positive Impulse gegeben und wichtige strategische Überlegungen mit uns angestellt. Gerade zu Anfang hat er uns viel geholfen. Aber wir haben ihn nicht mehr als drei bis vier Mal pro Jahr gesehen. Imgrüth: Das ist etwas anderes bei uns beiden, die wir jede Woche drei bis vier Tage zusammen verbringen.
Sie, Max Imgrüth, hatten viele interessante und unkonventionelle Ideen bei der Vermarktung und dem Vertrieb der Günstiguhr Swatch in den USA. Können Sie diese Konzepte auch bei British Masters umsetzen?
Imgrüth: Im Grunde genommen sind solche Dinge immer relativ gleich. Die anfänglichen Probleme bei der Swatch bestanden darin, das Produkt marktgerecht umzugestalten. Anderseits waren die Verkaufs- und PR-Ideen damals doch ganz anders, weil wir ein viel jüngeres Publikum ansprachen als heute mit Arnold & Graham. Mit Swatch setzten wir beispielsweise auf Snowboarding oder Break Dance. Das brachte uns erstaunlichen Erfolg. Wir haben mit Swatch USA die Weltmeisterschaft im Freestyle-Skiing sowie im Windsurfen auf die Schiene gebracht. Vorher gab es keine offiziellen WM. Das hat Swatch International übernommen. Kurzum: Wir haben sehr viel Arbeit aufgewendet, um ein junges Publikum auf dem Wege von Special- und PR-Events, darunter auch Musik, anzusprechen und für die Swatch zu gewinnen. Das alles kann man nicht direkt auf Graham übertragen. Anderseits, und ich sage das ausdrücklich in Anführungszeichen, ist auch Graham ein gewisses «Modeprodukt». Wir sind mit Graham nicht klassisch, sondern sprechen Käufer an, die den Mut zu einer Uhr besitzen, die visuell provoziert.
Lässt sich das so verstehen, dass die Konzeption von Graham Uhren primär modische und vielleicht etwas weniger qualitative Ziele verfolgt.
Loth (protestiert): Wo denken Sie hin? Bei uns steht Qualität trotz dieser provokativen Komponente ganz oben. Schauen Sie unser Gehäuse an. Hier sind die Bandanstösse aufwendig bei 1100 Grad Celsius angelötet. Auf diese Weise können wir das Mittelteil und die Bandanstösse separat extrem sauber polieren. Dann wird das Ganze zusammengefügt und nachbearbeitet. Das ist Luxus, für den wir ein Patent besitzen, Liebe zum Detail und ein Beispiel für Qualität.
Wer leistet so eine Arbeit? Handwerker in China oder Italien?
Loth: Damit können Sie nicht provozieren. Wir pflegen ein nahezu hundertprozentiges Swiss made. 80 bis 90% unserer Produktion vollzieht sich im Umkreis von etwa 10 km unseres Firmensitzes in La Chaux-de-Fonds. Nur bei den Lederbändern sieht das etwas anders aus. Ich kenne nämlich keine Alligatorfarm in der Schweiz …
Wer kauft sich eine provokante Graham mit der Typenbezeichnung Chronofighter oder Swordfish?
Imgrüth: Meist Männer zwischen 25 und 45, sportliche Typen mit einem Faible für Mode. Hedonisten, die nicht verbergen wollen, was sie besitzen. Ihre Armbanduhr ist eine Art Statement.
Und wer legt sich eine Arnold ans Handgelenk?
Imgrüth: Diese Menschen unterscheiden sich ganz erheblich vom typischen Graham-Kunden. Man kann sie sich gesetzter, ruhiger und zurückhaltender vorstellen.
Wie lebt es sich denn mit einem derartigen Markenspagat?
Imgrüth: Breit aufgestellt zu sein ist kein Nachteil, wenn man beide Seiten deutlich voneinander abgrenzt, wie wir das tun. Loth: Vergessen Sie nicht, dass beide Marken auf ihre Weise exzentrisch sind. Bei Arnold & Sons pflegen wir sehr spezielle Zusatzfunktionen oder Komplikationen. Graham zeichnet sich durch einen ausgefallenen Look aus. So betrachten wir die sehr britische Mentalität. Und wir sagen: «No Problem, we can do it.»
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