Victor Bruzzo ist ein Kämpfer. Um sich in Form zu halten, stemmt der 63-Jährige Hanteln und macht Liegestütze. Wo andere in seinem Alter Fett haben, hat Bruzzo Muskeln. Die lässt er seit gut zehn Jahren spielen: Im reifen Alter von 52 Jahren wollte es der Sohn italienischer Einwanderer noch einmal wissen und gründete in Sitten die Indtec, einen Hersteller von Quarzuhrwerken.

Freunde hatten ihn gewarnt. Quarzuhrwerke zu bauen, das heisse, sich mit dem Swatch-Mitgründer Nicolas G. Hayek anzulegen. Die Swatch-Tochter ETA beherrschte seinerzeit den europäischen Markt für Quarzwerke.

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Ingenieur Bruzzo blieb stur. Und inzwischen hat Indtec als Hersteller von Quarzuhrwerken Swatch weit hinter sich gelassen: Mehr als 100 Millionen Quarzwerke baut das Walliser Unternehmen im Jahr – 20 Millionen Werke mehr als Hayeks ETA.

Jetzt legt der Uhrwerkbauer noch einmal nach. Bruzzo, bis 1988 Produktionsleiter beim Swatch-Konzern, will gross in die Herstellung von mechanischen Uhrwerken einsteigen. Seit vier Monaten läuft im Stammwerk die Produktion des ersten Modells, eines Automatikwerkes mit Datum und hoher Ganggenauigkeit. Vom kommenden Jahr an will der Unternehmer in die Spitzenklasse der Uhrmacherei vorstossen und mit der Produktion eines Chronografenwerks beginnen.

Noch läuft die Produktion auf Sparflamme. Doch bereits 2005 soll die Produktion auf 100 000 bis 200 000 Werke hochgefahren werden. «Ich bin kein Mann für Nischengeschäfte«, sagt Bruzzo, «langfristig streben wir die Zielmarke von einer Million Stück an.»

Damit wirft der Walliser Uhrenbauer den Hayeks erneut den Fehdehandschuh hin. ETA baut zwei Millionen mechanische Uhrwerke im Jahr (etwa die Hälfte wird für die eigenen Marken benötigt) und hatte bis jetzt ein De-facto-Monopol darauf. Rund 80 Prozent der mechanischen Uhren Schweizer Herkunft treibt ein Werk aus dem Hayek-Imperium an. Nur die wenigsten Marken sind in der Lage, das Herzstück ihrer Zeitmesser selbst herzustellen. ETA-Uhrwerke ticken in Armbanduhren von TAG Heuer, Ebel, Ulysse Nardin, Breitling oder Maurice Lacroix. Das gilt auch für etwa 60 Prozent der Uhren aus dem Richemont-Konzern (unter anderem mit den Marken Vacheron Constantin, Cartier, Lange, IWC).

Schlimmer als die Abhängigkeit von den ETA-Rohwerken ist für die Industrie das Swatch-Monopol auf Einzelteile. Vor allem die Alleinstellung der ETA bei den schwierig herzustellenden Spiralfedern machen den Produzenten Sorgen.

Selbst Edelmanufakturen wie Girard-Perregaux, Audemars Piguet oder Patek Philippe sind von den Nivarox-Lieferungen abhängig. Rolex hat eine eigene Produktion aufgebaut, kommt aber ohne zusätzliche Lieferungen von Swatch nicht aus. «Ein Brand oder eine Überschwemmung», sagt Edeluhrbauer Michel Parmigiani aus Fleurier, «und die Schweizer Luxusuhrenindustrie ist am Boden.»

Die Abhängigkeit dürfte nicht mehr lange bestehen. Bruzzos Indtec ist in der Lage, Federspiralen in grossen Stückzahlen zu produzieren.

Auf den neuen Konkurrenten reagieren die Hayeks zwiespältig. Auf der einen Seite geben sie sich, wie es in einer offiziellen Stellungnahme heisst, «erfreut, weil sich jemand die Mühe gibt, eine Konkurrenz aufzubauen». Denn Bruzzo liefert dem Bieler Konzern Argumente gegen die Monopolvorwürfe der Wettbewerbshüter. Andererseits sollen potenzielle Kunden des Uhrwerkbauers aus Sitten unter Druck gesetzt worden sein.

Früher oder später dürfte die abwartende Haltung der Schweizer Uhrenbarone in Interesse umschlagen. Henry-John Belmont, Chef der Uhrensparte im Luxuskonzern Richemont: «Falls er sich als ernst zu nehmender Konkurrent zur Swatch Group entpuppt, kann man ja mal miteinander reden.»