Nach neun Jahre andauernden Ermittlungen liegt nun die Anklageschrift gegen die Ipco Investment AG und ihre Mitstreiter vor. Der Schaden: 125 Millionen Franken. Die Geschädigten: Fast 1000 Personen. 150 Bundesordner, über 150 Einvernahmen - Hauptdrahtzieher Mike Niggli schlägt im Kanton Schwyz alle Rekorde.
Die Ipco bot den Handel mit Fremdwährungen an, die Firma machte auf topseriös, versprach traumhafte Renditen von 25 Prozent und mehr, verschickte den «Kunden» über Jahre frei erfundene Abrechnungen. Kritischen Klienten hielt man ein ISO-Zertifikat der seriösen Warenprüfungsgesellschaft SGS unter die Nase.
Das Zertifikat sagte jedoch überhaupt nichts darüber aus, ob die Ipco-Geschäfte seriös waren. Hinzu kam: Die Ipco geschäftete mit der FX Midex SL in Madrid, die bei den spanischen Regulierungsbehörden auf einer Schwarzen Liste unseriöser Broker stand. Kurz: Die Ipco war vor allem eins: ein grosser Bluff, eine Räuberhöhle Made in Switzerland.
Boiler-Room in Pfäffikon
Der Patron des Taschenmesserherstellers Victorinox, Karl Elsener senior, durchschaute wie viele andere die Betrugsmasche nicht, berichtet die «Rundschau» von SRF. Da Victorinox durch den weltweiten Export für Taschenmesser auch Währungsabsicherungen tätigte, um Verluste des starken Frankens abzusichern, war für die Innerschweizer das Angebot der Ipco eine vermeintlich gute Gelegenheit.
In Wahrheit bedeutete die Ipco für Victorinox ein Desaster: 12 Millionen Franken verlor der Betrieb, und das ausgerechnet in einer Zeit, als der Firmenumsatz nach dem Twin-Tower-Attentat 2001 in New York um 30 Prozent einbrach.
Aus den Räumlichkeiten in Pfäffikon riefen Ipco-Telefonverkäufer Tausende Personen an. Statt das Geld in Devisengeschäfte zu investieren, flossen die Gelder subito in diverse Gesellschaften ab - nach London, Liechtenstein, Dublin, Bermuda, Dubai, Delaware/USA und vor allem nach Madrid in die Hände der Ipco-Drahtzieher. Diese Masche ist auch als «Boiler Room Scam» bekannt und wird nicht nur für Devisen-Geschäfte benutzt, sondern auch für Aktiendeals in sogenannten Pennystock-Firmen.
Vorgeschichte in Zug
Ipco-Hauptdrahtzieher war Mike Niggli, der sich 2004 nach Rio de Janeiro in Brasilien abseilte, als die Lage erstmals richtig brenzlig wurde. Im «Blick» behauptete er im November 2005 noch keck, die Staatsanwälte hätten keine Beweise gegen ihn, «weil es keine gibt». Sein Ipco-Compagnon, der Spanier Miqueas Montejano Bravo, hatte sich nach Madrid abgesetzt, was den Schweizer ganz fürchterlich ärgerte - Montejano gebe die Millionen nun mit vollen Händen aus, wusste er im «Blick» zu berichten. Niggli war so richtig empört.
Niggli kannte man schon aus vergangenen Zeiten: Mit schummrigen Millionengeschäften sammelte er bereits Mitte der 90er-Jahre seine Erfahrung. Er stand in der Schweiz schon einmal wegen Millionenbetrugs vor Gericht und wurde verurteilt - es ging um Aktivitäten vor der Ipco-Masche.
Bevor Niggli mit der Ipco durchstartete, hatte er auch im Anlagebetrugsfall im Zusammenhang mit der CF Creative Finance AG aus Zug für eine Vermittlerfirma die Finger im Spiel. Eine Saga ohne Ende bahnte sich an: Die Creative-Finance-Betrügereien beschäftigten die Gerichte bis Ende 2011 - aufgeflogen waren die CF-Zocker bereits 1997.
Unheiliges Umfeld mit Links zur 'Ndrangheta
Zum Umfeld der CF gehörten auch Atlas Interway AG und die Devco Trade AG, bei denen der Spanier Carlos Sevilleja die Finger im Spiel hatte. Auch im CF-Komplex wurden Hunderte Kunden übers Ohr gehauen, der Schaden bewegte sich um die 40 Millionen Franken.
Im Creative-Finance-Umfeld mischte auch der gelernte Automechaniker Salvatore Paulangelo als Kundenvermittler mit. Paulangelo war später eine zentrale Figur im Skandal der PP Finanz Service GmbH und der World Financial Services AG, über die für die italienische Mafiagruppe 'Ndrangheta Gelder gewaschen und Anleger ebenfalls um Millionen betrogen wurden.
Bevor sich Niggli während der ersten Ipco-Turbulenz nach Brasilien absetzte, bemühte er sich um die brasilianische Staatsbürgerschaft, die er 2003 auch erhielt. Allerdings nicht für lange, denn Niggli hatte sich den Brasilien-Pass durch ein gefälschtes Leumundszeugnis erschlichen.
Die Schweiz begehrte seine Auslieferung. Während das Auslieferungsbegehren lief, setzte er sich aus dem Hausarrest ab und tauchte wieder unter. Zwischenzeitlich schmorte Niggli länger im berüchtigten Gefängnis Ary Franco in Brasilien, bis er in die Schweiz überführt wurde - er klagte über Zahnausfall, Nierensteine, Vitaminmangel.
Schöner Abend im exklusiven Poloclub
Einmal in der Schweiz, kam Niggli gleich wieder in Untersuchungshaft, doch die dauerte so lange, dass er länger gesessen hätte, als eine mögliche Haftstrafe dies verlangt hätte - er kam wieder frei, und weilt nun in Dubai.
Nigglis Anwalt teilte gegenüber der «Rundschau» mit, es gehe seinem Mandanten in Dubai schlecht, vom Rio-Gefängnisaufenthalt hätte er sich nie mehr erholt.
Doch die Fotos, die Niggli auf Social-Media-Plattformen veröffentlichte, deuten auf das Gegenteil hin: Bei den Scheichs scheint er das Leben in vollen Zügen zu geniessen, publizierte einschlägige Fotos vom luxuriösen Leben unter der Wüstensonne, schwärmte vom schönen Abend im exklusiven Poloclub, schlürfte Capuccino mit 24 karätigem Goldflaum, berichtete die «Rundschau». Die Geschädigten müssen sich verhöhnt vorkommen.
Für Mike Niggli gilt die Unschuldsvermutung.
Verbindungen zu mutmasslicher Mafia-Firma
Recherchen von handelszeitung.ch zeigten, dass Exponenten der Ipco Investment auch im Anlagebetrugsfall der mutmasslichen Zuger Mafia-Firma Rothsinvest Asset Management mit Drahtzieher Robert da Ponte auftauchten. Dieser Fall beschäftigt seit 2012 die italienische Justiz.