Bei André Jaeger kommen Gourmets heute leicht zu einem Tisch. Sein Restaurant Rheinhotel «Fischerzunft» in Schaffhausen läuft seit Wochen mässig. Die deutsche Kundschaft, die einen Drittel des gesamten Gästevolumens ausmacht, zeigt sich kaum noch. «Ich empfange seit der Euroeinführung nur noch halb so viele Besucher aus dem Nachbarland», klagt der Spitzengastronom. Aber auch Schweizer bleiben fern. Jaeger ist nicht der Einzige: Wo man sich heute umhört, wird geklagt. Die unsichere Konjunktur schlägt den Gästen offensichtlich auf den Magen. Am härtesten trifft es die hochpreisigen Gourmet-Tempel.

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Doch auch das mittlere Segment leidet. Im Zürcher Restaurant «Juan Costa» beispielsweise ist heute ein Mittagstisch ohne Reservation zu bekommen. Vor einem halben Jahr noch war das undenkbar. Weg bleibt die Stammkundschaft der umliegenden Grossfirmen aus der Versicherungs- und Bankbranche. Und die, die noch kommen, geben deutlich weniger aus. Wein kommt kaum mehr auf den Tisch, und auch beim Kaffee werde gespart, stellt Wirtin Dolores Meikle-Schoeffel nüchtern fest. Das Catering-Geschäft gleicht die Delle wieder etwas aus. Zumindest ist das Business besser planbar.

Mineral statt Wein

Mineralwasser statt Wein bestellen Gäste immer häufiger im «Alten Tobelhof» bei Gockhausen. «Das Mittagsgeschäft leidet am stärksten», sagt Geschäftsführer Marcel Puff. Wer viele Geschäftskunden hat, leidet am meisten.

Die Leute verpflegen sich wieder eher zu Hause, hat Thomas Bornhauser von der Migros Aare festgestellt. Wenn ausgegangen wird, dann weichen die Konsumenten auf Billig-Restaurants oder Fastfood-Ketten aus. McDonald's will von Krise denn auch wenig wissen. «Wir liegen auf Budget-Kurs», sagt Sprecherin Andrea Hemmi. Will heissen: Über dem Vorjahr. Nach einem sehr guten ersten Halbjahr laufen die Geschäfte seit Juli aber auch beim Burgerbrater harziger. Migros stellt einen Ansturm auf die Takeaways fest. Die Restaurants dagegen stagnieren.

Mehr Arbeitslose

Der mangelnde Appetit drückt auf den Umsatz der Branche. Seit dem Höchststand im ersten Quartal 2000 hat er um mehr als 10% abgenommen. Tendenz zunehmend. Allein im letzten Quartal haben die Wirte gemäss der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich 4,3% an Umsatz verloren. 64% der 400 befragten Betriebe haben weniger Umsatz erwirtschaftet als im Vorjahreszeitraum. 61% klagen über sinkende Erträge.

André Jaeger aus Schaffhausen hat jetzt Gegenmassnahmen ergriffen und die Kostenstrukturen «gestrafft», wie er sagt. Menüs werden schon mal um einen Gang gekürzt. Natürliche Abgänge in der Belegschaft nicht ersetzt. Die verbliebenen Angestellten werden unter der Woche nach Bedarf eingesetzt. So spart Jaeger Lohnkosten. Jaeger ist kein Einzelfall. Ein Drittel der Wirte klagt über zu viel Personal. Im September waren 10700 Gastroangestellte arbeitslos, 900 mehr als im Vormonat. «Die saisonalen Schwankungen erklären die Differenz nicht», sagt Stefan Unternährer von der Gewerkschaft Hotel- und Gastrounion. Rund die Hälfte sei eine Folge der Flaute, schätzt er. Parallel dazu nehme die Zahl der Teilzeitangestellten deutlich zu.

Beim Preis sehen viele Betriebe kaum mehr Spielraum. «Wir sind für die Qualität unserer Dienstleistung bereits sehr günstig», erklärt etwa Jaeger und verweist auf das enge Kostenkorsett. Die Renditen in der Gastronomie sind ohnehin schmal. Einfache Menüs sind bei den Gästen wieder mehr gefragt, sagt Sylvia Hunkeler vom Gourmet-Lokal «Adler» in Nebikon. Mittagsmenüs für 16 Fr. seien sehr beliebt. Barbara Bühlmann vom Gourmet-Restaurant «Pinte» in Baden bestätigt den Trend. Das Umsatzverhältnis habe sich in ihrem Haus deutlich zu Gunsten der parallel betriebenen preisgünstigeren Landbeiz verschoben.

Davon können aber Betriebe wegen der hohen Fixkosten nicht lange leben. Die ausbleibenden Gäste im Gourmet-Segment dürften ihnen heute Verluste bescheren.

Wenig Reservationen

Die Aussichten bleiben trübe. Firmen- und Vereinsessen, für die Gastronomie-Betriebe ein fettes Zusatzgeschäft, fallen dieses Jahr reihenweise ins Wasser. Bei der «Pinte»-Wirtin Bühlmann sind bis heute kaum Reservationen eingegangen. Sie rechnet zwar noch mit kurzfristigen Buchungen. Das Weihnachtsgeschäft werde trotzdem deutlich schwächer ausfallen, sagt sie. Das «Rosaly's» in Zürich verzeichnet dieses Jahr 20% weniger Vorausbuchungen. Jene Firmen, die nicht auf Weihnachtsessen verzichten, sparen dennoch. Im «Alten Tobelhof» wird mit der Reservation dieses Jahr meist ein klar definierter Budgetrahmen vorgegeben. Im Fall der Credit Suisse sind es 100 Fr. pro Person.

Die Monate November und Dezember sind in der Gastronomie Spitzenmonate. Im Normalfall bringen sie über 10% mehr Umsatz als ein Durchschnittsmonat. Falls die Appetitlosigkeit bei den Gästen anhält, werden noch mehr Gastbetriebe in die roten Zahlen rutschen, sich Entlassungen und Schliessung häufen. Von einem Beizensterben will Gastrosuisse-Präsident Klaus Künzli nicht reden. Wenn einer dichtmacht, dann versuche es an selber Stelle ein Nächster, weiss er. Pro Jahr geschieht dies rund 8000-mal. Dass es vielen Wirten jetzt schlecht gehe, liege nicht allein an der Konjunktur, sondern auch daran, dass es in der Schweiz zu viele Beizen gebe.