Gab es da nicht anhaltende Diskussionen um den Standort Schweiz und einen abgebrochenen Diversifikationsversuch mit Fahrrädern? Das schiesst dem Reporter durch den Kopf, als er im luzernischen Pfeffikon auf einen Gebäudekomplex blickt, der zweifellos Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Zumindest an den Fassaden scheint in den letzten Jahren kaum etwas verändert worden zu sein. Doch die Befürchtung, dass da ein weiteres Unternehmen den Werkplatz Schweiz auf Sparflamme gesetzt hat und in diesem Fall Zigarren und Zigarillos irgendwo, in Havanna oder Jakarta, fabrizieren lässt, erweist sich als unbegründet. «Tatsächlich sind wir in unserer Branche einer der letzten von ehemals 60 Betrieben», räumt beim Empfang Michael Beck, CEO des Zigarrenherstellers Villiger, ein. «Aber unser Geschäft läuft auf Hochtouren.»

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Zum Beweis führt uns Produktionsleiter Gregor Brüstle sofort durch die Werkshallen. Maschinen rattern, fleissige Hände werkeln, Mechaniker justieren eine Mischanlage. Kein Zweifel: Villiger lebt. Die Vorräte im Rohwarenlager reichen für zwei Jahre. «Wir könnten auch eine Tabak-Missernte schadlos überstehen», erklärt Brüstle. An einer Maschine treffen wir auf die legendäre Villiger Kiel, die es schon seit 100 Jahren gibt. Wir begegnen weiter der Villiger Export und der Rio 6, die Kindheitserinnerungen an Plakate wachrufen: Am Design der Verpackungen ist seit Jahrzehnten nichts verändert worden. Ausser natürlich die Warnhinweise, dass Rauchen schädlich ist. Beck hat daran natürlich keine Freude. Er glaubt nicht, dass Antiraucherkampagnen auf die Dauer viel bewirken können. «Es wird immer Raucher geben, mit Prohibition erreicht man nichts», argumentiert er. Zudem verliert die Schachtel für den Konsumenten den Erkennungswert, wenn 40% der Fläche zugedeckt sind. Und das ist natürlich schlecht fürs Geschäft.

Jahrzehnte in einem Raum

Nicht nur bezüglich Verpackungen, sondern auch produktionstechnisch durchschreiten wir bei der Besichtigung auf engstem Raum Jahrzehnte, von einfachster Handarbeit bis zur vollautomatischen Fertigung. Das Händeln der Deckblätter etwa oder das Zöpfeln der «Original-Krummen» bewältigen nur geschickte Finger. Anderseits verleibt sich da eine computergesteuerte Maschine unentwegt eine Tabakmischung ein, um im Bruchteil einer Sekunde fertige Zigarillos für den Massenmarkt Asien auszuspucken. Dass die Automatisierung nicht voll ausgeschöpft wird, hat weniger technische als vielmehr wirtschaftliche Gründe. «Bei kleineren Serien lohnt es sich nicht, sämtliche Schritte an die Maschine zu delegieren», so Brüstle. Damit ist auch ein wichtiger Unterschied zu Zigarettenherstellern angedeutet. Wenn es um Zigarren und Zigarillos geht, ist Individualismus gefragt und nicht der Massengeschmack. Villiger setzt auf ein breites Sortiment mit verschiedenen Marken, Aromen und Mischungen. «Wir arbeiten mit vielen Formaten und wollen letztlich alle Geschmacksvorlieben befriedigen können», erklärt CEO Beck. Diese Vielfalt birgt natürlich ein gewisses Risiko zur Verzettelung. «Doch eine Fokussierung auf die erfolgreichsten Marken und Produkte wäre die falsche Strategie», glaubt Beck.

Zigarren für Russland

Michael Beck verweist auf den fragmentierten Zigarrenmarkt, auf dem sich viele mittelständische Unternehmen tummeln. Im Unterschied zu den Zigarettenmultis gehe es bei Produktion und Umsätzen nicht um Milliarden, sondern um Millionen Villiger gehört mit einem Umsatz von 184 Mio Fr. weltweit zu den Top Ten. In der Schweiz ist das Traditionsunternehmen die Nummer eins bei den Zigarren und die Nummer zwei bei den Zigarillos. Exportiert wird in 90 Länder, wobei seit einigen Jahren mit wachsendem Erfolg Russland und Asien erschlossen werden. Beim Marketing setzt die Firma stark auf «Swiss Made», wofür Beck triftige Gründe hat, denn «eine Zigarre ist ein Präzisionsprodukt, das Zuverlässigkeit und Qualität bei der Herstellung erfordert». Nicht zuletzt deshalb werden jährlich siebenstellige Beträge in den Standort Pfeffikon investiert.

Ein gänzlich globales Geschäft ist hingegen die Beschaffung des Rohstoffes. Gerade mal ein paar Promille des verwendeten Tabaks stammen aus der Schweiz. Eingekauft wird unter anderem in Kuba, Indonesien, Afrika, Brasilien. Noch ist Heinrich Villiger der alleinige Besitzer des Unternehmens. Obwohl er sich vor einem Jahr aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat, ist er regelmässig unterwegs. Die feine Nase, welche den besten Tabak aufzuspüren vermag, ist eben nicht von einem Tag auf den andern zu ersetzen, obwohl sich inzwischen ein Tabakeinkäufer in diesen so wichtigen Teil des Geschäfts eingearbeitet hat.

Der Geschäftserfolg der Zigarrenhersteller pendelt es liegt nun mal an den Gewohnheiten der Raucher zwischen Tradition und Moderne. Der bodenständige Stumpenraucher, dem der Gantrufer bei einer Versteigerung eine Rio 6 oder eine Kiel zuwirft, soll so wenig vernachlässigt werden wie der urbane Genussraucher, der sich mit Geschäftskollegen in die Smoker's Lounge eines Fünfsternhotels zurückzieht und zum Longfiller greift. Mit Innovationen im Premium-Segment und bei den Zigarillos will man vermehrt auch jüngere Raucher erreichen. «Wir haben in den letzten Jahren stets auch neue Produkte lanciert, die sich auf dem Markt durchgesetzt haben, wie etwa die verschiedenen Braniff-Cortos-Zigarillos in verschiedenen Rum-, Honig- und Vanille-Aromen», erklärt Beck.

Gesundheitliche Bedenken gegen den Nikotinkonsum zerstreut CEO Michael Beck mit dem Hinweis, dass es bei Zigarren und Zigarillos um weit gemässigtere Dosen gehe als etwa beim hektischen Kettenrauchen von Zigaretten. Der Reporter, ein Nichtraucher, muss eingestehen, dass Tabak sinn-lich nicht ganz ohne ist. Denn ihm ist bei dieser Werkbesichtigung eine Mischung von seltsam betörenden Tabakdüften in die Nase gestiegen.

Firmen-Profil

Name: Villiger Söhne AG

Gründung: 1888

Umsatz: 184Mio Fr. Beschäftigte: 840

Geschäftsführer: Michael Beck (Bild)

Inhaber: Heinrich Villiger

Produkte: Zigarren, Zigarillos und Stumpen sowie Raucherzubehör

Kunden: Detailhandel

Internet: www.villiger.ch