Der Chef des Kooperationspartners Newpharma, Jérôme Gobbesso, bestätigt die Zusammenarbeit: «Wir haben eine Langzeitvereinbarung getroffen.» Zusammen mit Newpharma steigt Mori in einen 700-Millionen-Franken-Markt ein. So viel Umsatz generierten Online-Pharmahändler in der Schweiz im Jahr 2016 mit rezeptfreien Arzneimitteln.

Vor dreissig Jahren, als Daniel Mori die Optikerkette Visilab gründete, hätte er sich nicht träumen lassen, einmal Medikamente übers Internet zu verkaufen. Jetzt, drei Dekaden später, wird der Brillenkönig zum Pillendreher im Schweizer Online-Business. Die Mehrheit an Visilab hatte Mori an die niederländische Grandvision im Herbst 2017 verkauft. Mit dem Erlös baut er zusammen mit dem belgischen Internet-Händler Newpharma einen schweizweiten Webstore für pharmanahe Produkte auf. Im April geht es los.

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Zurrose

Zur Rose: Die Versandapotheke erhält Konkurrenz.

Quelle: Keystone

Kampfansage an Zur Rose

Der Markteinstieg ist klar eine Kampfansage an den Platzhirsch und Migros-Partner Zur Rose, der hierzulande fast 90 Prozent Marktanteil in dem Segment hält. Von der Übermacht des Händlers Zur Rose lässt Mori sich nicht abschrecken. «Das zeigt nur, wie viel Potenzial in diesem Markt steckt.»

Zu dem Geschäft gekommen ist der Visilab-Gründer über seinen Cousin und Geschäftspartner Jean-Philippe de Toledo, der die Apothekenkette Pharmacie Principale (PP) in der Romandie führt. Der gelernte Apotheker de Toledo betreibt über die Groupe PP, aus der einst auch Visilab hervorging, acht Pharmazie-Standorte in der Romandie. Mit dem Einstieg in den Webhandel wollen die Partner in einem ersten Schritt pharmanahe, rezeptfreie Produkte von Genf bis in den Thurgau über den virtuellen Ladentisch verkaufen.

Aufwendiger Genehmigungsprozess

Auf die Vertriebszulassung für Medikamente durch das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic müssen sie zwar noch etwas warten. «Der Genehmigungsprozess ist aufwendig und langwierig», sagt Mori. Aber sobald die Zulassung da ist, wird es bei Mori auch Pillen geben. Was die Produktpalette betrifft, will PP Waren anbieten, die in der Schweiz bislang nicht erhältlich waren – online wie stationär.

Für den reibungslosen Webauftritt im April ist bereits alles aufgegleist. Mori und sein Cousin kümmern sich um die Vermarktung, inklusive einer geplanten Online-Werbeoffensive sowie der Analyse, Produktprüfung, Zulassung und rechtlichen Dokumentation. Die Handelsplattform und das IT-Rückgrat stehen.

Das Know-how und der zeitliche Aufwand, den die Groupe PP einbringt, lassen sich auf rund eine halbe Millionen Franken beziffern. Newpharma stellt die Logistik, den Namen, den Produktezugang und das Know-how aus dem europäischen Drogerie- und Medikamentenversand zur Verfügung – und erreicht über die Kooperation mit Pharmacie Principale den Einstieg in den anspruchsvollen Schweizer Markt.

Verkauf später als ursprünglich geplant

Dass es mit dem Einstieg nun April wird, war ursprünglich so nicht geplant. Bereits im März wollte man loslegen. Doch wegen der hohen Anforderungen an die schweiztypischen Produktbeschreibungen und Zulassungsbestimmungen verzögerte sich der Start etwas. Fix ist: De Toledo wird VR-Mitglied eines neuen Tochterunternehmens und vertritt die Interessen der PP Holding und dessen Präsidenten Mori gegenüber der Muttergesellschaft.

Hinter dem Gebilde steckt auf Schweizer Seite die Groupe PP. Das Unternehmen wurde 1912 von den Familien de Toledo und Mori in Genf unter dem Namen Pharmacie Principale als Apotheke gegründet. Diese entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer Kette und später durch den Einstieg in verschiedene Gesundheitsbereiche zu einer Unternehmensgruppe, der heutigen Groupe PP Holding.

Die Unternehmensgruppe ist über Tochtergesellschaften in verschiedenen Bereichen tätig, von der Apothekenkette Pharmacie Principale im Medikamentenverkauf bis hin zum Optikhändler Visilab. Kurzum: Die Gruppe ist zwar kein Gigant wie der Kontrahent Zur Rose, aber breit aufgestellt und ein ernst zu nehmender Herausforderer auf dem Schweizer Gesundheitsmarkt.

Turbulente Monate beim belgischen Partner

Bei der belgischen Newpharma ging es in den vergangenen Monaten noch turbulenter zu als bei den Schweizer Kollegen. Newpharma-Chef Gobbesso machte gewissermassen eine ähnliche Entwicklung durch wie sein Pendant Mori mit dem Mehrheitsverkauf von Visilab an Grandvision 2017: Der Kapitalbedarf für den Ausbau des Geschäfts stieg ebenso stark wie der Konkurrenzdruck. Gobbesso verkaufte 65 Prozent von Newpharma an das börsenkotierte Milliardenunternehmen Colruyt Group und an das Family Office Korys der gleichnamigen Gründerfamilie Colruyt – konkret zu 26 Prozent an die Colruyt Group und zu 39 Prozent an Korys.

«Durch die neuen Besitzverhältnisse wird sich aber nichts an der Kooperation mit Pharmacie Principale ändern», versichert Gobbesso. Er sei für den Markteinstieg in der Schweiz weiterhin hauptverantwortlich und geniesse das Vertrauen des neuen Mehrheitseigentümers.

Potente Partner

Mit Newpharma gewinnen Mori und de Toledo einen potenten Partner im europäischen Pharmahandel. Das Unternehmen macht einen Umsatz von 60 Millionen Euro pro Jahr, hat mehr als 30'000 Produkte im Sortiment, ist Marktführer in Belgien und hat eine starke Präsenz in Frankreich.

Die Colruyt Group im Hintergrund bringt die nötige Finanzstärke für die Schweiz-Expansion mit, um einem Marktriesen wie Zur Rose die Stirn zu bieten. Korys ist mit einem Vermögen von 4 Milliarden Euro in eigentümergeführte und börsenkotierte Unternehmen europaweit investiert. Die Colruyt Group gehört zu den grössten Retailern Europas mit 29 000 Mitarbeitern und fast 10 Milliarden Euro Umsatz.

Das ist genug Feuerkraft, um den Online-Pharmahandel in der Schweiz gehörig aufzurütteln.