Für unabhängige Marken ist der Schweizer Detailhandel ein hartes Pflaster. Die Gründe: Migros und Coop bilden quasi ein Duopol; in ihren Regalen bieten sie zu einem grossen Teil nicht Markenprodukte an, sondern Eigenmarken - Nachahmerprodukte von erfolgreichen Marken.

52 Prozent der im Schweizer Detailhandel verkauften Produkte sind keine Markenartikel, sondern sogenannte Händlermarken. Das sind Produkte, die die Grossverteiler eigens herstellen lassen oder, wie die Migros, in ihrer eigenen Industrie produzieren. So gibt es bei der Migros beispielsweise Banago statt Nesquik.

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«Das ist weltweit der höchste Anteil», sagt Anastasia Li-Treyer, Direktorin des Schweizer Verbands der Markenartikelhersteller Promarca gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Geschuldet sei diese Situation der Migros, deren Sortiment zu 90 Prozent aus Eigenmarken besteht.

Garant für Qualität und Vertrauenswürdigkeit

Auf dem Markt für Konsumgüter sei deshalb der Platz für andere Marken «limitiert». «Weil die Konkurrenz hart ist, muss eine freie Marke schon ein starkes Aushängeschild sein, um in die Sortimente der beiden Grossverteiler Migros und Coop aufgenommen zu werden», sagt Li-Treyer. Prominentes Beispiel: Vor rund 10 Jahren hat die Migros ihre Eigenmarke Mivella wegen fehlender Kundenakzeptanz aus dem Regal genommen und durch die Marke Rivella ersetzt.

Für Marken sei die Herkunft aus der Schweiz hierzulande wie im Ausland stets ein Garant für Qualität und Vertrauenswürdigkeit. Aber, so Li-Treyer im Hinblick auf die Eigenmarken bei Migros und Coop: Selbst wenn die Schweiz laut Global Innovation Index als Innovations-Champion gelte, «können Schweizer Produkte nicht immer als ausgesprochen innovativ angesehen werden», sagt Li-Treyer.

Aldi und Lidl: keine Änderung

Laut der Direktorin des Markenverbands macht das Duopol aus Migros und Coop den Schweizer Markt zu etwas «Speziellem». Der Anteil von 52 Prozent sogenannter Eigen- oder Händlermarken ist seit Jahren stabil. Selbst der Markteintritt der deutschen Discounter Aldi im Jahr 2005 und wenig später Lidl hat daran nichts geändert. «Auch wenn sie gute Produkte verkaufen und obwohl sie Marken in ihre Sortimente aufnehmen.»

Die Qualitätsstandards seien sehr hoch auf dem Schweizer Markt; das sei zumindest ein Vorteil im Hinblick auf Nachahmerprodukte. Zudem gewährleisteten die hiesigen Detailhändler, dass sie keine Fälschungen anbieten, räumt Li-Treyer ein, die nicht nur Promarca-Direktorin ist, sondern auch Präsidentin von «Stop Piracy». Denn Fälschungen seien ein Thema in allen Segmenten des Marktes.

Hersteller von Fälschungen haben Vorteil

Betroffen seien Luxusgüter wie Uhren, Parfüms oder Handtaschen gleichermassen wie Konsum- (Spielwaren, Medikamente oder Nahrungsmittel) oder Investitionsgüter (Maschinen, Ersatzteile).

Li-Treyer weist darauf hin, dass Hersteller von Fälschungen einen Vorteil aus den Investitionen zögen, die der Inhaber der geistigen Eigentumsrechte einst getätigt habe; dabei müssten sie nicht selbst in Werbung, Forschung, Entwicklung, Qualitätskontrolle oder Unterhalt investieren.

Zudem könnten sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden für Mängel, durch die ein Kunde zu Schaden kommen könne. Der Aspekt geistigen Eigentums steigere den Wert des Originals und «erlaubt den Preisunterschied zwischen dem Original und der Fälschung», sagt Li-Treyer.

Gesundheits- und Sicherheitsrisiken

Konsumentinnen und Konsumenten müssten sich bewusst machen, dass sie, wenn sie Fälschungen kauften, ein Produkt von minderwertiger Qualität erstünden und damit ein Risiko eingingen in Bezug auf ihre Gesundheit und ihre Sicherheit. Zudem unterstützten sie kriminelle Machenschaften mit ihren Einkäufen.

In der Schweiz ist es denn auch verboten, Fälschungen herzustellen oder zu verkaufen. Auch der Import von gefälschten Marken- oder Designprodukten selbst für den privaten Gebrauch ist untersagt. Der Zoll kann solche Artikel beim Im- oder Export beschlagnahmen.

Immer mehr Fälschungen

Laut der bis anhin aktuellsten Studie der OECD aus dem Jahr 2013 beläuft sich der weltweite Markt mit Fälschungen auf 2,5 Prozent des weltweiten Handels und damit auf einen jährlichen Umsatz von 461 Milliarden Dollar. Noch 2008 hatte der Anteil am weltweiten Handel bei 1,9 Prozent gelegen.

Einen Grund für die Zunahme macht Li-Treyer, die Präsidentin von «Stop Piracy», im wachsenden Internethandel aus. Dort sei es einfach, die Rechte am geistigen Eigentum mit Füssen zu treten. «Zahlreiche Schweizer Unternehmen erleiden dadurch einen enormen Schaden.» Weil die meisten solcher Webseiten im Ausland betrieben würden, sei es schwierig, derartige illegale Angebote zu verhindern.

Die Organisation «Stop Piracy» versuche deshalb alle Beteiligten, wie die Logistikbranche, die Bezahldienste oder die Werbebranche für das Problem zu sensibilisieren. Das Ziel müsse sein, so Li-Treyer, den Fälschern das Leben zusehends schwer zu machen.

(sda/ccr)