Über 90 Prozent der Suchanfragen im Internet laufen über Google, in der Schweiz sogar 95 Prozent. Google ist das Schaufenster und das Tor zum World Wide Web. Mit jeder Suchanfrage speichert Google Informationen über Identität, Aufenthaltsorte und Interessen seiner Nutzer. Dadurch hat das Unternehmen aus dem kalifornischen Mountain View eine monopolartige Stellung erlangt. Und es weiss diese zu nutzen.
Jeder dritte Werbedollar bei Google
Die Suchergebnisse passt Google den Interessen seiner Nutzer an. Mit dem unheimlichen Wissen über immer mehr Menschen ist das Unternehmen aber auch zum wichtigsten Webevermarkter geworden. Jeder dritte Dollar, der 2013 weltweit für Onlinewerbung ausgegeben wurde, landete bei Google. Bei Werbung auf mobilen Geräten war es sogar jeder zweite Dollar.
60 Milliarden Dollar setzte Google 2013 um, zu über 90 Prozent stammen die Einnahmen aus Werbung. Man findet sie oberhalb und neben den Ergebnissen der Suchmaschine, aber auch auf immer mehr Webseiten. Dort bespielt Google Werbefenster mit Inseraten, abgestimmt auf den Inhalt der Seite und zugeschneidert auf die Interessen des Nutzers. Mit jedem Klick auf ein solches Werbefenster erfährt Google wieder mehr über die Wünsche seiner Kunden.
Kaum jemand kommt noch an Google vorbei
«Don't be evil» – sei nicht böse – lautet das starke Motto von Google. Doch Zweifel wachsen. Bei privaten Nutzern wegen der gigantischen Anhäufung privater Daten. Bei Firmen, weil sie in eine immer fatalere Abhängigkeit geraten: Um Kunden zu erreichen und erfolgreich Werbung zu platzieren, kommen sie kaum noch an Google vorbei. Und Google weiss seine Macht zu seinen Gunsten zu nutzen.
400 europäische Unternehmen schlossen sich im Mai zum Open Internet Project (OIP) zusammen und reichten eine Wettbewerbsbeschwerde gegen Google ein. Unter ihnen auch der Verlag Axel Springer, der den «Beobachter» herausgibt.
Das OIP wirft Google vor, seine Marktdominanz zu missbrauchen, indem das Unternehmen Suchresultate manipuliere, um eigene Dienste zu bevorteilen. Zudem würden Anzeigenkunden mit wirksamerer Werbung belohnt, wenn sie im Gegenzug alle Google-Dienste nutzten.
Wettbewerbshüter in der Kritik
Der europäische Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia führt wegen solcher Vorwürfe seit über drei Jahren ein Verfahren gegen Google. Im Februar wurde bekannt, dass er es mit einem Vergleich beenden will. Google habe einige Zugeständnisse gemacht. Unter anderem will die Firma künftig neben eigenen, bevorzugten Angeboten auch drei Mitbewerber erwähnen, die sich einen entsprechenden Platz erkaufen müssten.
Die OIP-Unternehmen sehen darin einen Kniefall des Wettbewerbshüters, mit dem Missbräuche nicht verhindert, sondern zementiert würden. Endgültig entscheiden will Almunia nach den Sommerferien.
Jüngst ereilte Google eine weitere schlechte Nachricht: Zwölf deutsche Medienhäuser reichten Klage gegen den Internetriesen ein. Sie verlangen Geld für die Übernahme von Inhalten der Verlage in Googles Nachrichtendienst Google News.
Information der Konsumenten gefährdet
Manipulierte und nicht oder schlecht deklarierte Suchergebnisse führen auch Konsumenten in die Irre. Europas oberste Verbraucherschützerin Monique Goyens hat darum EU-Wettbewerbskommissar Almunia aufgefordert, griffige Massnahmen zu beschliessen, wie das vor einigen Jahren schon gegen Microsoft gemacht wurde. Dem Unternehmen wurde damals verboten, mit dem Betriebssystem Windows seinen eigenen Browser «Internet Explorer» zu bevorzugen.
Bedenken kommen auch aus der Schweiz. «Google ist als Suchmaschine konkurrenzlos. Darum ist es für Konsumenten entscheidend, dass die Suchergebnisse nach Relevanz geordnet erscheinen und nicht einfach beeinflusst werden können», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz.
Wenn Google eigene Produkte bei den Suchergebnissen bevorzuge oder von Drittanbietern Geld verlange, damit sie in die vorderen Ränge kommen, missbrauche das Unternehmen seine monopolartige Stellung. Und: «Es ist wichtig, dass auch die Politik geeint gegen solche Manipulationen vorgeht.»
Spektakuläre Ideen und Zukäufe
Während Google in Europa zunehmend in die Kritik gerät, sorgt die Firma weltweit mit spektakulären Ideen und Zukäufen für Schlagzeilen: Google Glass, Google Car, der Kauf des Roboterherstellers Boston Dynamics und des Satellitenbauers Skybox.
30 Milliarden Dollar hat Google in der Kriegskasse. Und man bewegt sich immer weiter weg von reinen Internetprojekten. «Fragen von Eigentum und Besitz erodieren, unsichtbare Software dreht sich wie ein Holzwurm in Hardware und übernimmt sie, von der Zahnbürste, dem Auto, dem Haus», beschrieb Frank Schirrmacher, der kürzlich verstorbene Mitherausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», was gerade passiert.
Wohin die Reise geht, erhellen über 150 Firmenübernahmen von Google seit seiner Gründung und Investitionen in über 220 Startup-Unternehmen. Einige Beispiele:
Google-Car
Ein selbstfahrender Google-Car wird in absehbarer Zeit wohl kaum zugelassen werden – vor allem nicht in Europa. Ein realistischer Zwischenschritt aber sind Kooperationen mit Autoherstellern bei der Steuerung, Navigation und Unterhaltung.
Diese Woche präsentierte Google «Android Auto». Ähnliche wie das Smartphone sollen auch Auto-Displays bedient werden. Bei der Navigation werden Google-Karten mit dem Kalender und dem Adressbuch der Android-Nutzer verbunden. Zu den Auto-Partnern gehören Audi, Volkswagen, Opel, Renault, Fiat und Volvo.
Uber
Die Firma Uber verbindet in über 70 Städten weltweit Kunden und Fahrer über eine App, auch in Zürich. Weil das System kein Taxameter im Auto benötigt, soll keine Konzession nötig sein – so provoziert Uber das traditionelle Taxigewerbe. Was weniger bekannt ist: Google unterstützte die 2009 in San Francisco gegründete Firma wesentlich mit Geld und Rat.
Google-Gesundheit
Gesundheit wird zum Schlachtfeld, auf dem sich Google und Apple gegenüberstehen. Beide haben es auf Hersteller intelligenter Wagen, Pulsmesser, Schrittzähler und weiterer Messgeräte abgesehen. Mit den Geräten machen sie sich an die Körper ihrer Kunden ran. Auf der neuen Datenplattform Google Fit sollen solche Daten von diversen Apps und Geräten zusammenlaufen, wie das Unternehmen vergangene Woche ankündigte.
Google-Gentech
Google hat auch einen Fuss im Gentech-Gesschäft. Das Unternehmen finanziert 23andMe mit, eine umstrittene Firma, die für 99 Dollar Gentests im Internet anbietet. Die US-Gesundheitsbehörde FDA verbot die Tests Ende 2013; die Kunden könnten die Daten nicht richtig interpretieren.
Google-Haustechnik
Die Hauselektronik ist ebenfalls im Visier von Apple und Google. Im Januar kaufte Google für 3,2 Milliarden Dollar die auf selbstlernende Rauchmelder und Thermostate spezialisierte Firma Nest. Vergangene Woche wurde bekannt, dass sich Nest für 555 Millionen Dollar die Videoüberwachungsfirma Start Dropcam einverleibt hat.
Dank Hauselektronik und der Videoüberwachung sollen sich Wohnungen und Häuser selber regulieren oder fernüberwacht werden. Und Google könnte künftig wissen, wer sich wann in welchem Zimmer aufhält. Und mit wem.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Schwester-Publikation «Der Beobachter».