Das Angebot aus Winterthur kam zum rechten Zeitpunkt: Erst vor sechs Wochen hat Manfred Wennemer seinen Aufsichtsratsvorsitz beim deutschen Baukonzern Hochtief niedergelegt. Nun wird der 66-jährige Münsteraner Präsident beim Industriekonzern Sulzer. Mit Jörg Reinhardt (56) übernimmt im August ein Saarländer den obersten Leitungsposten bei Novartis (siehe «Der Soldat» auf Seite 20). Bereits seit letztem Mai amtet Axel Weber (55), gebürtiger Pfälzer und Ex-Präsident der Deutschen Bundesbank, als VR-Präsident bei der UBS.
Die Schweizer VR-Etagen werden für deutsche Topmanager immer attraktiver. Speziell im Karriereherbst suchen viele von ihnen aktiv nach einem Mandat in der Schweiz. Auch weil hier im Kontrollgremium noch einmal viel Geld zu holen ist. Wäre Weber statt bei der UBS etwa bei der Deutschen Bank Präsident geworden, würde er statt viereinhalb Millionen Franken nicht einmal ein Zehntel davon bekommen. «Finanziell hochattraktiv» nennt Headhunter Heiner Thorborg auch das mit 670 000 Franken dotierte Sulzer-Präsidium – «es ist mit Sicherheit das lukrativste von Wennemers Mandaten». Zu denen zählen immerhin ein Posten bei Allianz Deutschland und das Präsidium beim Milliardenkonzern Knorr-Bremse. Hinzu kommt: Ein Schweizer Verwaltungsrat hat viel mehr Kompetenzen als ein deutscher Aufsichtsrat. Und anders als in Deutschland gibt es im VR keine Grabenkämpfe mit Gewerkschaftsvertretern. Zwar «wird sich die Schweiz auch in Zukunft anstrengen müssen, um Spitzenkräfte aus dem Nachbarland anzuziehen», sagt Headhunter Guido Schilling: «Denn anders als noch vor ein paar Jahren glauben deutsche Topmanager wieder an ihre Regierung und an die wirtschaftliche Zukunft im eigenen Land.»
Dennoch dürfte der Trend zunehmen. «Ich kann Ihnen einen DAX-CEO nennen, der, ohne eine Sekunde zu zögern, ein Mandat in der Schweiz annehmen würde», so Thorberg. «Und das gilt vermutlich für viele. Die Wahl ist leicht.» So werden etwa dem deutschen Linde-Chef Wolfgang Reitzle (63) Ambitionen auf das Präsidium von Holcim nachgesagt, wenn nächstes Jahr das Mandat von Rolf Soiron (68) abläuft. Dem Holcim-VR gehört Reitzle seit 2012 an.
Wennemer wird seinen Job in Winterthur am 27. März antreten. Nur 20 Kilometer entfernt, in Zürich Oerlikon, amtet ein anderer Deutscher an der Spitze eines Schweizer Industriekonzerns, mit dem er bestens bekannt ist: ABB-Präsident Hubertus von Grünberg (70). Der war zehn Jahre lang Präsident des Autozulieferers Continental, Wennemer unter ihm CEO. Im Streit um das Übernahmeangebot durch Konkurrent Schaeffler 2009 entzweiten sich die beiden. 2007 folgte von Grünberg bei ABB auf den ebenfalls deutschen Präsidenten Jürgen Dormann (73). Dessen Nachfolger bei Sulzer ist nun Wennemer.