Auch in einem erneuerbaren Energiesystem gilt: Ohne Netze gibts keinen Strom. Sie sind die Lebensader der Energieversorgung und müssen den sich ändernden Bedürfnissen der Energiewende gerecht werden. Wie bei der Produktion braucht es auch hier vorausschauende Planung und langfristige Investments.
Über den Wert einer weitestgehend unabhängigen, sicheren und nachhaltigen Stromversorgung sind sich in diesen Tagen und Wochen alle einig. Die Versorgungssicherheit ist nicht mehr nur eine Randnotiz in der öffentlichen Debatte. Viele Rezepte kursieren, wie die Schweiz die Energie- und Klimaziele erreicht.
Michael Frank (58) ist seit 2011 Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) mit Hauptsitz in Aarau. Der Fürsprecher verfügt über eine breite berufliche Erfahrung in der Elektrizitätswirtschaft und in sich liberalisierenden Märkten. Zuvor war er im Regulatory Management bei der Axpo und Swisscom tätig.
Fokussiert wird dabei auf eine hinreichende inländische erneuerbare Stromproduktion – gewiss die eine Hälfte der Miete. Die andere Hälfte jedoch wird sträflich ausgeblendet. Dabei ist es sonnenklar: Ohne Netz keinen Strom. Wir können produktionsseitig noch so hochfahren – es nützt alles nichts, wenn wir den Strom nicht dorthin befördern können, wo er verbraucht wird. Strom und Netz bedingen sich gegenseitig.
Unser über die letzten 150 Jahren gewachsenes Stromnetz ist Spitzenklasse, im Schnitt fällt es hierzulande nur rund 20 Minuten aus. Man beneidet uns dafür. Möglich machen es die durchschnittlich 1,2 Milliarden Franken, die schon im heutigen Energiesystem jährlich in die Stromnetze fliessen – und dies allein in den Unterhalt.
Wer nun glaubt, man könne so weiterfahren, irrt gewaltig. Die tiefgreifende Umwandlung des Energiesystems bedarf einer Netzinfrastruktur, die den sich wandelnden, neuen Anforderungen gerecht wird. Erhalten reicht nicht. Wir müssen die Netze anpassen, modernisieren und nötigenfalls ausbauen.
Das ist schlicht und einfach Realität, wollen wir die Energie- und Klimaziele erreichen. Eine Realität, die nicht gratis zu haben ist.
Weitsichtiges Denken und angemessene Rahmenbedingungen für langfristige, kapitalintensive Investments sind gefragt. Anlegerinnen und Anleger brauchen Sicherheit wie stabile und angemessen Zinsen. Eine solche bietet der vom Bund festgelegte kalkulatorische Zinssatz für das im Stromnetz gebundene Kapital (WACC: Weighted Average Cost of Capital).
Just bei diesem für Investorinnen und Investoren, unter denen sich übrigens auch Pensionskassen mit unserem Angesparten befinden, so wichtigen Zinssatz überprüfte der Bund eine marktnähere Berechnung, was einer Zinssenkung gleichkäme.
Teile der Wirtschaft und der oberste Preisüberwacher sprachen sich unlängst für eine WACC-Senkung aus, weil dieser auch einen Einfluss auf die Strompreise hat. Der WACC ist eine von drei Komponenten, aus denen sich die Netzkosten zusammensetzen. Die Netzkosten wiederum machen einen signifikanten Teil des Strompreises aus.
Doch vor kurzem teilte der Bundesrat richtigerweise mit, den WACC im Tarifjahr 2023 unverändert auf 3,83 Prozent zu belassen. Das ist eine gute Nachricht. Der VSE hatte eindringlich vor einer Neuberechnung gewarnt. Eine marktorientierte Anpassung des WACC wäre einem Eigentor gleichgekommen.
Eine am Geldmarkt orientierte Anpassung des WACC hätte jede Sicherheit in notwendige Investitionen in die Netze genommen.
Etwaige Pläne, die Berechnung der Verzinsung zu ändern, sind damit hoffentlich endgültig vom Tisch. Wer an der Netzfinanzierung herumschraubt, schraubt an der Versorgungssicherheit. Das hat nun zumindest der Bundesrat erkannt. Mit seinem Entscheid, den WACC unverändert zu lassen, hält er Kurs in der Energie- und Klimastrategie.
Das Stromnetz ist der Enabler der erneuerbaren Energieversorgung und der Elektrifizierung, die das Netto-null-Ziel vorgibt. Es ist Zeit, dass wir den Netzen die Bedeutung beimessen, die sie für die Versorgungssicherheit faktisch haben.