Die Abgas-Affäre von VW zieht immer weitere Kreise. In den USA jagt Berichten zufolge schon eine Zivilklage die nächste - Anwaltskanzleien haben den Autokonzern im Visier und bereiten in grossem Stil Sammelklagen vor. Dazu kommen noch diverse andere Rechtsrisiken.
Steve Berman war sofort zur Stelle. Noch am selben Freitag, an dem sich US-Behörden VW wegen Abgas-Manipulationen vorknöpften, bereitete der Anwalt aus Seattle die erste Sammelklage gegen den deutschen Autoriesen vor. Das ist nicht einmal eine Woche her. «Wir haben Tausende Anfragen erhalten und antworten, so schnell wir können», erklärte seine Kanzlei Hagens Berman am Donnerstag. Die zweite Klage sei bereits eingereicht, die dritte folge Ende der Woche. «Sie soll Vertreter aus jedem US-Bundesstaat umfassen.»
Als Kläger kommen vor allem VW-Kunden infrage, die sich getäuscht sehen. Die Leute hätten einen Aufschlag gezahlt, weil sie dachten, es handle sich um Autos mit besonders sauberer Technologie, berichtet Berman. Aber: «Nicht nur, dass sie nicht bekamen, wofür sie bezahlten - diese Autos waren in Wirklichkeit eine Bedrohung für die Umwelt.» VW war für eine Stellungnahme hierzu zunächst nicht zu erreichen.
Bereits fast vierzig Sammelklagen
Berman, der bereits den Autokonzernen General Motors und Toyota mit Sammelklagen zu schaffen machte, ist bei weitem nicht der einzige Anwalt, der in den Startlöchern steht. Eine Flut von Sammelklagen in den USA und in Kanada zeichnet sich ab: Nach Informationen des NDR und der «Süddeutschen Zeitung» sind bereits 37 bei US-Gerichten eingegangen, weitere zwei in Kanada.
VW gerät damit immer weiter unter Druck. Wegen der Manipulation von Emissions-Messwerten mit einer speziellen Software, die die Abgasreinigung bei fast einer halben Million Dieselautos allein in den Vereinigten Staaten im Normalbetrieb abschaltete, droht bereits eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar durch die US-Umweltbehörde EPA. Der Konzern hat inzwischen eingeräumt, dass es weltweit Unregelmässigkeiten bei rund 11 Millionen Dieselautos gibt.
Auch das Justizministerium in Washington soll wegen möglicher strafrechtlicher Vergehen ermitteln. Mehrere Bundesstaaten schmieden zudem eine Allianz, die prüft, inwiefern der bereits seit 2009 andauernde Abgas-Schwindel justiziabel sein könnte.
Betrug und mehr
Die Zivilklagen, die Berman und Co. anstrengen, kommen da noch oben drauf. Betrug, Vertragsbruch und weitere Gesetzesverstösse - das sind dem Bericht zufolge die deftigen Vorwürfe in den Klageschriften.
Die Empörung über die Dreistigkeit, mit der VW die Emissions-Tester ausgetrickst haben soll, ist in den USA riesig. Auf Twitter machen schon seit Tagen Besitzer von betroffenen VW-Diesel-Autos ihrem Ärger Luft. «Ich fordere Entschädigung», ist dabei ein gängiger Kommentar.
Im US-Recht ist es relativ leicht, sich bei solcher Wut im Bauch einer Klage anzuschliessen. Für Anwälte sind aussichtsreiche Sammelklagen gegen Grosskonzerne lukrativ, sie übernehmen die Fälle häufig gegen eine Beteiligung an den erstrittenen Entschädigungs- oder Vergleichssummen. VW hat gegenüber der EPA bereits ein Fehlverhalten eingeräumt.
VW heuert Staranwälte an
Aber es ist noch zu früh, um das gesamte Ausmass abzuschätzen. Bislang handelt es sich nur um eingereichte Klagen, denen sich andere Kläger anschliessen, und die dann als Sammelklagen vor Gericht zugelassen werden müssen. Entscheidungen der Justiz gibt es noch nicht.
Fest steht aber: Auf VW kommt einiges zu. Die Wolfsburger haben mit den Staranwälten von Kirkland & Ellis bereits hochkarätige Verstärkung verpflichtet, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg - auch hierzu schwieg Volkswagen bisher. Die Kanzlei hatte schon den britischen Ölkonzern BP nach der Explosion der Ölplattform «Deepwater Horizon» im Jahre 2010 vertreten.
(sda/ccr)