Der Versuch der deutschen Autoindustrie, Tesla den Rang als Marktführer für Elektrofahrzeuge abzulaufen, gerät ins Stocken. Letzte Woche mussten sowohl Volkswagen AG als auch Mercedes-Benz AG Rückschläge einstecken.

Der Wolfsburger Konzern verschiebt informierten Kreisen zufolge sein Trinity-Projekt wegen Softwareproblemen um mindestens zwei Jahre – peinlich für seine imageträchtige und 52 Milliarden Euro schwere E-Auto-Offensive, die die Branche aufmischen sollte. Die Stuttgarter Luxusautoschmiede hingegen musste in China die Preise um bis zu 32'000 Euro senken, weil die batteriebetriebene Version der S-Klasse in der Volksrepublik wie Blei in den Schauräumen stehenbleibt.

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Die jüngsten Vorfälle sind ein Warnsignal für die heimische Industrie, die noch nie dagewesene Mittel in die eigene Transformation investiert. Zwar kämpfen Autobauer auf der ganzen Welt mit der Abkehr vom Verbrennungsmotor, doch für die deutschen steht am meisten auf dem Spiel, das sie es gewohnt sind, mit Spitzentechnologie und luxuriösen Ausstattungen hohe Preise zu erzielen.

«Die deutschen Autohersteller haben mutige Elektrifizierungsziele verkündet und behaupten, sie seien führend bei der Umstellung, aber sie liefern noch nicht», sagt Michael Dean von Bloomberg Intelligence. «Sie haben noch einen langen Weg vor sich.»

Software wird aus dem Boden gestampft

Nach jahrelangen erfolglosen Versuchen, Tesla zu verdrängen, kommen die deutschen Autobauer nun auch noch durch chinesische Newcomer unter Druck. Statt nur auf inkrementelle Änderungen an Verbrennern zu setzen, stecken BMW, Mercedes und VW nun mehr als 100 Milliarden Euro in den Ausbau einer völlig neuen Infrastruktur.

Montageplattformen, Batteriewerke und Software werden aus dem Boden gestampft, um eine neue Generation von Fahrzeugen zu entwickeln. 

«Aus der Hardware-Perspektive würde ich nicht daran zweifeln, dass sie hervorragende Autos bauen können», sagt Axel Schmidt, der bei Accenture die Automobilsparte leitet. «Aber kann eine 120 Jahre alte Automarke die Komplexität und Qualität bewältigen, die für die Software benötigt wird? Ich bin mir da nicht so sicher.»

VW könnte Pläne für neue Fabrik aufgeben

Der Kursschwenk bei VW zeigt, dass der neue Boss Oliver Blume die Pläne von Ex-Konzernchef Herbert Diess auf dem Prüfstand stellt. Für Mercedes sind die Probleme in China besonders heikel, da die Stuttgarter bis 2030 so weit wie möglich elektrisch fahren und gleichzeitig ihr Portfolio in Richtung Oberklasse verlagern wollen.

Auch bei VW könnten die Folgen weitreichend sein. Sollte sich das Trinity-Projekt tatsächlich über 2026 hinaus verzögern, könnte der Autobauer auch seine Pläne für eine 2 Milliarden Euro teure neue Fabrik aufgeben. Damit würde VW im Technologierennen mit Tesla weiter ins Hintertreffen geraten, insbesondere beim automatisierten Fahren.

Die Verzögerung von Trinity ist auf VWs altbekannte Probleme in der Software-Sparte Cariad zurückzuführen, die seit Jahren unter Pannen und Missmanagement leidet. Sie ist bereits Schuld an der dreijährigen Verspätung des Audi Artemis - VWs Antwort auf Tesla in der Luxusklasse – der nun erst 2027 kommen soll.

Trinity-Projekt und autonomes Fahren wird zurückgestellt

«Blume ist offenkundig dabei, die gesamte Fahrzeug- und Softwarestrategie neu zu bewerten, und daher wäre 2026 der früheste Zeitpunkt, an dem VW Tesla etwas entgegensetzen könnte – vorbehaltlich weiterer Plattform- und Softwareverzögerungen», sagte Dean. Im Juni sah es für ihn noch so aus, als könne der Autobauer dieses Ziel bereits 2024 erreichen.

Bei einer Verzögerung von Trinity könnte Volkswagen gezwungen sein, weiter auf seine MEB-Plattform zu setzen mit der die ID-Baureihe arbeitet. Diese hatten mit Software-Problemen zu kämpfen, wie plötzliches Bremsen durch ein fehlerhaftes Verkehrserkennungssystem und das Versagen der Anzeigen.

Cariad wird sich nun zunächst auf die Fertigstellung einer neuen Software-Architektur für die Premium-Modelle von Porsche und Audi konzentrieren. Die markenübergreifende Plattform, die das Trinity-Projekt und autonomes Fahren unterstützen sollte, wird zurückgestellt.

«Die Deutschen scheinen in letzter Zeit ein wenig über sich selbst zu stolpern», sagt Matthias Schmidt, ein in Berlin ansässiger Auto-Analyst. «Ihr typischer Perfektionismus könnte ihr schlimmster Feind werden und sie in dem schnelllebigen EV-Umfeld ausbremsen.»

(Bloomberg/bsc)