Aller Anfang ist schwer, vor allem in China. Das musste Teo Borschberg, ein junger Schweizer, gleich drei Mal am eigenen Leib erfahren: in Shanghai, Peking und in der Henan-Provinz.

Dreimal holte sich Borschberg eine blutige Nase – und das, obwohl er eine vielversprechende Idee hatte: Der 24-Jährige wollte das deutsche Sanifair-Konzept nach China bringen; privat betriebene Toiletten im öffentlichen Raum, für deren Benutzung der Kunde 70 Cent oder 5,70 Renminbi zahlt und bei denen er sicher sein kann, dass sie sauber sind.

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Das ist bei öffentlichen Toiletten in China nicht garantiert: Zwar gibt es zum Beispiel in Shanghai fast in jeder U-Bahn-Station nach Geschlechtern getrennte Toiletten, ihr Zustand lässt aber oft zu wünschen übrig: keine Seife, kein Toilettenpapier, dafür Schmeissfliegen und stechender Urin-Geruch.

«Der Bedarf an sauberen Toiletten ist riesig, theoretisch zumindest», sagt Teo Borschberg, der vor seiner Zeit in China die Hotelfachschule in Lausanne besuchte. Doch er hatte kein Glück – weder die Shanghaier noch die Pekinger Stadtregierung wollte dieses lukrative Geschäft an einen Laowai, einen Ausländer, vergeben.

Behörden wollen Gratis-WCs

Auch in der Henan-Provinz, in der über 100 Millionen Menschen leben, lehnten die Behörden schlussendlich ab. Die Frustration war gross, die Enttäuschung riesig: Fast zwei Jahre lang hatte Teo Borschberg versucht, sein Geschäft in China ans Laufen zu bringen.

Er war drauf und dran, das Land zu verlassen. «Vielleicht war ich zu naiv», sagt er, «heute weiss ich: Für die Behörden hier ist es wichtiger, kostenlose Toiletten anzubieten.»

Durch Zufall stiess Borschberg auf einen Hersteller von wasserlosen Urinalen. «Das war die Lösung», sagt er. Statt mit Bürgermeistern sprach Teo Borschberg jetzt mit Unternehmern, dem Betreiber des bekannten Shanghaier Clubs «88», mit Fünf-Sterne-Hotels, der «Bar Rouge» im Zentrum von Shanghai und anderen Lokalen, die Tausende Gäste und damit einen hohen Wasserverbrauch haben.

Trotz der Knappheit vor allem im Norden Chinas wird viel Wasser verschwendet, bis zu 300 Millionen Chinesen trinken der OECD zufolge jeden Tag verschmutztes Wasser. Der Preis wird von den Behörden künstlich niedrig gehalten, ein Kubikmeter Frischwasser koste für den Verbraucher rund vier Renminbi, rund 50 Cent, so Teo Borschberg. «Für die Leute gibt es also keinen Grund, Wasser zu sparen», sagt er.

Finanzierung durch Werbe-Clips

Was tun? Borschberg dachte nach und erfand eine Kampagne, die «100 Millionen Liter-Kampagne», mit der er nun das öffentliche Bewusstsein für die Knappheit des wertvollen Gutes schärfen will.

Hotels und Bars bekommen die wasserlosen Urinale geschenkt, Borschberg kümmert sich um die Installation und die Wartung. Ein Urinal kostet rund 500 Euro. Für den Jungunternehmer lohnt sich das trotzdem, verkauft er doch Werbeflächen auf den kleinen Digitaldisplays, die die Urinale haben.

«Die Wiedererkennungsrate ist extrem hoch», sagt Teo Borschberg, «vor allem Reisen, hochwertige Spirituosen und Technologie lassen sich dort vermarkten.» Das klingt sonderbar, scheint aber zu funktionieren: «Die Anzeigen verkaufen sich gut», sagt Borschberg. Der durchschnittliche Urinal-Benutzer bekomme vier Clips à 15 Sekunden zu sehen.

150.000 Liter pro Urinal und Jahr

40 dieser Toiletten hat Teo Borschberg mit seinem Unternehmen Good Toilet schon in Shanghai installiert, 60 weitere folgen in diesen Wochen. «Wir haben schon fast eine Million Liter Wasser gespart», sagt er.

Für die 100 Millionen Liter, die er sich zum Ziel gesetzt hat, braucht es etwa 660 wasserlose Urinale. Ein Urinal verbraucht etwa 150.000 Liter Wasser im Jahr. Mitte 2014, so schätzt der Unternehmer, wird er die Marke erreicht haben. «Es ist nicht sonderlich sexy», gibt Teo Borschberg zu.

Die Wirkung ist aber gross: Gerade verhandelt er mit einer Shanghaier Shoppingmall, 26 Millionen Liter Wasser im Jahr verbraucht sie allein durch Klospülungen. Borschberg hat eine Facebook-Seite und bewirbt sein Projekt in chinesischen Netzwerken, er kooperiert mit NGOs und hält Vorträge über die Kampagne.

Anzeigenflut zu Weihnachten

Trotzdem sieht er sich zuerst als Unternehmer. «Wir wollen Profit machen», sagt er, «ganz klar.» Die ersten Ergebnisse will er Mitte November bekannt geben. «In den Wochen vor Weihnachten laufen traditionell viele Anzeigen», sagt er. Obwohl die Chinesen kein Weihnachten feiern, haben sich viele die Geschenketradition abgeguckt, in der Vorweihnachtszeit wird konsumiert und entsprechend Werbung geschaltet.

Nach der anfänglichen Sanifair-Pleite in drei Städten – in Shanghai, Peking und Zhengzhou, der Hauptstadt der Henan-Provinz – will Teo Borschberg nun schnell expandieren, seine wasserlosen Urinale stehen bald auch in Peking und Hongkong. Er verspricht: «Wir sparen so Milliarden von Litern.»