Für die Aktionäre hatte Mark Zuckerberg, Gründer und CEO von Facebook, schlechte Nachrichten: Zum einen ging erstmals in der Unternehmensgeschichte die Zahl der Nutzer im wichtigen US-Markt leicht auf 184 Millionen zurück. Zum anderen musste Zuckerberg erklären, dass die Nutzer im vierten Quartal erstmals weniger Zeit auf Facebook verbrachten als zuvor.

Der CEO führte das auf den Umbau des Newsfeeds zurück, den er veranlasst hatte: «Wir ermutigen die Nutzer zu sinnvollen Verbindungen untereinander anstatt zum passiven Inhalte-Konsum», erklärte Zuckerberg in der Quartalszahlen-Konferenz. «Den Nutzern zu mehr Kontakten untereinander zu verhelfen ist uns wichtiger, als die Zeit zu maximieren, die sie auf Facebook verbringen.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Mehr Postings der Freunde

Facebook zeigt seinen Nutzern deswegen wieder weniger Videoinhalte von Medienunternehmen und dafür mehr Postings ihrer Freunde. Da Videogucken mehr Zeit kostet als Lesen oder Fotos anzuschauen, verbringen die Nutzer nun weltweit insgesamt etwa 50 Millionen Stunden weniger Zeit auf Facebook als vor der Änderung – pro Nutzer sind das gerade einmal gut zwei Minuten, doch für Facebook ist das der erste deutliche Rückgang in der Geschichte des Netzwerks.

Facebook

Facebook zeigt weniger Videoinhalte von Medienunternehmen und dafür mehr Postings von Freunden

Quelle: Keystone

Weltweit konnte Facebook dennoch weiter zulegen, hat nun 1,4 Milliarden täglich aktive Nutzer. Doch auch hier verlangsamte sich das Wachstum deutlich auf gut zwei Prozent pro Quartal. Die Zahlen zeigen: Mittelfristig fällt es Facebook schwer, weiter zu wachsen.

Die Werbeeinnahmen könnten sinken

Dem Gewinn im vierten Quartal hat Zuckerbergs Facebook-Umbauplan nicht geschadet: im Vergleich zum Vorjahresquartal konnte der Konzern seinen Profit um mehr als 60 Prozent auf 4,62 Milliarden Dollar steigern. Dieses Wachstum jedoch gelingt dem Konzern nicht mehr wie in den Vorjahren durch die Registrierung neuer Nutzer, stattdessen sind die Werbeeinnahmen pro Nutzer gestiegen.

Die jedoch kann der Konzern nicht unbegrenzt steigern – der Platz für mehr Werbeanzeigen ist begrenzt, am meisten Geld pro Anzeige brachten im vergangenen Jahr zudem Video-Anzeigen. Zeigt Zuckerberg nun seinen Nutzern weniger Videos, könnten die Werbeeinnahmen in den kommenden Quartalen sogar sinken. Signifikantes Wachstum konnte allein Facebooks Tochterfirma Whatsapp verzeichnen. Die Messenger-App hat aktuell 1,5 Milliarden Nutzer, 200 Millionen mehr als im Juni 2017.

Wächst und wächst: Whatsapp hat aktuell 1,5 Milliarden Nutzer, 200 Millionen mehr als im Juni 2017.

Neue Rezepte sind nötig

Facebooks Zahlen zeigen, dass das klassische Wachstumsmodell des US-Internetgiganten an einem Limit angekommen sein könnte: Mehr Nutzer sind zumindest in westlichen Industriestaaten nur noch schwer zu finden. Stattdessen muss das Netzwerk nun neue Wege finden, seinen Umsatz zu steigern – etwa durch noch mehr Anzeigen. Doch auch hier ist der Firma ein Limit gesetzt, wenn die Zeitspanne sinkt, die die Nutzer mit ihren Produkten verbringen möchten.

Fraglich ist, inwieweit diese Wachstumsperspektive bereits in die Wertentwicklung der Aktien eingepreist ist: Facebooks Aktie musste nach Veröffentlichung der Zahlen nachbörslich zunächst einen herben Dämpfer hinnehmen, konnte sich zwischenzeitlich wieder erholen.

Wettlauf zum Eine-Billion-Dollar-Konzern

Die Aktien der grossen Techkonzerne haben ein Rekordjahr hinter sich – und 2018 könnte neue Rekorde bringen: Laut Analystenerwartungen könnten sich Google, Apple und Amazon einen Wettlauf um die Position als erstes Unternehmen mit einer Bewertung von einer Billion Dollar liefern.

Facebook ist aktuell 543 Milliarden Dollar wert, Amazon wird an der Börse mit 699 Milliarden Dollar bewertet, Googles Mutterkonzern Alphabet mit 821 Milliarden Dollar und Apple mit 851 Milliarden. Google, Amazon und Facebook gewannen allesamt innerhalb der letzten sechs Monate mindestens 25 Prozent an Wert, Rekordhalter ist Amazon mit Kursgewinnen von mehr als 50 Prozent seit September.

Ein Logistikzentrum von Amazon: Jetzt wird die Schweiz aufgerollt.

Lagerhalle: Amazon verzeichnet Kursgewinne von mehr als 50 Prozent seit September.

Quelle: Getty Images / Emanuele Cremaschi

Anleger mit grenzenloser Phantasie

In diesen Kursen stecken gewaltige Wachstumserwartungen von Analysten und Aktionären – gemessen an den Kennzahlen der Old Economy sind die Preise, die für die Aktien aufgerufen werden, mittlerweile deutlich zu hoch. Was, wenn – siehe Facebook – diese Erwartungen nicht länger einfach erfüllt werden? Facebook ist aktuell mit einem Preis- Gewinn-Multiplikator pro Aktie von gut 30 nach klassischen Massstäben überbewertet. Kurse, die ein Unternehmenspapier mit mehr als dem 20-fachen Gewinn pro Aktie taxieren, sind zumindest in der Old Economy nur durch extreme Wachstumserwartungen zu rechtfertigen.

Google-Mutter Alphabet übertrifft Facebook mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 40 deutlich. Doch das ist nichts gegen die Bewertungen von Netflix – Multiplikator 216 – oder gar Amazon: Die Aktie des Konzerns aus Seattle kostet aktuell mehr als 330 mal soviel, wie sie den Aktionären pro Stück und Jahr einbringt. Die Fantasie der Anleger erscheint grenzenlos – doch die Bewertungen der Riesen sind inzwischen auf einem Niveau, das Vergleiche zum Neuer-Markt-Hype vor dem Crash 2001 erlaubt.

Anzeichen für eine Neubwertung

Damals war eines der ersten Zeichen für eine herbe Neubewertung nach unten der vorsichtige Rückzug einiger professioneller Investoren bereits Monate vor dem Crash. Dieselben Anzeichen sind auch aktuell im Markt für Tech-Aktien zu finden: Laut einer Investoren-Mitteilung von Analysten von Merrill Lynch Global Research von Ende Januar sanken die Anteile von Tech-Werten in den Investmentpositionen grosser institutioneller Anleger in vier der vergangen fünf Monate.

Der Anteil der Tech-Werte in den Depots der grossen US-Pensionsfonds ist trotz steigender Kurse so niedrig wie nie in den vergangenen zwölf Monaten, schreibt Merrill Lynch. Der vorsichtige Rückzug der Profis könnte ein Signal sein, dass die Kurs-Party am Tech-Markt 2018 enden könnte, noch bevor einer der Giganten die Billionen-Bewertung knackt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Kurz vor der Billion droht Amazon & Co. der Crash».