Es schien ein Seufzer der Erleichterung durch die Anlegerschaft zu gehen, als ABB am 19. Juli die Quartalszahlen präsentierte. Um 2,8 Prozent stieg der Aktienkurs, ABB war damit Tagesgewinner im Schweizer Börsenindex SMI. Schliesslich hatte Konzernchef Ulrich Spiesshofer letztes Jahr ein ums andere Mal versprochen: «2018 is the new normal, ABB ist bestens positioniert für profitables Wachstum.» Alles normal jetzt also?
Misst man die jüngsten Ergebnisse an den langfristig definierten Zielen, sieht die Wirklichkeit etwas düsterer aus. Im Rahmen der Next-Level-Strategie will Spiesshofer fünf Kennzahlen erreichen: Für die Jahre 2015 bis 2020 soll ABB ein organisches Umsatzwachstum von jeweils 3 bis 6 Prozent und eine Betriebsgewinnmarge von 11 bis 16 Prozent erreichen. Weiter werden als operationelles Gewinnwachstum pro Aktie 10 bis 15 Prozent anvisiert.
Ziele verfehlt
Der frei verfügbare Cashflow soll mindestens 90 Prozent des Reingewinns ausmachen, und die Kapitalrendite soll sich in den «Mid-teens» bewegen, also ungefähr 13 bis 17 Prozent betragen. Bis letztes Jahr wurde nur das Free-Cashflow-Ziel erreicht sowie jenes der Betriebsgewinnmarge, Letzteres aber nur knapp.
Schaut man sich die letzten zwölf Monate auf Basis der jüngsten Zahlen an, ist das Ergebnis ernüchternd. Das wichtige Ziel des Umsatzwachstums wurde erneut deutlich verfehlt, das Margenziel nur knapp erreicht. Besonders die Dauerbaustelle Power Grids macht weiterhin Sorgen; der aktivistische Investor Cevian Capital (5,2 Prozent der Aktien) fordert seit langem eine Abspaltung.
Auch bei der wichtigen Kapitalmarktrendite erfüllt ABB den eigenen Anspruch nicht. Weiterhin im Zielkorridor liegt der Free Cashflow. Immerhin: Das operationelle Gewinnwachstum pro Aktie wurde nun erstmals knapp erreicht. Das ist etwas besser als in den Quartalen davor. Dennoch sind die meisten Kennzahlen noch lange nicht dort, wo sie hingehören.
Unerfreulicher Aktienkurs
Noch unerfreulicher ist die Aktienkursentwicklung. Mit einem Minus von 14,4 Prozent ist ABB dieses Jahr der zweitschlechteste Wert im SMI, nur Adecco schneidet noch schlechter ab. Auch die Gewinne nach den Quartalszahlen gab ABB in den Folgetagen grossteils wieder ab. Kein Wunder, denn der Kurssprung war auch Folge eines gelungenen Expectation Managements: In den Wochen und Monaten davor hatte ABB gezielt die Erwartungen gedämpft.
«Ein Aktienkurs von 35 ist absolut erreichbar. Ich lasse mich daran messen», verkündete Spiesshofer im Oktober 2016. Derzeit liegt der Kurs bei 22 Franken. Der Druck auf den ABB-Chef wird nicht geringer.