Die wichtigste Information gleich vorab: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zieht nicht jeden Tag dasselbe T-Shirt an. «Ich kann euch versichern, dass ich ganz viele T-Shirts habe, die nur alle gleich aussehen», sagte Zuckerberg am Donnerstag vor einem voll besetzten Saal am Hauptsitz des Konzerns in Menlo Park.
Diese und andere drängende Fragen beantwortete der Konzerngründer und Multimilliardär beim ersten Townhall-Meeting für Facebook-Nutzer. Es ist seit Jahren Tradition bei dem Unternehmen, dass sich Zuckerberg jeden Freitag den Fragen seiner Mitarbeiter stellt. Erstmals beantwortete er nun Fragen seiner einer Milliarde Kunden.
«Wieso hast Du uns zur Massenger-App gezwungen?»
Vor einer Woche hatte Zuckerberg auf seiner Facebook-Seite die Nutzer dazu aufgefordert, ihm Fragen zu schicken. Die Kommentare mit den meisten Like-Klicks wurden in Menlo Park von einem Moderator vorgelesen. Einige der Fragesteller hatte Facebook sogar extra eingeflogen. Dazu sassen rund 200 weitere Mitarbeiter, Studenten und Schüler im Saal.
Sie alle hatten eines gemeinsam – sie waren Facebook und seinem Gründer sehr wohlgesonnen. Wirklich fiese Fragen oder Kommentare gab es nicht. Die kritischste las der Moderator gleich am Anfang vor. Sie war von einer Nutzerin aus Addis Abeba in Äthiopien eingereicht worden. «Wieso hast du uns gezwungen, die neue Messenger-App herunterzuladen?»
Zuckerberg kannte viele Fragen vorab
«Ui», antwortete Zuckerberg, «das ist eine harte Frage», um dann wohlüberlegt eine vorformulierte Erklärung hinzulegen. Seit August können Facebook-Nutzer nicht mehr über die eigentliche App des sozialen Netzwerks Nachrichten verschicken. Stattdessen müssen sie eine separate Messenger-App nutzen. Die Umstellung hatte zu vielen Protesten bei den Kunden geführt.
«Ich weiss, dass es viel verlangt ist von unseren Kunden, eine neue App auf ihr Telefon zu laden», sagte Zuckerberg. Aber er sei überzeugt davon, das sei nötig gewesen. Jede App könne nur eine Funktion richtig gut erfüllen. Die Facebook-App sei für die Newsfeed-Funktion gedacht, also den Austausch von Neuigkeiten, Fotos und Videos auf den personalisierten Seiten der Nutzer.
Der Austausch von Kurznachrichten zwischen Nutzern werde aber immer wichtiger, was auch der Erfolg der Nachrichten-App WhatsApp zeige, die Facebook in diesem Jahr übernommen hatte.
Nutzer antworten mit App 20 Prozent schneller
Der Erfolg gäbe ihm recht: Mit der Messenger-App würden die Nutzer nun etwa 20 Prozent schneller auf Nachrichten antworten. Jetzt arbeite sein Team daran, die Messenger-App noch schneller zu machen und besser darin, Fotos und Videos zu teilen.
Die zweite Frage kam von einem Nutzer aus dem englischen Leeds, der eine Videobotschaft an Zuckerberg geschickt hatte. «Was sind deine liebsten Entwicklungen, die nie veröffentlicht wurden?» Zuckerberg antwortete, sein Team habe über ein Jahr an einem besseren Design des Newsfeeds gearbeitet. Es habe auf den grossen Bildschirmen der Programmierer sehr elegant und übersichtlich ausgesehen.
«Demütigender Moment»
Nach Versuchen mit Beta-Testern sei ihnen erst aufgefallen, dass die wenigsten Menschen riesige Bildschirme auf ihrem Schreibtisch stehen haben und das Design auf kleinen Bildschirmen überhaupt nicht funktioniere. Es sei ein «demütigender Moment» gewesen, als sie das einsehen und ein Jahr Arbeit begraben mussten.
Eine andere Frage stammte von einer Frau mittleren Alters in einem Batik-T-Shirt, die extra aus Utah nach Kalifornien geflogen war. Sie stellte sich vor als «grosser Filmfan» und einer ihrer Lieblingsfilme sei «The Social Network». Ob der Film denn der Wahrheit entspreche, wolle sie wissen.
Versucht, «The Social Network» zu verdrängen
«Oh je», stöhnte Zuckerberg mit gespielter Dramatik. Er habe den Film versucht zu verdrängen. Verständlich, schliesslich porträtiert ihn der Hollywoodfilm aus dem Jahr 2010 als Soziopathen, der seine Freunde übers Ohr haut und Frauen mies behandelt.
«Es war eine interessante Erfahrung, einen Film zu sehen, der mein Leben zeigen sollte – ich sage bewusst: sollte.» Der Streifen haben wenig mit der Realität zu tun. Vermutlich, weil die Produzenten des Films gern Tickets verkaufen und Preise gewinnen wollten. «Die Realität hätte so ausgesehen, dass ich zwei Filmstunden in meinem Zimmer gesessen und programmiert hätte.» Das wäre natürlich ein Flop in Hollywood geworden.
Am «schmerzhaftesten» sei für ihn aber die Anschuldigung gewesen, er habe Facebook erfunden, um Frauen zu erobern. Dabei sei er doch schon vor Facebook mit seiner heutigen Ehefrau Priscilla Chan zusammen gewesen. «Würde die Geschichte im Film stimmen, wären wir wohl längst nicht mehr zusammen.»
Mitarbeiter veräppelten ihn mit Appletini
Zuckerberg verriet, dass er trotzdem mit seinen Mitarbeitern am Erscheinungstag des Films gemeinsam ins Kino gegangen sei. Im Film kommt eine Szene vor, laut der er gern Appletini trinke – eine Mischung aus Apfelsaft und Martini. «Ich hatte noch nie vorher von Appletini gehört.» Danach hätten ihn Kollegen im Büro damit aufgezogen und ihm Appletini angeboten.
Viele Fragen drehten sich um Zuckerberg persönlich, einige aber auch ums Geschäft. Der Facebook-Chef kündigte zum Beispiel an, dass Nutzer bald selbst mehr über das Aussehen ihres Newsfeeds bestimmen könnten. Pro Tag sammelten sich durchschnittlich 1500 Neuigkeiten auf den individuellen Facebook-Seiten der Kunden. Sie könnten jedoch meist nicht mehr als zehn Prozent davon lesen.
Deswegen sortiert Facebook bislang diejenigen nach oben, die der Algorithmus für besonders interessant hält. Viele Nutzer hätten sich darüber beschwert. Innerhalb des nächsten Jahres werde Facebook eine Filterfunktion veröffentlichen, mit der man selbst seine Präferenzen einstellen kann. Wichtig war Zuckerberg auch das Thema Diversity. Facebook müsse weniger weiss und männlich werden. Studien würden belegen, dass jene Konzerne am erfolgreichsten seien, deren Belegschaft besonders bunt gemischt in Herkunft und Geschlecht sei. Das wolle er künftig mehr fördern.
«Ich bin auch keine coole Person»
Ein Nutzer kritisierte, Facebook sei nicht mehr sonderlich cool. Zuckerberg parierte, das sei kein Wunder: «Ich bin ja auch keine coole Person.» Es sei ihm nie darum gegangen, ein besonders cooles Produkt zu machen, sondern eines, das gut funktioniert. «Wenn du nach Hause kommst und das Licht anmachst, denkst du ja auch nicht: Wow, Strom!»
Einige Stunden vor dem Townhall-Meeting hatte Facebook einen neuen Spenden-Button eingeführt, mit dem Nutzer mit wenigen Klicks Geld für den Kampf gegen Ebola spenden können. Ein Zuschauer wollte von Zuckerberg wissen, warum er sich ausgerechnet für Ebola entschieden habe. «Es wäre unglaublich toll, wenn ich in die 70er-Jahre zurückgehen und HIV bekämpfen könnte, bevor es sich ausbreitet», sagte Zuckerberg. Bei Ebola habe die Welt jetzt die Chance zu verhindern, dass das Virus sich weiter ausbreite und zu einer ähnlichen weltweiten Seuche werde wie HIV es immer noch ist.
Bei Facebook sei es ihm immer darum gegangen, die Welt besser zu machen und Menschen zu helfen. Letztlich sei das auch der Grund, warum er immer das identisch aussehende, graue T-Shirt anhabe, von dem er diverse besitze. «Ich will so wenig Entscheidungen wie möglich in meinem Leben treffen.»
Keine unnützen Entscheidungen
Es sei psychologisch erwiesen, dass jede noch so kleine Entscheidung einem Energie raube, die einem dann bei den wichtigen Momenten im Leben fehle. Er wisse, das klinge albern, aber es sei mit Fakten belegbar. Auch Apple-Gründer Steve Jobs habe schliesslich immer den gleichen Rollkragenpulli angehabt und US-Präsident Barack Obama entscheide morgens auch nicht selbst, was er anziehe.
Sein langweiliges, graues T-Shirt würde ihm helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: «Ich will alle meine Energie darauf verwenden, die Menschen in der ganzen Welt miteinander zu verbinden.» Zum Schluss bedankte sich Zuckerberg, dessen Publikum im Saal klatschend von den Stühlen sprang. Er habe viel in dieser Fragestunde gelernt und viele interessante Anregungen bekommen.
Dieser Text erschien zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt».