Wird Apples Titan zum Zwerg? Das Autoprojekt des iPhone-Herstellers trägt ambitioniert den Namen griechischer Götter, doch laut Bloomberg-Berichten wird das gesamte Vorhaben ordentlich geschrumpft. Statt ein eigenes autonomes Auto zu bauen, will Apple jetzt anderen Herstellern eine passende Software für das Fahrzeug der Zukunft bereitstellen.

Ganz anders entwickelt sich dagegen der Kurs von Tesla. Der E-Autobauer ist knapp dem Startup-Status entronnen, vor zwei Jahren galt er noch als Übernahmeziel von Apple. Im Vergleich zum weltgrössten Konzern mit einer Marktkapitalisierung von über 630 Milliarden US-Dollar ist Tesla ein kleiner Fisch, der gerade einmal einen Börsenwert von gut 35 Milliarden Dollar in die Waagschale werfen kann. Und doch, so zeigt sich, macht Tesla im Moment einiges besser. Der Vergleich:

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Sex-Appeal

Apple-Gründer Steve Jobs war der erste Computer-Freak, der an den Konsumenten dachte. Ihm verdanken wir, dass sich die Maus durchgesetzt hat und unser Bildschirm heute nicht mehr aus grünem Buchstabensalat besteht. Das ist Jobs grosses Erbe: Der Perfektionist wollte, dass bereits das Auspacken eines Apple-Produktes zum Erlebnis wurde. Mit diesem Ansatz wurde Apple für Hunderte Millionen Käufer zum Inbegriff der Coolness. An sich wäre Apple damit der Idealkandidat, um das Auto der Zukunft zu bauen. Es gibt wohl wenige Produkte, die stärker mit der Identität ihres Besitzers verknüpft sind als der Pkw.

Das Problem dabei: In der Autobranche muss sich Apple beim Design nicht gegen Tech-Nerds, sondern gegen gewiefte Traditionshersteller durchsetzen. Und mit Tesla gibt es bereits einen jungen, frischen, designbesessenen Anbieter. Konzernchef Elon Musk ruhte nicht eher, bis das Model S versenkbare Türgriffe bekam. Das Model X hat Flügeltüren, weil Musk wollte, das Eltern mit Kindern gut einsteigen konnten. Der Südafrikaner ist selbst fünffacher Vater. Wollte Apple Tesla beim Autodesign in naher Zukunft überbieten, würde die Latte hochliegen.

Der Hype um die Produkte

Sie sind der Inbegriff des Apple-Kultes: Die Schlangen der wartenden Kunden vor den Apple Stores am ersten Verkaufstag des neuen iPhones. Auch beim iPhone 7 standen die Konsumenten an vielen Orten an. Doch die Reihen derjenigen, die das Gerät der jüngsten Generation unbedingt am ersten Tag haben wollen, lichten sich.

Tesla dagegen hat seine Kunden bei der Ankündigung des Model 3 nicht nur dazu gebracht, weltweit vor den Verkaufsfilialen anzustehen. Rund 400'000 Käufer waren sogar bereit, umgerechnet 1000 Franken anzuzahlen für ein Auto, das ab 2017 ausgeliefert wird.

Kluge Strategie

Apples Strategie bestand lange darin, im Geheimen zu wirken und dann mit einem marktreifen Produkt zu überraschen: das berühmte «One more thing». In Bezug auf das Apple-Auto – das vom Konzern nie bestätigt wurde – hat das bedingt funktioniert. Immerhin berichten Bloomberg und andere detailliert über die Probleme beim Top-Secret-Projekt.

Auch Tesla-Chef Elon Musk hält seine Fahrzeuge im Entwicklungsstadium möglichst geheim. Er setzt aber noch einen anderen Hebel an, um sich das Interesse der Konsumenten zu sichern. Sein erstes Erfolgsauto war das Model S – ein Sportwagen. Mit dem leistungsstarken Flitzer, der über eine Reichweite von fast 500 Kilometern verfügt, eroberte Musk die Herzen der Premiumkäufer. Derzeit steht Tesla im Premiumsegment nicht nur in der Schweiz, sondern auch im zweitgrössten Automarkt der Welt, den USA, an der Spitze. Der Tesla gilt als cool – und coole Autos will auch die Masse der Käufer.

Charismatischer Konzernchef

Tesla-Chef Elon Musk weist jeden Vergleich mit Steve Jobs von sich. Und doch lässt sich nicht leugnen: Beiden ist gemeinsam, dass sie als exzentrische Visionäre ihre Anhänger zu begeistern wissen. Das gilt nicht nur für Kunden, sondern auch für die Mitarbeiter.

Südafrikaner Musk verlangt seinen Angestellten ähnlich wahnwitzige Leistungen ab wie einst Jobs. Cholerische Anfälle sind beim Tesla-Chef laut der Biografie von Ashley Vance nicht im gleichen Masse wie bei Jobs berichtet – doch auch Musk feuert Mitarbeiter ohne mit der Wimper zu zucken, wenn er es für nötig hält, unbesehen von den bisherigen Leistungen des Betroffenen. Dennoch geben die Angestellten oft alles für die Mission des Firmenchefs. Der aktuelle, solide Apple-Chef Tim Cook kann hier an Schrecken, aber auch an Charisma nicht mithalten.

Zuverlässigkeit

Tesla-Chef Musk lässt notorisch alle Liefertermine platzen. Auch die für diese Woche angekündigte «überraschende Neuerung» verlegte er von Montag auf Mittwoch. Der chronische Aufschub hat der Beliebtheit der Tesla-Fahrzeuge bisher keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Dieser Mechanismus ist Apple nicht fremd: Zum Verkaufsstart müssen Kunden oft teils Wochen auf ihr gewünschtes Gerät warten. Wer sich rar macht, steigert das Begehren, das gilt wohl für Tesla und Apple.

Elon Musk allerdings riskiert, den Bogen zu überspannen. Mit dem Lieferstart des Model 3 ab 2017 hat er 400'000 Kunden ein Versprechen gemacht, für das sie 1000 Dollar gezahlt haben. Verzögert sich die Auslieferung hier erheblich, könnte das Begehren der Kunden in Ärger umschlagen.

Greifbare Resultate

Die Resultate sind eine Schwachstelle von Tesla. Zum einen steht der grosse Beweis noch aus, dass das Unternehmen für den Massenmarkt produzieren kann. Zwar gelang im dritten Quartal eine Steigerung um 70 Prozent auf 24'500 Fahrzeuge, womit für die zweite Jahreshälfte dieses Jahres das Ziel von 50'000 greifbar wird. Zuvor allerdings ist Telsa stets unter den selbstgesetzten Zielen geblieben.

Schwerer wiegt, dass Tesla aktuell mit starkem Gegenwind beim Autopiloten zu kämpfen hat. Die Lenkhilfe hat zu einem Unfall mit Todesfolge und mehreren Sachschäden geführt, seitdem steht die selbstbewusste Verkaufe der Beta-Vision in der Kritik.

Apple hat hier kein vergleichbares Sündenregister. Allerdings auch deswegen, weil sie nicht annähernd ein autonomes Fahrzeug zustande gebracht haben. Laut Bloomberg schaffte es Apple nicht, die komplexe Zuliefererkette für sein Projekt sicherzustellen. In dieser Disziplin wiederum ist Elon Musk Meister, wie er auch mit seiner zweiten Firma «Space X» bewies.  Er schafft es nicht nur, Lieferanten für benötigte Teile ausfindig zu machen, sondern auch, bewährte Teile günstiger zu bekommen.

Das richtige Personal

Tesla und Apple haben sich in den vergangenen Jahren ein Wettrennen um Köpfe der US-Autobranche geliefert. Apple habe «Leute eingestellt, die wir gefeuert haben», höhnte Musk dabei.

Ganz so ist es nicht: Bei Apple arbeiten nicht nur nach wie vor 1000 Mitarbeiter am Auto der Zukunft, auch die Leitung ist prominent besetzt. Vor wenigen Monaten hat Bob Mansfield übernommen, der Erschaffer des iPad. Mansfield allerdings war es laut Bloomberg auch, der den Schwenk zur Software beschloss.

Mit Software punkten

Apple macht mit dem Entscheid, auf Software zu setzen, sicherlich vieles richtig. «Es hat wenig Sinn für Apple, ein Auto neu zu entwickeln», sagt Verivox-Experte Ralf Beyeler.  Sinnvoller sei es, zuerst mit verschiedenen Herstellern zusammen zu arbeiten. «Die Komplexität dürfte wesentlich geringer sein, wenn man kein ganzes Auto bauen muss. Die Komplexität für selbstfahrende Autos ist auch so noch hoch.»

Es ist für Apple als Tech-Unternehmen logischer, die Software zu entwickeln und zu lizensieren, als Autobauern im angestammten Feld Konkurrenz zu machen. Allerdings schläft auch hier die Konkurrenz nicht: Tesla bedient seine Fahrzeuge mit eigener Software, die es regelmässig updatet. Und auch Google geht bei autonomen Auto offenbar in eine ähnliche Richtung – und der Suchmaschinenkonzern hat mit dem Android-Betriebssystem immerhin schon einmal einen weltweiten Software-Marktführer etabliert.

Ausserdem bleibt damit eine Frage offen: Wie Apple seine Abhängigkeit vom iPhone beenden will. Aktuell macht es rund 70 Prozent der Umsätze auf. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer hat hier im Apple-Auto die grosse Chance gesehen. Er sagt: «Wenn Titan scheitert, und so könnte es derzeit aussehe, fehlt Apple in der Zukunft die Langfrist-Stabilität.»