Am Dienstag hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un die Kriegsangst in Ostasien zunächst etwas gedämpft und eine Entscheidung über Raketenstarts in Richtung der US-Pazifikinsel Guam verschoben. «Glücklicherweise haben alle Seiten rhetorisch abgerüstet, und es besteht die Chance zu Verhandlungen zum Nordkoreakonflikt», sagte deshalb der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Jürgen Hardt, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

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Dennoch halten Experten und EU-Diplomaten die Situation weiter für sehr gefährlich - schon weil die nordkoreanische Regierung sowohl ihr Atom- als auch ihr Raketenprogramm bereits sehr weit entwickelt hat und mittlerweile über geschätzte 20 Nuklearsprengsätze verfügen soll. «Die Lage ist also weiter angespannt», sagte Alexandra Sakaki, Korea-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Und sollte die Situation erneut eskalieren, könnte sich aus dem rhetorischen Scharmützel Kim Jong Uns mit US-Präsident Donald Trump ein Konflikt entwickeln, der sehr viele Konfliktparteien betrifft - einschliesslich Europas und Deutschlands.

Denn auf dem Höhepunkt der gegenseitigen Kriegsdrohungen hatte der australische Ministerpräsident Malcom Turnbull klar gemacht, dass sein Land im Falle eines Angriffs an der Seite der USA stünde. Bei Japan und wohl auch Südkorea ist dies ebenfalls der Fall. Auf der anderen Seite haben China und Russland im UN-Sicherheitsrat zwar die neuen Sanktionen gegen Nordkorea mitgetragen. Aber China hat gleichzeitig die USA vor einem Einsatz militärischer Mittel gewarnt. Sollte Nordkorea zuerst losschlagen, bleibe China neutral. Sollte Nordkorea angegriffen werden, stehe China aber an dessen Seite.

Rusland und China

Tatsächlich gibt es die Vermutung, dass es sowohl Russland als auch China gar nicht unlieb ist, dass Nordkorea und die USA nun aneinandergeraten. Denn alle drei Regierungen betrachten die USA als den strategischen Konkurrenten, Nordkorea spricht gar von einem Feind. «Nordkorea braucht geradezu ein äusseres Feindbild, um seine Legitimität zu unterstreichen», sagte SWP-Expertin Sakaki. «Und China steckt in einem Dilemma», fügt sie hinzu.

«Einerseits sieht es die Eskalation mit Sorge, weil es kein Interesse an einem Krieg in seiner Umgebung haben kann.» Andererseits sei die Priorität Pekings aber durchaus der Erhalt des Regimes in Nordkorea, um zu verhindern, dass amerikanische Soldaten im Zuge einer denkbaren Wiedervereinigung Koreas bis an die chinesische Grenze vorrücken könnten. Das erklärt das Lavieren Chinas - und den sehr unterschiedlichen Druck der Weltgemeinschaft auf Pjöngjang.

Der Grünen-Aussenpolitiker Omid Nouripour sieht allerdings eine Chance: «Grösste Angst Chinas ist mittlerweile, dass Nordkorea den USA durch die Eskalation einen Vorwand zum Eingreifen liefern könnte - der dann in der Stationierung von noch mehr US-Soldaten auf der Halbinsel mündet», sagt er. So erklärt er, warum China nun doch seinen Druck auf Nordkorea verstärken könnte.

Südkorea und Japan

Eines der Probleme ist nach Ansicht von SWP-Expertin Sakaki, dass nicht einmal der Westen geschlossen auftritt. Die japanische Regierung steht klar hinter einem harten US-Kurs.

Der neue südkoreanische Präsident Moon Jae In dagegen will die Gesprächskanäle Richtung Norden unbedingt offenhalten. «Die Regierung wird unter allen Umständen einen Krieg verhindern», sagte er am Dienstag. Es werde keine Militäraktion auf der koreanischen Halbinsel ohne die Zustimmung Südkoreas geben, fügte er warnend Richtung Washington hinzu. Der Grund: Im Kriegsfall dürfte Südkorea zu den Hauptbetroffenen gehören.

Was macht die Nato - und Deutschland?

Dass Australien mit in einen Krieg hineingezogen würde, gilt bei EU-Diplomaten als sicher. Die Frage ist, was Europa und Deutschland tun werden, die sowohl Nordkoreas Machthaber als auch Trump zu einer Deeskalation aufrufen. 2001 wurde nach den Anschlägen in New York und Washington der Beistands-Artikel 5 des Nato-Vertrages für das Eingreifen in Afghanistan aktiviert. Diesmal sieht die Lage aber anders aus - nicht nur, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrfach zur rhetorischen Mässigung aufgerufen und jede militärische Lösung abgelehnt hat.

«Im Falle eines Angriffs auf Guam wäre Deutschland laut Nato-Vertrag nicht zum Beistand verpflichtet, da dieses Territorium vertraglich nicht abgedeckt ist», sagte der SPD-Aussenpolitiker Niels Annen zu Reuters. Denn Artikel 6 des Nato-Vertrages definiert klar die Gebiete, die einen solchen Beistand auslösen würden. «Guam liegt südlich des Wendekreises des Krebses und deshalb nicht in dem Gebiet, in dem die Beistandsverpflichtung gemäss Artikel 5 des Nato-Vertrags greift. Das war übrigens im Fall des argentinischen Angriffs auf die britischen Falkland-Inseln genauso», meint auch CDU-Aussenpolitiker Hardt.

Selbstverständlich aber würden die übrigen 28 Nato-Mitglieder «alle diplomatischen und wirtschaftlichen Massnahmen» erwägen, welche die USA in dieser Situation unterstützen könnten, fügte Hardt hinzu.

Anders als beim australischen Ministerpräsidenten Turnbull klingt dies nicht nach bedingungsloser Unterstützung - die im Wahlkampf schon angesichts der mangelnden Popularität Trumps in Deutschland derzeit keine Partei versprechen will. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte zu einem möglichen Verhalten Deutschlands am Montag gar keine Stellung nehmen. Aber wenn Nordkorea wirklich Raketen auf Guam abfeuern sollte, dürfte es schwer werden, den USA eine Unterstützung zu verweigern, heisst es in der Bundesregierung.

(reuters/ccr)