«Ich möchte Ihnen ja nicht den Tag verderben», sagt Didier Saint-Georges und beginnt seinen Vortrag. Über die nachlassende Wirkung der Notenbankspritzen, über die Deflationsgefahren rund um den Globus. Über die mögliche Rezession in den USA und was das für die Börsen bedeutet. Und darüber, wie ein Investor Geld anlegt, wenn er für die kommenden Jahren ein sogenanntes japanisches Szenario erwartet, in dem Wirtschaft und Aktienmärkte als Ganzes kaum noch vom Fleck kommen.

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Geht es nach Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees beim Asset Manager Carmignac, müssen sich Unternehmer und Anleger auf harte Zeiten einstellen. Zwei grosse Trends macht der Börsenexperte in diesem Spätherbst aus: Zum einen, so sagt er, ist der globale Abschwung inzwischen Realität – und wird sich weiter verschärfen. Vor allem die beiden grössten Volkswirtschaften geben demnach Grund zur Beunruhigung. «Alle Indikatoren zeigen Richtung Süden.»

In China zeigt die Tendenz nach unten

Für China sieht Saint-Georges zwar keine «harte Landung». Die Wirtschaft als ganze werde weiter mit ansprechenden Raten wachsen. Doch die westlichen Ökonomien werden seiner Auffassung nach das «rapide Rebalancing» der Wirtschaft zu spüren bekommen. Während der Dienstleistungssektor in der vergangenen Dekade um rund 10 Punkte auf heute fast 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts gewachsen ist, sinkt der Anteil der Industrie: Machte das verarbeitende Gewerbe vor der Finanzkrise 2008 noch fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus, sind es mittlerweile nur noch gut 40 Prozent – mit weiterer Tendenz nach unten.

Diese massiven Umwälzungen sind heute zwar nicht für China gefährlich, so Saint-Georges, könnten aber vom Rest der Welt aber als «harte Landung» wahrgenommen werden. Denn die westliche Exportwirtschaft profitierte vom Investitionsboom in den vergangenen Jahren mehr als sie es nun vom Aufschwung des Konsums tut. Die Überkapazitäten im Reich der Mitte führten in diesen Monaten zu Preissenkungen. Das Land exportiert Deflationsprobleme in den Rest der Welt, sagt Saint-Georges. Hinzu kommt: Für westliche Firmen werde es zunehmend schwerer, am Aufschwung in China teilzuhaben.

US-Firmen beschränkt sich aufs Zahlen aufpeppen

Doch nicht nur in Fernost zeigen die Indikatoren nach unten: Neben China ist die US-Wirtschaft nach Ansicht von Carmignac der grösste Problemfall. Das Konsumentenvertrauen sinkt. Schlimmer noch sei, dass das Investitionsumfeld von den Finanzmärkten massiv unterschätzt werde, so Saint-Georges. Die Firmen hätten die geldpolitische Lockerung (QE) in den USA nicht genutzt, um in neue Maschinen und Anlagen zu investieren, sondern um «financial engineering» zu betreiben – also die Zahlen aufzupeppen und so die Aktionäre zufriedenzustellen.

Laut dem Carmignac-Experten wird an den Finanzmärkten heute noch unterschätzt, dass die ausbleibenden Investitionen die wirtschaftlichen Aussichten der grössten Volkswirtschaft der Welt beeinträchtigen. «Die Analysten sind dabei, ihre Gewinnerwartungen zunehmen nach unten zu schrauben.» Das dürfte sich zunehmend auch an den Aktienmärkten spiegeln, glaubt man bei Carmignac.

Vermutlich weiter expansive Politik der Fed

Liefen in der Vergangenheit Indizes wie der S&P 500 weitgehend im Gleichschritt mit den realen Einkommen der privaten Haushalte, hat sich seit Start des ersten QE-Programms in den USA im Jahr 2009 eine ungewöhnliche Schwere aufgetan: An den Börsen ging es stetig bergauf, die Löhne indes legten kaum zu (siehe Grafik, Quelle: Carmignac). Wahrscheinlich sei, dass die beiden Kurven sich in Zukunft wieder annäherten – eher aber über sinkende Börsenkurse als steigende Einkommen, so Saint-Georges.

Der Carmignac-Experte geht davon aus, dass die Notenbanken angesichts dieser Aussichten weiter eine expansive Politik verfolgen. Denn ein Umschwung könnte grössere Verwerfungen nach sich ziehen, befürchtet er: Mit einer falschen Reaktion der US-Notenbank Fed steige die Rezessionsgefahr für die amerikanische Wirtschaft . Das Problem jedoch: Mit jeder neuen Runde geldpolitischer Lockerung werden die QE-Effekte kleiner und kleiner.

«Die Notenbanken stecken in der Falle.»

So habe das erste Programm 2009 in den USA noch «die Welt gerettet». Der Vorstoss der Europäischen Zentralbank indes zeige heute kaum noch Wirkung, allenfalls an den Kreditmärkten. Saint-Georges befürchtet so manche Finanzmarktblase: Etwa bei hochverzinslichen US-Unternehmensanleihen, an den Rohstoffmärkten oder bei kürzer laufenden Staatsanleihen. «Die Notenbanken stecken in der Falle.» Und an den Märkten dürfte man laut Saint-Georges zunehmend merken, dass die Währungshüter nicht die Lösung der Probleme sind.

Was bedeutet das für Investoren? Wenn man für die Zukunft von einem Szenario wie im Japan der 1990er Jahre ausgeht, so Saint-Georges, «kauft man keine zyklischen Aktien». Nach einem Crash am Bankenmarkt kam der Tokioter Leitindex Nikkei über Jahre nicht vom Fleck. Aus den Erfahrungen von damals will Carmignac heute lernen: Firmen mit Preismacht, die noch dazu in einer Nische agieren, könnten für die Zukunft eine gute Investition sein. Etwa aus dem Pharmabereich, wenn sie die klinische Phase III neuer Wirkstoffe überstanden haben. «Dort kümmert man sich nicht um wirtschaftliche Abschwünge oder Deflationsprobleme.»

Luxus-Firmen profitieren von reichen Chinesen

Heute ebenfalls attraktiv, was es im Japan der 90er Jahre jedoch noch nicht gab: Aktien grosser Tech-Unternehmen. Der Online-Versandhändler Amazon reinvestiere seine Geld seit Jahren und sei heute Marktführer, sagt der Carmignac-Experte. Ähnliches gelte für die kalifornischen Giganten Google und Facebook. Es werde ein grosses Auseinanderdriften zwischen Gewinnern und Verlierern geben, ist Saint-Georges überzeugt. Ebenfalls gute Chancen haben angesichts des steigenden Wohlstands in den grossen Schwellenländern wie China offenbar auch Luxus-Firmen wie Richemont. «Diese Story bleibt stark, weil die Chinesen reicher werden und diese Marken kaufen.»